Spät abends, irgendwo in Luxemburg: Ein in die Jahre gekommener Staatsdiener schleppt sich in die Küche, um sich noch ein Brot mit Mettwurst und Kochkäse zuzubereiten. Plötzlich klingelt das Telefon. Die Stimme am anderen Ende, aufgeregt und abgehackt, bittet den Mann, ein hochbrisantes Dokument auf seinem Computer zu öffnen. Nein, dies ist nicht der Auftakt des neuen Superjhemp-Films. Der unscheinbare Beamte am Kühlschrank ist nicht Charel Kuddel, sondern Commissaire Robert Mathieu, den sein Schöpfer Marco Schank in Damit die Nacht vergeht zum sechsten Mal ins Rennen schickt. Nachdem er unter anderem bereits Neo-Nazis und russische Mafiosi bekämpft hat, legt sich Mathieu diesmal mit islamistischen Terroristen an. Wo der Superheld mit der Ballonmütze auf nationale Krisen abonniert ist, steckte im Commissaire immer schon ein wenig vom Dauerweltretter James Bond. Was bedeutet schon die Monarchie, wenn man in einem Marco-Schank-Krimi den heimischen Staatsapparat gleich bei der Verteidigung der westlichen Zivilisation erleben darf?
Aber zurück zum Anfang: Hinter dem nächtlichen Anruf und dem mysteriösen Dokument steckt Mathieus Polizeikollege Armand Muller, der mächtig in der Bredouille steckt. Er berichtet dem Commissaire von einem längst vergangenen Spanienurlaub, während dessen er sich mit einer heißblütigen Schönheit namens Mercedes eingelassen hatte. Bei dieser handelte es sich in Wahrheit um Amani El Mahi, Drahtzieherin unzähliger Terroranschläge, die den nichtsahnenden Luxemburger zu ihrem Fluchthelfer machte. Vor dieser Enthüllung beschreibt Schank beziehungsweise Muller aber erst einmal ausführlich die Liebelei inmitten der traumhaften Kulisse der Pyrenäen. Terroristin hin oder her, der Polizist möchte es sich anscheinend nicht nehmen lassen, vor dem Arbeitskollegen mit seiner sexuellen Eroberung zu prahlen, und der (männliche) Leser soll mit der genreüblichen Mischung aus Erotik und Exotik offenbar auch auf seine Kosten kommen.
Jedenfalls hat El Mahi Muller unter dem Vorwand, sie hätten eine gemeinsame Tochter, nach Marokko gelockt, wo er prompt entführt wird. Unterstützt von seiner Partnerin, der Verfassungsschützerin Ulrike Schaeffer, macht sich Commissaire Mathieu auf nach Marrakesch, um den Freund zu befreien und dem Roman ein gewisses orientalisches Flair zu verleihen. Zwischen touristischen Highlights wie dem Djemaa el Fna trifft der Held nicht nur auf potenzielle Islamisten, sondern auch auf Waffenhändler und zwielichtige Geheimdienstler. Aber auch zuhause braut sich etwas zusammen: Ein Bombenanschlag auf das Mudam wird geplant. Ziel ist nicht die Kunst, deren Kunststatus bei Schank eh bezweifelt wird, sondern ein im Museum stattfindender Staatsbesuch. Hinter all dem steckt natürlich niemand anderes als Meisterterroristin El Mahi, zu deren Gegenspielern sich neben den Sicherheitskräften auch die geflüchtete Syrerin Faizah gesellt.
Wie so oft lässt Marco Schank die politische Aktualität in seine Fiktion einfließen, und wie so oft fehlt es ihm an handwerklichem Können, um daraus eine überzeugende Erzählung zu machen. Neben den leicht durchschaubaren Thriller-Klischees stören vor allem die ungelenken Dialoge, die nicht primär durch die Situation der Figuren motiviert sind, sondern als Information für die Leserinnen und Leser gedacht sind. Gespräche wirken da leicht so, als ob die Beteiligten auswendig gelernte Wissenshäppchen austauschen. Auch an der Konstruktion der Handlung hapert es. Faizah, die zu Beginn aus dem Mittelmeer gerettet wird, nachdem bereits drei ihrer vier Kinder ertrunken sind (die Episode beruht auf einer wahren Begebenheit, wie Schank im Nachwort erklärt), soll später an einem Betonsockel festgebunden im Stausee ertränkt werden. Entgegen allen Erwartungen überlebt sie.
Wie versucht wird, diese wundersame Wendung plausibel zu machen? Der Roman entscheidet sich dafür, Faizah, unmittelbar bevor sie in den See geworfen wird, zur exzellenten Taucherin zu erklären, die schon als Kind Unglaubliches unter Wasser vollbracht hat. Abgesehen davon, dass die narrative Ausschlachtung des Fluchtschicksals bestenfalls als schlechter Geschmack durchgeht, wirkt das Kapitel so unbeholfen, dass es nicht überrascht hätte, wenn der Autor seiner Figur kurzerhand auch noch eine Vergangenheit als Entfesselungskünstlerin angedichtet hätte. Es ließen sich noch viele weitere Beispiele schriftstellerischer Fehlschläge in Damit die Nacht vergeht anführen, doch um es kurz zu machen: Nicht einmal Kollege Superjhemp hätte Commissaire Mathieu aus diesem Schlamassel retten können.