Edward Norton hat sich 20 Jahre nach Keeping the faith wieder in den Regiestuhl gesetzt und Motherless Brooklyn, nach dem gleichnamigen Roman von Jonathan Lethem von 1999, (sehr frei) für die Leinwand adaptiert. Der unter dem Tourette-Syndrom leidende Lionel Essrog (Edward Norton) kommt nach dem Tod seines Mentors, dem Privatdetektiv Frank Minna (Bruce Willis), und mit der Unterstützung der Aktivisten für gleichberechtigte Wohnbedingungen Laura Rose (Gugu Mbatha-Raw) einem Skandal um die Stadtplanung New Yorks auf die Spur; ein Skandal, der bis zur Führungsebene des Stadtrates und dem zwielichtigen Moses Randolph (Alec Baldwin) reicht ...
Kaum verwunderlich, dass dieser Film in den Fünfzigerjahren angesiedelt ist: Er evoziert so deutlich die verworrenen Themenfelder und die düstere visuelle Ästhetik des klassischen Film noir jener Jahre: Da gibt es zunächst die undurchsichtige Korruptionsaffäre, den schnüfflerischen Detektiv und die mysteriöse Frau. Der Voice-Over-Kommentar und auch das Setting des Detektivbüros mit seinen dunklen Schattenzonen, den heruntergelassenen Jalousien, die nur spärlich Licht einlassen, erinnern an Klassiker wie Fritz Langs The big heat (1953). Was sich aber vor allem zeigt, ist eine Stadt, die mit den freundlichen Klischees, die man sich von ihr gemacht hat, nichts zu tun hat. Das Ganze spielt sich zwischen Jazzbars und dampfumhüllten Hintergassen ab und strahlt eine bedrückende Schwere aus. Es ist die Großstadt, in der materielle und emotionale Erfahrungen nicht mehr richtig abgeschätzt werden können. Es wirkt beinahe so, als wolle der bedrohliche Ort selber den Menschen den Weg zur Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit verweigern. Mit dem Typ des hard-boiled-Detektivs aus den Romanen eines Dashiell Hammett oder Raymond Chandler hat dieser Lionel Essrog aber wenig gemein. Weder gefühllos noch einschüchternd, ist er der unscheinbare, aber moralisch aufrichtige Ermittler, der in den Abgrund der Gefahren geschickt und so zum unfreiwilligen Helden gemacht wird. Edward Norton greift hier einmal mehr auf sein Repertoire an manischen Gesten und zuckender Mimik zurück, das er schon in Primal fear (1996) und The Score (2001) ausprobiert hat.
In diesem Sinne erzählt Motherless Brooklyn von einem anfangs scheinbar einfachen Verbrechen, dessen Aufklärung den hartnäckigen Helden aber bis in die hohen Etagen der Stadtpolitik führt, bis er schließlich der Person begegnet, die Ehrgeiz und Zukunftsvision über das Schicksal aller anderen Menschen stellt. Alec Baldwin gibt diesen skrupellosen Moses Randolph, der dem echten Stadtbauer Robert Moses nachempfunden ist, mit seiner typischen Überlegenheit und seiner an Mobbing grenzenden Attitüde, die ihn auszeichnen: Man denke nur an seinen Kurzauftritt in Glengarry Glen Ross (1992). Dass ausgerechnet Alec Baldwin den amtierenden US-Präsidenten in der Satireshow Saturday Night Live mimt, entbehrt in diesem Zusammenhang nicht einer gewissen Ironie. Dieser Moses Randolph ist die Verkörperung von Reichtum, Macht und Bestechlichkeit, die so miteinander verbunden sind, dass man ihn wahrscheinlich nicht zu Fall bringen kann. In ihm zeigt sich ferner, wie institutionalisierter Rassismus, systematische Ausgrenzung, bürgerliche Korruption und Gentrifizierung im amerikanischen Großstadtdschungel miteinander verflochten sind.
Motherless Brooklyn erzählt fast wie in einem Reflex auf den Verlust der politischen Verantwortung vom Grauen des Machtmissbrauchs; nichts Befreiendes ist an diesen Beziehungen, die – so will es scheinen – auf nichts anderes als den gemeinsamen Untergang hinauslaufen können. Dass es am Ende des Films dann doch eine konventionelle Auflösung und sogar so etwas wie ein angedeutetes Happy End gibt, ist ein ärgerliches Zugeständnis an das Mainstream-Kino. Da nämlich verfehlt Edward Norton einen der Kernmomente des Film noir: das Fatale, die pessimistische Vergeblichkeit, das Wissen, dass alle Bemühungen umsonst waren. So desillusioniert und hart Motherless Brooklyn sich als Reverenz an den Film noir geben mag – gegen Ende erscheint dieser Film wie gepflegte, angepasste Unterhaltung gegen die Kälte seiner Vorbilder, vor denen er sich verneigt.