Die Stimme erfüllt mit einer beispiellosen Geschmeidigkeit den Konzertsaal. Das Timbre ist glasklar und hell, die Höhen kommen rund und geglättet daher, derart leuchtend, dass man denkt, diese Musik komme aus höheren Sphären. Man glaubt dem jungen Sänger aufs Wort, wenn er von einem Herz singt, das sich „süßen Verlockungen“ hingibt und „sich in wonnevollen Träumen ergeht“, von Schönheit, Sehnsucht und Unsterblichkeit.
Philippe Jaroussky ist der derzeit erfolgreichste Sopranist der Welt. Seine Stimme ist das erstaunliche Produkt der Perfektionierung, die in den letzten Jahren das Fach der Countertenöre durchzogen hat. Das Ergebnis: ein Countertenor, der es schafft, mühelos in die höchsten Sopranlagen zu klettern und die schwierigsten Koloraturen mit schwebender Leichtigkeit zu bewältigen, ohne dadurch die Mittellage zu opfern – eine Idealbesetzung für die Musik von Nicola Antonio Porpora, die der 35-jährige Franzose für sein neues Album für Erato/Warner Classics eingespielt hat und mit der er vergangene Woche in der Philharmonie gastierte.
Im Mittelpunkt des Konzerts mit dem Venice Baroque Orchestra unter der Leitung von Andrea Marcon standen Arien aus dem Repertoire des legendären Kastraten Farinelli. Porpora, dessen Musik wegweisend für das Dramma per musica, eine Vorgängerform der Opera seria, in den 1720-er- und 1730-er-Jahren war, galt zudem als einer der größten Gesangspädagogen des barocken Neapel. Farinelli und Caffarelli hat er unterrichtet, Sopranisten, denen Porpora in seinen Kompositionen ermöglichte, mit virtuoser Akrobatik die Bandbreite ihrer Kastratenstimmen offenzulegen.
Das Konzert in der Philharmonie war ein zwei Stunden anhaltendes Vokalvergnügen mit Barockgesang vom Feinsten. Die großen Mythen, die Nicola Porpora in seinen 53 Opern in Musik umgesetzt hat – Ariadne auf Naxos, Semiramis von Assyren, Iphigenie in Aulis, Armida und Rinaldo und natürlich Orpheus und Eurydike – haben in der Handschrift späterer Komponisten wesentlich größere Bedeutung erzielt, doch Porporas Musik hat alles, was man braucht, um den Schöngesang der männlichen Soprane in Szene zu setzten: forsche Rhythmik, eingängige Melodien, brillante Verzierungen. Philippe Jaroussky singt diese Arien mit einer beispiellosen Eleganz. Er ist in den Manierismen und Koloraturen von Arien wie Come nave in ria tempesta oder Nell’attendere il mio bene in seinem Element, gurgelt dieses gesangliche Feuerwerk mit filigraner Feinheit, ohne ins Schrille zu verfallen. Aber auch die schlichten Linien von introvertierten Nummern wie Si pietoso il tuo labbro gelingen dem Sänger mit seinem glasklaren, eleganten und wundervoll timbrierten Countertenor mit einzigartigem Feingefühl. Es ist erstaunlich, wie natürlich diese durch und durch gekünstelte Ästhetik in Jarousskys Phrasierung wirkt. Begleitet wurde der Sänger vom Venice Baroque Orchestra mit dem Italiener Andrea Marco am Pult und am Cembalo, dessen Dirigat Impulse für fesselnde Virtuosität und vitale Energie gab.