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leitartikel

Trump und die EU

Peter Feist

Was hat die Klage Dänemarks, mit Unterstützung durch Schweden, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die EU-Mindestlohnrichtlinie damit zu tun, dass seit Montag und für die nächsten vier Jahre Donald J. Trump wieder Präsident der USA ist? Auf den ersten Blick überhaupt nichts.

Auf den zweiten Blick doch. Die 2022 verabschiedete Richtline über einen „dezenten“ Mindestlohn, wichtigstes Vermächtnis des Luxemburger EU-Sozialkommissars Nicolas Schmit, enthält gewisse Vorschriften, wie so ein Mindestlohn zu berechnen ist. Dass das so sein sollte, störte Dänemark und Schweden schon, als über Nicolas Schmits Entwurf verhandelt wurde. Den Argumenten in der Klage schloss EUGh-Generalanwalt Athanasios Emiliou sich vor einer Woche an: Die Richtlinie müsse annuliert werden.

Die Richter können natürlich anders entscheiden. Aber die ganze Auseinandersetzung ist wieder mal eine um die Grenzen der Zuständigkeiten der EU auf der einen Seite und ihrer Mitgliedstaaten auf der anderen. Mehr noch als wieder mal eine: Sie betrifft Geringverdienende. Damit einen Politikbereich, der auf nationaler Ebene außerordentlich sensibel ist. Gerade deshalb so sensibel, weil Neue Rechte Leuten aus der Arbeiterklasse erzählen, ihre Interessen wären in einem „Europa der Nationen“ viel besser aufgehoben als in einer „Union“. Die übrigens nicht mal ihre Außengrenzen dicht genug zu halten verstehe. Am lautesten schreit zurzeit die deutsche AFD, weil Wahlkampf ist: Raus aus der EU, zurück zur D-Mark. Schon in ihrem Programm zu den Europawahlen vergangenen Juni stand das.

„Trump hat für Europäer eine grenzenlose Verachtung“, sagte der luxemburgisch-französische Politikwissenschaftler François Heisbourg am Samstag vergangener Woche in einem Wort-Interview. Europa sei schwach – in Trumps Augen eine „Todsünde“.

Doch stark sein, ist für die EU ein Problem. Sie ist eine Inkarnation des neoliberalen Utopias von Freihandel, am besten globalem, und möglichst wenig Einfluss von Regierungen. Das war die Neue Weltordnung, die die USA nach dem Ende des Kalten Krieges anstrebten, mit Amerika selbst als Führungsmacht. An dieser Form von Weltordnung hat Washington kein Interesse mehr. Wer für sie noch steht, ist bestenfalls von gestern, schlimmstenfalls ein Gegner.

Das droht, die inneren Widersprüche der Europäischen Union auf die Spitze zu treiben. Widersprüche wie die zwischen nationalen Systemen und nationaler demokratischer Willensbildung gegenüber den Entscheidungen auf der großen EU-Ebene, die sich normalen Bürger/innen selbst beim besten Willen nicht erschließen. Die zu Kompromissen führen, die angreifbar sind; der Widerstand gegen die Mindestlohnrichtlinie ist so ein Beispiel.

Trumps Wahlsieg ebenso wie der Aufwind der Neuen Rechten in Europa zeigen, dass es funktioniert, zu behaupten, die Interessen der kleinen Leute zu vertreten. Dabei Gegensätze von Klassen durch angebliche Gegensätze von Identitäten zu verdecken, Ressentiments gegenüber Flüchtlingen zu schüren oder LGBTQ-Menschen, kurz: allen, die anders sind. Die großen politischen Parteien haben schon vor längerer Zeit aufgehört, sich um Klassengegensätze zu kümmern.

Einigkeit zeigen, sich zusammenreißen, mit einer Stimme sprechen – das wäre für die EU schon nicht leicht, wenn alle 27 Mitgliedstaaten Regierungen der Mitte hätten. Haben sie aber nicht, und demnächst könnte die EU noch weiter nach rechtsaußen driften. Nach dort, wo behauptet wird, die EU sollte besser zu einer Freihandelszone werden und nicht mehr sein wollen als das. Trumps Amerika wird solche Tendenzen fördern, denn mit als Einzelnen schwachen Ländern lassen sich vorteilhaftere Deals abschließen. Das Problem für die EU ist, gleichzeitig ihren Laden zusammenzuhalten, und den Beweis anzutreten, dass die Union besser ist als ein Europa der Nationen. Das wird außerordentlich schwer.

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