Kino

Spielzeug der Postmoderne

d'Lëtzebuerger Land vom 12.07.2019

Die bekanntesten Spielzeuge der Filmgeschichte sind wieder zurück auf der Kinoleinwand! Woody hat nun, nachdem Andy ihn zurückgelassen hat, in Bonnies Kinderzimmer ein neues Zuhause gefunden und genießt ein ruhiges Dasein als Spielzeug. Als sich eine Plastikgabel namens „Forky“ Woody der Bande anschließt, muss er nicht nur seinen Platz als Spielzeug neu denken, sondern wird obendrein noch in ein Abenteuer verwickelt, das ihn und seine Kameraden vielleicht mehr fordert denn je...

Toy Story, das war 1995 noch die Revolution des Animationsfilms schlechthin; ein Film, der die weithin verbreitete Meinung, Bilder aus dem Computer wären kalt und seelenlos, revidierte, ja dem Animationsfilm zu neuem Glanz verhalf, dabei aber nie den technischen Fortschritt zum Selbstzweck preiste, sondern menschliche Beziehungen fokussierte, um diese dann kindgerecht seiner Zielgruppe zu präsentieren. Spielten die Figuren am Anfang von Toy Story noch eher funktionsgerecht Sheriff und Bandit, so eröffnet Toy Story 4 zu Beginn das philosophische Feld des Existenzialismus und stellt – aus der Perspektive der Spielfiguren – Fragen nach der symbiotischen Beziehung zwischen Kind und Spielzeug, ja dem Sinn des Lebens. Das mag Kinder überfordern, deshalb wird die Piste auch im weiteren Verlauf des Films nicht weiter verfolgt, stattdessen setzt der Film auf seine altbekannte Machart: Witz, Tempo, sowie die stetige Anreicherung des Spielzeugensembles, dem natürlich wieder neue Sidekicks zur Seite gestellt werden. Für ein älteres Publikum wird dabei gern die Filmgeschichte mitgeführt: hier ein bisschen Roadmovie, da ein bisschen Horrorfilm.

Und bei dem Abenteuer ist der Gegner diesmal auch kein böser Nachbarsjunge oder ein skrupelloser Sammler, sondern, wie bereits zuvor in Toy Story 3, selbst ein Spielzeug, nämlich die verbitterte Puppe Gabby Gabby, die sich nichts sehnlicher wünscht, als Kinder glücklich zu machen. Im Gegensatz zum Vorgängerfilm, dem Teddybären, der im Kindergarten ein Terrorregime errichten will, besitzt diese nuancenreichere Figur durchaus nachvollziehbare Motivationen.

Josh Cooley verlässt sich dabei auf den Nostalgiefaktor und führt die grundlegenden Botschaften der Vorgängerfilme weiter: Das Individuum kann alleine nicht bestehen; der Film feiert mithin mit postmodernem Gestus den Triumph des Kollektivs, den Zusammenschluss marginalisierter Gruppen, die Inklusion von Randexistenzen, und wer genau hinsieht, der kann auch die feministischen Zeichen der Zeit nicht von der Hand weisen: Ganz im Sinne der neueren feministischen Tendenzen des Mainstream-Kinos steht die Schafhirtin BoPeep und ja, sie hat den Phallus. Überhaupt sind die „männlichen“ Spielzeuge weitestgehend inkompetent und so ist es BoPeep, die dem Sheriff Woody aus der Patsche helfen muss, wenn dieser angesichts der problematischen Situationen hilflos überfordert ist.

Wer den Film im Original anschaut, der wird die bekannten Stimmen von Tom Hanks (Woody) und Tim Allen (Buzz Lightyear) wiedererkennen, da werden Erinnerungen wach und weiter vermarktet. Was in Toy Story 3 nämlich noch anmutete wie die Endsetzung der Erzählung um die Spielfiguren, das wird mit der Fortsetzung nun wieder aufgehoben. Da hieß es 2010 noch, Abschied nehmen, nun allerdings scheint es, als wolle man doch weitererzählen, womöglich sogar bis zur „Unendlichkeit und noch viel weiter“...

Marc Trappendreher
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