2017 veröffentlichte Jhemp Hoscheit einen satirischen Jahresrückblick in Form eines kabarettistischen Programms mit zwei Sprecherrollen. Mit unlauteren Steuerrulings, Panama Papers und Diskussionen um die B-Movie-Methoden des Luxemburger Geheimdienstes gab es auf nationaler Ebene einiges zu bemängeln, mit dem anhaltenden Streit um Flüchtlinge, dem Einzug Trumps in das Weiße Haus und dem Auszug der Briten aus der EU bot die internationale Politik ohnehin übergenug Stoff für Kritik. Zwei Jahre nach Sorry fir deen Duercherneen ist dem Autor die Lust am Schimpfen nicht vergangen.
Märd alors!!! titelt Hoscheit auf dem Cover seines neuen Buches, in dem er einen satirischen Rückblick auf 2018 wirft. Die Schwerpunkte sind gleich geblieben. Wenn es um Politik geht, hat Hoscheit vor allem scheinheiliges Verhalten auf dem Kieker, ganz gleich, ob es um unlautere Wählerbeeinflussung in Remich geht, einen offen homophoben Parlamentarier der ADR oder um einen vor Putin katzbuckelnden Trump. Nation Branding, Space Mining, Kultur- wie Bildungspolitik (bzw. „Meischmasch“) bekommen ihr Fett weg. Was an der Neuauflage des Rückblicks hervorsticht, ist dabei Hoscheits Versuch, die angesprochenen Themen unter einem sprachkritischen Aspekt zu betrachten. Bereits indem er das vom Außenminister geliehene Zitat im Titel einer luxemburgischen Schreibweise anpasst, entlarvt er es als Phrase, die eher eine Haltung oder Stimmung trifft als eine haltbare inhaltliche Aussage pointiert abzuschließen. „D’Situatioun fir déi italienesch Awanderer vu virun honnert Joer ass dach net mat der Flüchtlingskris vun haut ze vergläichen“, lässt er einen der Sprecher ratlos feststellen. „Verstinn ech net.“ Auf ähnliche Weise kritisiert Hoscheit, dass Jean-Claude Juncker Victor Orban mit dem Satz: „Here comes the dictator“ begrüßt, die EVP sich aber nicht dazu durchringen kann, sich klar von dessen Partei zu distanzieren. „Vag Parole ginn net méi duer!“, heißt es da ganz unironisch. Oder auch: „Et geet scho laang net méi weder ëm eng gemeinsam europäesch Léisung an der Asylpolitik, nach ëm Mënschen. Just nach ëm déi richteg Semantik.“
Da es Hoscheit jedoch nicht um einen sprachkritischen Rückblick auf das Jahr 2018 zu tun ist, sondern um einen satirischen, kratzt diese Kritik nur an der Oberfläche. Sie wird ausgeglichen durch eine Sprache, die auch die einfachsten Wortspiele nicht auslässt, selbst wo irgendwelche Witzchen einfach nur möglich sind, aber keinen inhaltlichen Mehrwert ergeben. So ist vom „Gaapsereger Kräiz“ die Rede oder von Joint-Ventures, aus denen nichts wird, weil ja auch Joints schnell verrauchen (entgegen der Vermutung des Autors tun sie das aber bestimmt nicht im Weltall). Wo Maggy Nagel erwähnt wird, muss gleich auch etwas „der Clou“ sein und wo der Wirtschaftsminister einen Verhandlungserfolg verbuchen kann, ist Luxemburg „aus dem Schneider“. Auch könnte man Hoscheit vorhalten, dass er im Gegenzug für die sprachliche Strenge, mit denen er anderen begegnet, auch seinen eigenen Text etwas sorgfältiger hätte Korrektur lesen können. Selbst wenn man Salvini verständlicher Weise nicht mag, kann man ihn in korrektem Italienisch zitieren.
Nicht in allem, was Hoscheit kritisiert, wird man ihm ohne Weiteres folgen wollen. Vergleichsweise viel Raum nimmt beispielsweise seine Auseinandersetzung mit Kommentaren auf der Homepage von RTL in Anspruch. Warum sich Hoscheit für diesen Meinungsbrei interessiert, verrät er nicht. Auch verwundern Aussagen wie die, niemand habe sich darüber aufgeregt, wie sich die Politik in die Planung von Esch 2022 eingemischt habe, oder wer sexistische Metaphern nicht unbedingt meterhoch an der Außenmauer seiner Schule lesen will und wer wehrlose Nacktheit als Ausdruck der Weiblichkeit in der Kunst unzeitgemäß findet, sei ein „Kultur-Taliban“. Überhaupt kommt die doch sehr akute Debatte um den Sexismus in allen Bereichen der Gesellschaft in Hoscheits Rückblick erstaunlich kurz, kürzer jedenfalls als die Niederlage der deutschen Nationalmannschaft (der Männer) bei der letzten WM. Die Behauptung, dass es keine Foren für Frauen gebe, die nicht „ënnert den Hollywood-Spotte stinn“, und dass „déi dominant patriarchalesch Muechtstrukturen“ nicht in Frage gestellt würden, trifft wohl kaum zu, auch wenn die entsprechende Frage in diesem Buch nur zu rhetorischen Zwecken gestellt wird.
In einem kurzen Hinweis am Ende des Buches wird Märd alors!!! dem Leser als Ausgleich zur literarischen Arbeit Hoscheits präsentiert. Warum der Autor seine Zeitkritik eigentlich nicht in seine Romanproduktion einfließen lässt, bleibt unbeantwortet.