Vielseitiger kann man sich Kammermusik nicht vorstellen. Der KammerMusekVeräin Lëtzebuerg (KMVL) hat anlässlich seines 25. Jubiläums seine erste CD herausgebracht und sich gleich mit diesem ersten Album, einem faszinierenden Querschnitt durch 250 Jahre Kammermusikgeschichte von Mozart über Fauré, Poulenc und Ravel bis hin zum jungen Zeitgenossen Alejandro Castaños, eine erstaunliche Messlatte gesetzt.
Mit der im Cape (Centre des arts pluriels Ettelbruck) realisierten Aufnahme möchte sich das Ensemble, das sich im Booklet auf den Schönbergschen „Verein für musikalische Privataufführungen“ beruft, mit allen seinen Facetten profilieren. Aber das geht eigentlich bereits weit über den geschlossenen, elitären Charakter von Schönbergs 1918 ins Leben gerufenen, drei Jahre später wieder aufgelösten Kammermusikverein hinaus, denn die Ziele und Aufgaben, die sich der KMVL gestellt hat, sind klar und deutlich die der Verbreitung von kammermusikalischen, vor allem auch weniger gespielten Werken.
Entstanden ist der luxemburgische Kammermusikverein, zugleich Konzertveranstalter und Kammermusikensemble, Mitte der Achtzigerjahre unter dem Impuls der Musiker Marc Jacoby und Béatrice Rauchs. Man wollte sich von den etablierten Ensembles durch eine andere, eigenwilligere Programmgestaltung unterscheiden, unter der Devise „Vielfalt statt Mainstream“. Ausgegangen ist der KMVL von einem Kern von Musikern, der sich, je nach Repertoire dem Konzept eines variabel besetzbaren Ensembles folgend, auf bis zu ein Dutzend Musiker erweitern lässt. Die Diversität der Programmgestaltung spricht für sich: der KMVL interpretiert Werke von Barock über Klassik und Romantik und natürlich die Musik des 20. Jahrhunderts bis hin zur Neuen Musik. Erst beim diesjährigen Echternacher Festival haben die Musiker Alexander Müllenbachs neuestes Werk Kein Tier weiß um seinen Tod … aus der Taufe [-]gehoben.
Diese Vielseitigkeit kommt auf der CD hervorragend zum Ausdruck. Und: Das Album verbindet alle Attribute, die man mit dem Begriff der Kammermusik in Verbindung bringt – Transparenz und Sensibilität bei Fauré, charaktervolle Atmosphärik in den von Mariette Lentz mit beißender Präsenz artikulierten Minidramen von Poulencs Le Bes-tiaire, abhebende, tänzelnde Ausgelassenheit im Quintett-Fragment in F-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart, die eindringliche Dialektik der Flöte von Markus Brönnimann, dem Cello von Claude Giampellegrini und dem Tastenschlag von David Ianni in Maurice Ravels Chansons Madécasses, in welchen auch der Sopran von Mariette Lentz mit fesselnder Dramatik zur Geltung kommt. Faszinierend ist ebenfalls das Werk Al acordarme de ti für Sopran, Klarinette, Akkordeon, Violine und Cello, eine Neukomposition des jungen Mexikaners Alejandro Castaños. Großartig ist hier der gemeinsame Atemzug der Sopranistin Mariette Lentz und des Akkordeonisten Daniel Gruselle, die charaktervoll erdene Klarinette von Marcel Lallemang, die filigrane Geige von Haoxing Liang und das samtene Cello von Jean Halsdorf. Der KammerMusekVeräin Lëtzebuerg hat sich und seinem Publikum mit diesem Album ein wundervolles Geburtstagspräsent bereitet.