Mit seinem neuen Roman wechselt Luc François, der bereits einige Fantasy- und Science-Fiction-Werke veröffentlicht hat, in ein neues Genre: Sein Buch Wasserstand schöpft aus dem Krimi-Genre, versetzt mit Mystery-Elementen und einer Geschichte um die Herausforderungen des Schriftstellerdaseins. Sprachlich gewandt und durchaus gut erzählt, plätschert die eigentliche Geschichte im Endeffekt zwar vor sich hin – und doch entwickelt der Erzählstil einen prickelnden Sog, an dem man schnell feststellen kann, dass diese Feder nur noch nach der passenden Geschichte sucht, um richtig zu glänzen.
In Wasserstand geht es um den mittelmäßig erfolgreichen Schriftsteller Klaus Klopp, der in einer Krise steckt. Doch es ist keine Schreibkrise, sondern vielmehr eine regelrechte Existenzkrise, die alles ins Wanken bringt. Sein Verleger entpuppt sich mehr und mehr als Dilettant, während sein bester Freund, der als Lektor bei einem anderen, erfolgreicheren Verlag arbeitet, mit dem neuen Stern am Krimihimmel Eugene V. Graves in unerreichbare Ferne zu rücken droht. Das wäre das gefühlte Todesurteil für Klaus‘ Karriere als Schreibender, findet dieser, und entscheidet sich, einen Roman zu schreiben, der es in sich hat, um es allen zu beweisen: seinem läppischen Verleger und seinem Freund, diesem Eugene V. Graves und vor allem sich selbst!
Was sich ankündigt wie ein klassischer, altbekannter Plot, entwickelt schnell einen gewissen Sog. Anfangs geht diese Spannung vor allem von den aufgepeitschten, actionreichen Kapiteln des Krimis aus, an dem Klaus Klopp gerade schreibt, und in die die Leserinnen und Leser, ebenfalls ganz klassisch, zwischendurch immer wieder eintauchen. Dabei handelt es sich mit um die spannendsten Kapitel des gesamten Buchs – und dafür drückt man auch mal bei Namen wie der „Poltergeist-Bande“ beide Augen zu (was wiederum sehr gut zum Schriftsteller ‚Klausi‘ Klopp passt).
„‘Keine Sorge‘, knurrte er so leise, dass bloß ich ihn verstehen konnte, ‚das hier ist weder der Ort noch die Zeit.‘ Ob ich ihm diese Geste anrechnen musste? Sich anständig vom Maulwurf zu verabschieden, zu dessen Abgang auch er einen Teil beigetragen hatte? Gebührte ihm dafür mein Respekt? Oder durfte ich auf mein Bauchgefühl hören und diesen Typen für seine Wichtigtuerei verachten? Das hier, diese paar Minuten, die sollten gefälligst Jimmy gehören!“
Diese erzählerische Spannung überträgt sich ebenfalls auf die Figur des Schriftstellers, wenn Klaus Klopp gerade auch nur beim Schreiben unterbrochen wird; vom Telefonklingeln, einem Gespräch mit der Nachbarin, seiner Tochter oder dem kurzen, aber ausführlichen Sinnieren über seinen Bier- oder Zigarettenkonsum. Auch sein Leben wird, trotz aller Mittelmäßigkeit der Geschehnisse, ereignisgepeitscht erzählt, was seiner lebhaften, sympathischen Perspektive zu verdanken ist: Da gibt es diese Literaturmesse, bei der es Bücher zu verkaufen und die nur sekundenlange Aufmerksamkeit von Livestreamern optimal zu nutzen gilt, und bei der selbstverständlich auch der Gegenspieler Eugene V. Graves nicht fern ist. Obschon die Handlung um Klaus Klopp eingangs als zentrale Erzählebene auftritt, wirkt sie schnell wie die nebensächlichere Rahmenhandlung der eigentlichen Abenteuer in seinem Krimi mit Mystery-Elementen, an dem er gerade schreibt.
Denn hinter allen Umschweifen, seinem Privatleben und seiner Karriere als mittelmäßigem Krimiautor eines kleinen Verlags brodelt stets seine Schreiblust an diesem Krimi, der neue Dimensionen annimmt und allmählich ins Fantastische spielt. Nichts als ein Glas Wasser, ein Vertippen, ein Lapsus führen zu einer guten Idee, die bald zu einer Traumblase anschwillt, die die Geschichte zu etwas grundlegend Neuem machen soll und Klaus Klopp auch einiges über sein Leben verraten wird.
„Wie ich es auch drehte, sein Verhalten in Verbindung mit seinem Wasserstand bereitete mir Sorgen.“
Doch, statt dass sich die Ereignisse nun überstürzen würden, ziehen sie sich von jetzt an erst einmal gemächlich in die Länge. Dieser Moment, der eigentlich ein Wendepunkt im Krimi und für Klaus darstellen könnte, bringt alles ins Stocken und führt tatsächlich: zu einer Schreibkrise. Klopp versinkt zwischen Bierflaschen, Kaffee, Kippen und Kater und muss sein Leben erst wieder aufräumen, bevor es weitergehen kann; seine Figuren versinken so lange in Fragen und Kontemplationen. Bis sich die verschiedenen Erzählebenen dramatisch überschneiden und einiges ins Rollen gerät …
Aber lesen Sie selbst, denn die leichte Länge lässt einen nicht hängen. Man bekommt bloß Lust auf mehr. Und das darf man, wie man weiß, nachdem man diesen Erzählstil und seine Fertigkeiten kennengelernt hat.