Seit ein paar Monaten weisen die Staatsbeamtengewerkschaft CGFP und die Berufskammer der Staatsbediensteten bei nahezu jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hin, wie wichtig es sei, die CEO in eine unabhängige Verwaltung zu verwandeln, die dem Sozialminister untersteht.
CEO steht in der Regel für Chief Executive Officer, in Luxemburg seit zehn Jahren aber auch für die Cellule d‘évaluation et d‘orientation zur Pflegeversicherung. Der mit dem Gesetz über die Pflegeversicherung vom 19. Juni 1998 geschaffenen CEO obliegen im Grunde alle Recherchen, Befunde und Entscheidungen über den Grad der Pflegebedürftigkeit einer Person und die Aufstellung der individuellen Pflegepläne. Daneben berät sie die Pflegebedürftigen und die Leistungserbringer; ebenso den Sozialminister bei Gesetzesänderungen und die Krankenkassenunion UCM, die die Finanzen der Pflegeversicherung verwaltet. Laut Gesetz ist die CEO der IGSS, der Generalinspektion der Sozialversicherung, angegliedert.
Weshalb sollte sie zehn Jahre später autonom werden? – Schon ihrer Größe wegen, meint die CGFP. Immerhin begleitet die CEO derzeit knapp 9 000 Pflegefälle und bearbeitet pro Monat 500 Anträge auf Pflege und 400 Anträge auf technische Hilfsmittel und Anpassung der Wohnung. Der Mitarbeiterstab von anfangs 16 hat sich auf heute 50 mehr als verdreifacht. Noch im Frühjahr 2001 hatte der damalige LSAP-Abgeordnete Lucien Lux in einem Bericht für die Abgeordnetenkammer festgestellt, dass zwei Jahre nach Inkrafttreten der Pflegeversicherung in der Regel acht bis neun Monate vergingen, ehe ein Pflegeantrag bearbeitet war (d‘Land, 4. Mai 2001). Heute dauert es ein bis zwei Monate, in besonders dringenden Fällen nur eine Woche.
„Umso erstaunlicher“, schrieb die CGFP in der Mai-Ausgabe ihres Gewerkschaftsorgans fonction publique, „dass eine Einrichtung dieser Größenordnung und dieses Leistungs-angebots immer noch als eine Art Anhängsel einer staatlichen Kontrollinstanz gilt und nicht als eigenständige Verwaltung anerkannt wird.“ Zumal sich zur gleichen Zeit ein Gesetzentwurf der Regierung auf dem Instanzenweg befand, der den arbeitsmedizinischen Dienst beim Staat in eine autonome Verwaltung verwandeln sollte – mit einem Personalbestand von nur vier Ärzten. Dass dies „unlogisch“ sei, wenn man nicht auch die CEO eigenständig mache, schrieb im Juni die Berufskammer der Staatsbediensteten in ihrem Gutachten zu diesem Gesetzentwurf.
Es geht bei diesen Vorstößen jedoch um mehr als nur administrative Zuständigkeiten. Dass die CEO ausgerechnet Teil der IGSS ist, ist prinzipiell problematisch und bringt die IGSS in eine ungute Lage. Im März 2007 kam das ansatzweise vor der Schiedskammer der Sozialversicherung zur Sprache: Im Jahr zuvor hatte die CEO einer Antragstellerin ein technisches Hilfsmittel verweigert. Die Dame wandte sich daraufhin an den Verwaltungsrat der Krankenkassenunion, die das Pflegegeld verwaltet. Dieser entschied mehrheitlich und gegen die Stimme des damaligen UCM-Präsidenten Robert Kieffer, das Hilfsmittel doch zu finanzieren. Kieffer blieb nichts anderes übrig, als beim Direktor der IGSS Einspruch zu erheben: Laut Code des assurances sociales sind die Gutachten der CEO für die UCM bindend, ihr Verwaltungsrat kann sie nicht ändern. Der IGSS-Direktor suspendierte die Entscheidung, Sozialminister Mars Di Bartolomeo annullierte sie endgültig.
Der entscheidende Punkt dabei ist jedoch, dass der IGSS-Direktor auf den Akt einer seiner Abteilungen hin agierte. Exekutive und Kontrolle fielen zusammen. Man könnte sagen: ganz ähnlich wie im Staatsrat in der Affäre Procola in den Achtziger- und Neunzigerjahren, als der damals noch bestehende Streitsachenausschuss des Staatsrats mit der Beschwerde der Molkereigenossenschaft Procola wegen ihr angeblich nicht ordnungsgemäß zugeteilter Milchquoten befasst war, der Landwirtschaftsminister die Kontingente neu festlegte und der Staatsrat den Änderungsvorschlag nicht nur begutachtete, sondern einen eigenen Gesetzesvorschlag machte. So dass, allein der Demokratie im Sozialwesen wegen, eine Trennung zwischen CEO und IGSS angebracht wäre. Eine politische Initiative dazu gibt es derzeit nicht. Doch ab Anfang 2010 soll die CEO auch die Qualitätskontrolle der Pflegeleistungsträger übernehmen. Denkbar, dass sich dann weitere schwierige Konstellationen für die Generalinspektion ergeben könnten.
Aber so richtig sicher waren sich die politischen Akteure bisher noch nie über Statut und Verbleib der CEO. Die damalige Sozialministerin Mady Delvaux-Stehres (LSAP) hatte ihr Mitte der Neunzigerjahre in der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs zur Pflegeversicherung Autonomie geben wollen, das aber nicht klar festgeschrieben. Der Staatsrat schloss sich dem zunächst an und schlug vor, die CEO zu einem „service public autonome de l‘Union de caisses de maladie“ zu machen. Da die CEO medizinische Indikationen überprüfe, sei sie vergleichbar mit dem medizinischen Kontrolldienst der Sozialversicherung, und der ist autonom.
In einem zweiten Gutachten aber fand der Staatsrat, die CEO solle entweder dem medizinischen Kontrolldienst oder der IGSS angeschlossen werden. Regierung und Parlamentsausschuss optierten für Letzteres, um die CEO „organisatorisch und logistisch zu stärken“. Als im Jahr 2005 zur letzten großen Reform des Pflegeversicherungsgesetzes ausgeholt wurde, fiel das Thema CEO unter den Tisch.