Joan Stanley (Judi Dench) führt ein ruhiges Leben in einem kleinen britischen Vorort, bis sie sich dem Vorwurf Landesverrat begangen zu haben, stellen muss. In den 1920er-Jahren ist sie noch eine Physikstudentin (Sophie Cookson) an der Universität Cambridge und beginnt bald ein Verhältnis mit Leo (Tom Hughes), dessen Glauben an ein kommunistisches Weltbild sie schon bald verfallen ist. Jahre später denkt sie, die Weitergabe von Informationen die Atombombe betreffend würde die Kräfte der Russen und der USA auf eine Stufe stellen...
Die Erlebnisse von Melita Norwood, eine britische Spionin für den KGB, stellen die Grundlage für diesen Film dar. Was genau soll denn das Zuschauerinteresse von Red Joan, einer Adaption von Jennie Rooneys Bestseller-Roman, ausmachen? Der Film, so scheint es, ist an einer Beantwortung dieser Frage gar nicht interessiert: Die Geschichte um das Individuum im Konflikt mit den nationalen Interessen haben wir schon etliche Male auf der Leinwand sehen dürfen und in Red Joan wird dieser Konflikt auch noch nicht einmal mit der nötigen Gravitas inszeniert, ja die Geschichte ist so konventionell erzählt, dass sich tatsächliche Dramatik in diesem äußerst flachen Film nicht einstellen will. Dieses sehr mangelhafte Drehbuch wird wohl etwas kaschiert durch die glaubwürdige Rekonstruktion der Nachkriegsjahre, insbesondere der Kostümarbeit – diese kann freilich aber nicht den schwachen Gesamteindruck ausgleichen.
Überhaupt drängt sich der Eindruck auf, dieser Film wisse eigentlich selbst nicht so recht, was er denn sein will: Spionage-Thriller oder Liebesdrama? Für Letzteres spricht, dass der Film immer wieder ins Sentimentale, ja in den Kitsch abdriftet, so sehr rückt Regisseur Trevor Nunn die Liebesbeziehungen der jungen Joan in den Mittelpunkt. Als Spionagefilm will Red Joan aber auch nicht wirklich funktionieren, so oft schieben sich die melodramatischen Klischees dazwischen und lenken von der eigentlichen Handlung ab, die dadurch bedingt auch nie wirklich an Tempo oder gar Spannung aufnehmen kann, geschweige denn eine Piste für Diskussionspotenzial aufzumachen vermag.
Entsetzt muss die junge Joan die verheerenden Katastrophen der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki miterleben. Um die Chancen zu egalisieren, entscheidet sich Joan dafür, geheime Daten an die Russen weiterzugeben, da sie glaubt, nur so könnten solche Untaten im Kampf der beiden Supermächte in Zukunft verhindert werden. Diese fragwürdige Logik ist wohl darauf zurückzuführen, dass der Film versucht, die idealistischen, ja unerfahrenen Taten seiner weiblichen Heldin zu rechtfertigen, um sie nicht der Naivität preisgeben zu müssen.
Wer sich das Filmplakat von Red Joan anschaut, sei gewarnt: Judi Dench ist nicht die Hauptattraktion dieses Films, im Gegenteil, sie wird viel zu wenig eingesetzt, sie erhält viel weniger Screentime als Sophie Cookson – so verpasst der Film seine Chance mit dieser Grande Dame des britischen Kinos zu punkten. Ferner wirkt sie unterfordert in den Verhörszenen, die lediglich als Rahmung dienen. Angesichts des doch sehr spannenden Stoffes bleibt dieser Film enttäuschend.