Man kann sie verstehen, die Geschäftsleute in der Route de Thionville, die die Schnauze voll haben von herumliegenden Spritzen und zugedröhnten Menschen und die ihren Frust in die Öffentlichkeit tragen. Die Kundschaft des Drogenkonsumraums Abrigado sind längst nicht mehr nur in der Containerstruktur zu finden, sondern auch davor und rundherum. Sie schlafen in Zelten, sie hocken in Einfahrten, sie schrecken durch einen unverhüllten Konsum, eine arme Erscheinung und ein mitunter aggressives Verhalten potenzielle Kundschaft ab. Für Händler eine Katastrophe.
Der größte – und einzige – Drogenkonsumraum für Suchtkranke im Land hat mit seinem niedrigschwelligen, medizinisch überwachten und sozialpädagogisch begleiteten Angebot vielen Kranken das Leben gerettet. Doch die Auffangstruktur ist seit langem hoffnungslos überlaufen. Dass sie inzwischen stärker abgeschirmt ist, per blickdichtem Zaun und Drehkreuz, trägt vielleicht, neben der schieren Überlastung und einem Misstrauen gegenüber Behörden, dazu bei, dass immer mehr Süchtige draußen vor dem Gebäude ihre Drogen konsumieren, in unzumutbaren Zuständen zwischen gebrauchten Spritzen, Müll und Fäkalien. Daran ändert auch die städtische Putzkolonne nicht, die zwei Mal am Tag die Umgebung säubert.
Geschäftsleute und Bewohner einer Hauptstadt, dazu in Bahnhofsnähe, wo sich erfahrungsgemäß oft Probleme und soziale Notlagen ballen, baden seit langem die Rat- und vor allem Tatenlosigkeit der Verantwortlichen aus. Sie sind die Leidtragenden einer Politik, die seit Jahren weiß, dass die gegenwärtigen Angebote für Abhängige nicht ausreichen – und die dennoch nur schleppend etwas dagegen unternimmt.
Vor Jahren hatte der damalige LSAP-Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo die Dezentralisierung beschlossen angesichts einer steigenden Zahl an Suchtkranken, die zunehmend aus dem Süden und dem Norden in die Hauptstadt kamen. Damals war Esch-Alzette noch LSAP-regiert, somit hatten die Sozialisten Schlüsselpositionen, um wenigstens in Esch diesbezüglich voranzukommen. Doch Bau und Eröffnung des dringend benötigten zweiten Drogenkonsumraums verzögern und verschieben sich ein ums andere Mal, jetzt heißt das neue Stichdatum Januar 2019 – wenn dann nicht wieder ein Grund gefunden wird, warum die Eröffnung nicht stattfinden kann.
Die Sozialschöffin der Hauptstadt, die CSV-Politikerin Isabel Wiseler-Lima, hat seit Amtsantritt mit allen Beteiligten gesprochen. In der Stadt eine weitere Struktur aufzumachen, wie es Suchthilfeorganisationen fordern, lehnt Wiseler bislang ab: „Erst einmal muss national dezentralisiert werden“, sagte sie dem Land. Demnächst werde man deshalb das Gespräch mit dem Gesundheitsministerium suchen. Vielleicht sollte sie ihren Parteikollegen, den Escher Bürgermeister Georges Mischo, hinzuladen. Dass beide in derselben Partei sind, müsste die Angelegenheit doch voranbringen, könnte man meinen.
Wenn, ja wenn den Politikern denn wirklich an einer Lösung gelegen wäre. Eher scheint es, als kämen die Suchtkranken ganz gelegen: Stadt und Land können so nach der Polizei rufen und mehr Engagement der anderen Gemeinden fordern, also mit dem Finger auf die anderen zeigen, wenn es kaum Fortschritte gibt. Drogenpolitik besteht hier in Luxemburg aus drei Ansätzen: ein bisschen Prävention, viel Repression und ein bisschen Therapie. Bei der weichen Droge Cannabis versprechen Parteien pünktlich zum Wahlkampf die Regulierung des Konsums, weil es die eigenen Jugendorganisationen sind, die das fordern und weil andere Länder gezeigt haben, dass sich damit Geld machen lässt. Viel Geld. Die Abhängigen harter Drogen trifft dagegen die Härte des Gesetzes. Und ändern tut sich ... wieder nichts.