Meist gezielt, manchmal etwas zufällig und manchmal mit Rückschlägen ist Luxemburg dabei, zur Spitze jener Staaten aufzurücken, die man derzeit zu den fortschrittlichsten, liberalsten Gesellschaften zählt, weil „hier mus ein jeder nach seiner Fasson Selich werden“ dürfen, wie der preußische König Friedrich II. schon 1740 schrieb. So wurde die Sterbehilfe erlaubt, die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt und die katholische Kirche wird privatisiert, auch wenn der Versuch zur Einführung des legislativen Ausländerwahlrechts vorerst gescheitert ist. Vergangene Woche hieß die Regierung einen Gesetzesvorentwurf von Chancengleichheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP) gut, der Frauenquoten bei den Kammer- und Europawahlen einführen soll. Vergleichbare Quoten gibt es in Belgien, Frankreich, Spanien und einigen anderen Staaten.
Damit soll eine Abmachung des Koalitionsabkommens von 2013 Wirklichkeit werden, das festhielt: „Les partis de la coalition modifieront la loi sur le financement des partis politiques en introduisant l’obligation pour les partis politiques de garantir un quota de 40% du sexe sous-représenté sur les listes de candidatures sujettes au financement des partis. Des sanctions financières seront prévues en cas de non respect des minima imposés. La loi entrera en vigueur pour les prochaines élections législatives.“
Kandidatinnenquoten seien keine Garantie, um gewählt zu werden, man wolle den Wählern schon die freie Wahl lassen, meinte die Ministerin am Dienstag. Aber die Erfahrung im Ausland habe doch gezeigt, dass „Angebot und Nachfrage“ spielten, bei einer größeren Zahl von Kandidatinnen auch deutlich mehr Frauen gewählt würden.
Um in den vollen Genuss der staatlichen Parteienfinanzierung zu kommen, soll jede Partei dazu gebracht werden, bei Kammerwahlen mindestens 24 Kandidaten jeden Geschlechts für landesweit 60 Parlamentsmandate und bei Europawahlen drei Männer und drei Frauen aufzustellen. Parteien, die keine vollständigen Listen in allen Bezirken aufstellen oder keine zwei Prozent der Stimmen erhalten, sind sowieso von jeder Bezuschussung ausgeschlossen.
Arithmetisch heißt das, dass eine Partei bei Landeswahlen mindestens 24 und höchstens 36 Frauen aufstellen darf. Lydia Mutsch erklärte, dass die Parteien sie gebeten hätten, keine Quote pro Wahlbezirk vorzuschreiben, sondern die Möglichkeit zu schaffen, die Unterrepräsentierung in einem Bezirk durch eine Überrepräsentierung in einem anderen Bezirk zu kompensieren.
In den bevölkerungsärmeren, ländlich-konservativen Ost- und Nordbezirken, wo mehr Wählerstimmen für eines der seltenen Mandate nötig sind, wollen die Parteien lieber auf prominente Männer setzen. Die Kompensierung bedeutet aber, dass die in den Parteien heilige Autonomie der Bezirke bei der Aufstellung der Listen weiter beschnitten wird.
Dass bei Europawahlen die Parität vorgeschrieben wird, ergibt sich aus dem Umstand, dass 40 Prozent von sechs Mandaten 2,4 Kandidatinnen ergeben und nun einmal keine halben Kandidatinnen aufgestellt werden können. Die Regelung bestraft auch die Aufstellung von reinen Frauenlisten, wie es die Action fémine 1928 erfolgreich bei den Gemeindewahlen in Esch-Alzette getan hatte und in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt, aber folgenlos von Feministinnen erwogen worden war. Aber solche Initiativen werden sowieso von den politischen Parteien missbilligt.
Werden in Frankreich nach Geschlechtern unausgewogene Kandidatenlisten abgewiesen, weil sie die Bedingungen des Wahlgesetzes nicht erfüllen, so schaffen DP, LSAP und Grüne keine „obligation“, wie es im Koalitionsabkommen heißt. Sie nehmen vielmehr einen wirtschaftsliberalen Umweg über eine Kürzung der Zuschüsse vor. Damit beschränkt sich die Regierung auch auf jene Wahlen, die bei der Berechnung der staatlichen Zuschüsse berücksichtigt werden: Kammer- und Europawahlen. Auch in Zukunft soll es also keine Frauenquoten bei Gemeindewahlen oder der Besetzung der Regierung und des Staatsrats geben.
Am Staatsrat wird es nun sein zu entscheiden, in welchem Umfang Quoten einen Eingriff in das passive Wahlrecht darstellen. Erst bei der geplanten Verfassungsrevision soll mit der mehrfach abgeschwächte Formulierung: „L’État veille à promouvoir activement l’élimination des entraves pouvant exister en matière d’égalité entre femmes et hommes“ die positive Diskriminierung verfassungsrechtlich abgesichert werden. Minsterin Lydia Mutsch erklärte aber, sie habe bisher kein Sondierungsgespräch mit dem Staatsrat geführt.
Weiterhin beschränkt bleiben soll die Quotierung bei Parlamentswahlen auf eine im 19. Jahrhundert von konservativen Grundbesitzern erstrittene geografische Quotierung mittels der Wahlbezirke und künftig nach einer nun von Frauen erstrittenen Quotierung nach Geschlechtern. Derzeit scheinen keine anderen gesellschaftlichen Gruppen organisiert und einflussreich genug zu sein, um weitere Quoten nach sozialem Stand, Alter, Staatsangehörigkeit, Religion oder Vermögen durchzusetzen.
Im Koalitionsabkommen wurden keine Einzelheiten festgehalten, welche Zuschüsse an die Parteien bei unausgewogenen Listen gekürzt werden sollen. Die staatlichen Zuschüssen an die Parteien setzten sich im Wesentlichen aus der Parteienfinanzierung, der Wahlkampfkostenerstattung und Zuschüssen an die Parlamentsfraktionen zusammen. Gekürzt soll davon lediglich die Parteienfinanzierung werden. Dieser Betrag setzt sich pro Partei aus einem Sockelbetrag von 100 000 Euro zusammen, der nicht angetastet werden soll, und einem vom Stimmenanteil abhängigen variablen Teil. Nur dieser variable Teil der Parteienfinanzierung soll als Strafe für unausgewogene Listen gekürzt werden, um fünf Prozent pro Kandidatin unter 24.
Auf der Grundlage der Kammer- und Europawahlen von 2013 und 2014 würde dies jährliche Kürzungen von 219 597 Euro für die CSV, 252 813 Euro für die LSAP und 244 087 Euro für die DP bedeuten, während die Grünen und die Linke die Quoten erfüllten und die ADR sie nur bei den Europawahlen drastisch verfehlte. Allerdings sollen die Strafen bei den Kammerwahlen 2018 nur zur Hälfte geschuldet und erst 2023 voll wirksam werden. So dass die Parteien eine längere Übergangsfrist haben, um sich dem Gesetz zu fügen, weil dies „nicht in allen Parteien ein einfaches Thema ist“, wie Lydia Mutsch meinte.
Bei den Europawahlen soll die Parität bereits 2019 die Regel sein, sie hatten 2014 die ADR, aber auch LSAP und Linke verfehlt. Letztere hatten jeweils vier Kandidatinnen aufgestellt.