Laurent Mosar (CSV) wehrt sich gegen Lobbyismusvorwürfe, verspricht der Branche mehr Dialog mit einer CSV-Regierung und fordert eine bessere Strafverfolgung der Finanzkriminalität

Spezialist, nicht Lobbyist?

Laurent Mosar (CSV) im Parlament
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 27.04.2018

D’Lëtzebuerger Land: Herr Mosar, sind im Parlament die notwendigen Kompetenzen vorhanden, um mit der Entwicklung am Finanzplatz Schritt zu halten?

Laurent Mosar: Die Thematik wird komplizierter und das ist weniger Luxemburger Gesetzesinitiativen geschuldet, als der Umsetzung von europäischen Richtlinien, von denen es immer mehr gibt und die in hohem Grade technisch sind. Sogar ein gewisses Verständnis vom Finanzplatz hilft einem nicht wesentlich weiter. Da hat man mitunter den Eindruck, man müsse Ingenieur, Mathematiker und Finanzspezialist sein, um verstehen zu können, worum es geht. Deshalb muss überlegt werden, ob sich das Parlament nicht zusätzliche Kompetenzen geben muss. Entweder in der Parlamentsverwaltung oder in den Fraktionen. Man muss sich eingestehen, dass es im Moment nicht möglich ist, auf Augenhöhe mit der Regierung zu diskutieren.

Unter Ihren Kollegen im Parlament heißt es, Sie seien wahrscheinlich der Abgeordnete, der sich am besten auskennt. Ihnen wird aber gleichzeitig vorgeworfen, Lobbyarbeit für die Finanzbranche zu leisten. Wie stehen Sie zu diesen Vorwürfen?

Das eine hängt wohl mit dem anderen zusammen. Ich versuche, mich immer wieder auch in sehr technische Dossiers hineinzuknien und in der Finanzkommission den Vertretern der Regierung sehr detaillierte Fragen zu stellen. Ich merke durchaus, dass einige Kollegen das manchmal lästig finden. Als Politiker sehe ich es dennoch als meine verdammte Pflicht an, die Wirkung von Gesetzen, die wir annehmen sollen, zu hinterfragen. Wenn einem das nun als Lobbyismus ausgelegt wird, dann verstehe ich die Welt nicht mehr! Jeder Abgeordnete sollte doch die Gesetzesvorlagen hinterfragen und kritisch durchleuchten. Daher kann ich diesen Vorwurf auf gar keinen Fall im Raum stehen lassen. Ich stehe zu unserer Finanzbranche, weil ich weiß, was sie für den Haushalt und die Wirtschaft insgesamt bedeutet und dass wir nicht auf einen Teil der Einnahmen aus der Finanzbranche verzichten können, ohne budgetär in eine ganz schwierige Situation zu kommen.

Sie führen den Lobbyimusvorwurf auf ihre detaillierten Fragen zurück. Könnte es nicht auch mit Ihrer beruflichen Tätigkeit als Geschäftsanwalt zusammenhängen?

Nein!

Sie sind im Gegensatz zu Ihren Kollegen der Meinung, das neue IP-Regime gehe nicht weit genug.

Die IP-Box1 basiert auf einer Richtlinie, die den EU-Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum lässt. Was ich der Regierung vorwerfe, ist diesen Spielraum nicht vollständig auszunutzen. Ich verlange also nicht, etwas einzuführen, was den Rahmen der Richtlinie überschreitet. Konkret geht es um eine dritte Kategorie an Rechten für geistiges Eigentum, also neue Erfindungen, die noch nicht durch ein Patent geschützt sind. Solche Entwicklungen fallen momentan nicht in das Anwendungsgebiet des IP-Regimes, und das ist bedauerlich sowohl für die KMU, die schon hier ansässig sind, als auch für diejenigen, die wir anziehen wollen. Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) stimmt mir zu und hat versichert, er werde versuchen, diese dritte Kategorie an Rechten bis zum Ende der Legislaturperiode einzuführen. Bei den Diskussionen in der Kommission waren die Mehrheitsabgeordneten übrigens alle dieser Meinung und sie haben das auch öffentlich gesagt. Aber danach hat sie die Regierung wohl zur Ordnung gerufen und sie haben ihre Meinung wieder geändert.

Dass die IP-Box reformiert werden musste, liegt daran, dass der internationale Rahmen, die OECD-Standards, angepasst wurden und sich die Regierung nach der Luxleaks-Affäre beeilt hat, diese umsetzten. Die Dreierkoalition hat sich seither zumindest nach außen hin sehr bemüht, sich in Sachen Steuerpolitik von den Vorgängerregierungen zu distanzieren, sich als die Regierung der Transparenz darzustellen. Wie schätzen Sie diese Bemühungen ein?

Wir unterstützen die Bemühungen der Regierung Richtung Transparenz und die möglichst schnelle Umsetzung der neuen Richtlinien in diesem Kontext. Punktuell üben wir manchmal Kritik, wenn wir der Meinung sind, dass nicht jeder Spielraum genutzt wird, oder wenn, wie bei der Einlagensicherung, die Regierungsvorschläge weit über die Richtlinie hinausgehen. Wir sind übrigens auch mit der Regierung auf einer Linie, was das Level Playing Field betrifft, das der Finanzminister immer wieder ins Schaufenster stellt. Wobei auch wir beispielsweise der Meinung sind, dass die Gafas2 alle Steuern zahlen müssen. Wenn Steuermaßnahmen funktionieren sollen, können sie nicht nur auf EU-Ebene eingeführt werden.

Kann sich eine Finanzplatzpolitik, die ein CSV-Minister machen würde, demnach überhaupt noch unterscheiden von der Politik der aktuellen Regierung?

Ja.

Worin, abgesehen von der punktuellen Kritik, die Sie ausüben?

Noch einmal: Wir unterstützen die Bemühungen der Regierung in Richtung Steuertransparenz und auch eine nächste Regierung mit CSV-Beteiligung und einem CSV-Minister würde daran fundamental nichts ändern. Wir glauben aber, dass man die Richtlinien punktuell besser umsetzen könnte. Was wir der Regierung ebenfalls vorwerfen, ist, dass sie sich in verschiedenen Dossiers zu spät eingeschaltet hat.

Zum Beispiel?

Beim Dossier Esma3 hat sich die Regierung erst eingeschaltet, als der Richtlinienvorschlage quasi schon auf dem Tisch lag. Daher sind wir der Meinung, nicht nur für die Regierung, sondern das Parlament ebenso wie die Berufskammern müssen sich früher in den legislativen Prozess in Brüssel einklinken. Wir haben den Eindruck, Luxemburg reagiert da oft viel zu spät und viel zu langsam.

Die Erklärung dafür scheint zu sein, dass die Regierung in diesem Fall ein wenig hinters Licht geführt wurde. Das wirft die Frage auf, wie Luxemburg seine Position als legitimer internationaler Finanzplatz noch verteidigen kann?

Es wird eindeutig schwieriger in Zukunft, weil der Wettbewerb zunimmt und der Druck steigt. Da darf man sich keine Illusionen machen. Wir müssen uns deshalb noch besser aufstellen als in der Vergangenheit und mit anderen Ländern Allianzen in verschiedenen Dossiers schmieden, wobei wir durch den Austritt Großbritanniens aus der EU einen mächtigen Verbündeten verlieren. Aber ich glaube, wenn man sich gut vorbereitet, Allianzen sucht und gute Argumente vorbringt, dann bleibt es möglich, ab und zu Veränderungen herbeizuführen. Wir würden als CSV in der Regierung auch wieder eine engere Kooperation mit den Akteuren der Privatwirtschaft suchen. Beispiel Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich: Das wurde verhandelt und unterzeichnet und das quasi ohne dass die wichtigen Akteure vom Finanzplatz konsultiert wurde. Man kann sagen: Ein Doppelbesteuerungsabkommen ist die exklusive Kompetenz der Regierung. Aber es ist das erste große Abkommen der neuen Generation und in unseren Augen hätte es eine viel engere Konsultation mit den forces vives des Finanzstandorts benötigt. Mit der CSV in der Regierung wird sich das auf jeden Fall wieder ändern.

In welchen Punkten würde dieses Abkommen denn anders aussehen, wenn es die CSV verhandelt hätte?

Ich kann nicht sagen, dass es unbedingt anders aussehen würde. Ich stelle nur fest, dass mit der Finanzbranche darüber gar nicht geredet wurde. Die hat das erst entdeckt, nachdem es in Paris unterschrieben wurde und sie muss sich nun mit den Folgen ausein­andersetzen. Ich bin kein Steuerexperte, aber wenn ich nur die Situation der Grenzpendler in Betracht ziehe, sind die Franzosen wesentlich schlechter gestellt als die deutschen und belgischen Grenzpendler. In der Fondsbranche wird es ebenfalls zu Änderungen kommen, die nicht unbedingt im Interesse der Fondsindustrie sind. Im Detail werden wir das erkennen, wenn uns das Abkommen im Parlament zur Ratifizierung vorgelegt wird.

Sie sagen, Sie seien sich der Bedeutung der Finanzbranche für den Staatshaushalt besonders bewusst. Ihr Spitzenkandidat Claude Wiseler ist in der Wachstumsdebatte einer von denen, die sagen: „Es kann nicht weitergehen wie bisher.“ Was heißt denn das für die Finanzbranche? Soll sie weiter wachsen?

Ja. Denn eine Branche, die nicht weiter wächst, bleibt stehen und bildet sich zurück. Die Frage ist, wie soll sie wachsen. Es gibt da einen ganz wesentlichen Unterschied zu der Zeit, als die CSV noch Regierungspartei war: Die Zeit der Briefkastenfirmen neigt sich dem Ende zu. Da wurde schon manches unternommen und diese Bemühungen müssen weitergehen, Richtung Substanz. Substanz heißt, ...

... dass mehr Mitarbeiter eingestellt werden.

Erst einmal heißt das, dass ein Briefkasten nicht mehr ausreicht, sondern alle Firmen mit Büroräumlichkeiten und einer gewissen Zahl an Mitarbeitern in Luxemburg präsent sind und hier Steuern zahlen. Das scheint mir die logische Konsequenz zu sein. Denn wir können ja nicht sagen: Wir wollen keine Briefkästen, aber wir wollen auch keine Substanz. Sonst haben wir ja nichts mehr, und das kann nicht das Ziel sein. Wer in Richtung Substanz gehen will, der muss sich der Folgen für die Verfügbarkeit von Büroflächen und qualifizierten Mitarbeitern bewusst sein. Dennoch bleibt das der einzig gangbare Weg.

Wenn jede der zwischen 45 000 und 65 000 Soparfis in Luxemburg, Substanz hierherbringt, wird es eng.

Wir sind uns ja bewusst, dass es eine Reihe von Soparfis im Land gibt. Solche Finanzbeteiligungsgesellschaften sind nicht illegal und es gibt sie in praktisch allen Ländern. Wenn man allerdings von Briefkastenfirmen spricht, dann gab es in der Vergangenheit, das haben die Panama-Papiere gezeigt, eine ganze Reihe Offshore-Gesellschaften hier in Luxemburg, die keinen Mehrwert gebracht haben. Auf diese Art fiskalisches Ingenieurwesen soll in Zukunft verzichtet und stattdessen die Instrumente eingesetzt werden, die wir hier haben.

Sie sprechen die Panama-Papiere an. Sind Sie als Oppositionspartei zufrieden mit der Aufklärungsarbeit, die nach den Panama Papieren geleistet wurde? Wissen Sie, ob die HSBC, bei der CSSF-Direktor Claude Marx tätig war, geprüft wurde und was dabei herauskam?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das hat die CSSF überprüft. Wir begrüßen, wie sie auf die Banken zugegangen ist und was sie an Informationen gefordert hat. Ich möchte aber deutlich machen, dass dieses fiscal engineering zu der Zeit, als es angeboten wurde, völlig legal war.

Offensichtlich war gar nicht alles legal, sonst hätte die CSSF keine Banken sanktioniert, weil sie gegen die Geldwäschebestimmungen verstoßen haben.

Man muss die verschiedenen Epochen berücksichtigen. Ich rede jetzt nicht von 2010 oder 2011, sondern von der Zeit bis 2008 oder 2009, als diese Aktivitäten, außer es handelte sich dabei um Geldwäsche oder Korruption, legal waren. Dann gab es eine ganze Reihe von Entwicklungen und es hieß, es solle nicht mehr auf diese Instrumente zurückgegriffen werden. Das wurde von den meisten Banken befolgt, von einzelnen anscheinend nicht. Es ist nur richtig, dass die CSSF Letztere zur Verantwortung zieht. Wie das im Einzelnen abgelaufen ist, weiß ich nicht, aber ich finde, dass die CSSF derzeit eine gute Aufsichtsarbeit leistet, und das in Zeiten, die nicht einfach sind für eine nationale Aufsichtsbehörde.

Sie finden es also glaubwürdig, dass jemand der Behörde vorsteht, die kontrolliert, ob er selbst in seiner Zeit als Bankdirektor die damals geltenden Geldwäschebestimmungen eingehalten hat?

Ich habe ohnehin ein Problem damit, dass die CSSF die Regeln aufstellt, ihre Einhaltung kontrolliert und gegebenenfalls sanktioniert. Keiner kann gleichzeitig Partei und Richter sein. Das riskiert einmal ein juristisches Problem zu werden. Deswegen verlangen meine Fraktion und ich, die beiden Funktionen endlich zu trennen. Die Regierung müsste unbedingt noch in dieser Legislaturperiode ein entsprechendes Gesetz im Parlament hinterlegen. Wenn sie es nicht tut, müsste das unter einer CSV-Regierung absolute Priorität haben.

Sie haben die Frage nicht beantwortet.

Wird jemand für einen solchen Posten nominiert, der nicht aus dem öffentlichen Dienst kommt, bringt derjenige notwendigerweise eine Vergangenheit aus der Branche mit. Hat man auf einer gewissen Hierarchieebene gearbeitet, kann man auch, wie soll ich sagen, bei verschiedenen Dingen mitgemischt haben, die im Nachhinein kritisiert werden und eine Reihe Fragen aufwerfen. Herr Marx hat bei einer Bank gearbeitet. So weit ich das mitbekommen habe, hat er privat keine Offshore-Gesellschaften gegründet ...

... es geht ja nicht darum, was er privat gemacht hat, sondern als Bankdirektor.

Ich will nur sagen, als Bankdirektor hat man viele Leute unter sich arbeiten, die alle möglichen Operationen machen und die nicht unbedingt immer hundertprozentig sind, wofür der Direktor aber immer die Verantwortung trägt.

Nur weiß keiner, ob er oder seine damaligen Mitarbeiter die Geldwäschebestimmungen eingehalten haben. Ist das für Sie in Ordnung?

Es ist schwierig auf dieser Verantwortungsebene jemanden zu finden, der keine Vergangenheit mitbringt. Wenn man eine Person dermaßen durchleuchtet, vom Anfang ihrer Karriere an, um zu sehen, ob sie da nicht irgendwann in einer Situation war, in der sie Verantwortung trug, wo sie dem Gesetz auf die Füße getreten ist ...

Hätte die CSV jemanden aus der Privatbranche auf den Posten genannt?

Ich kann nicht sagen, wen die CSV nominiert hätte. Die Frage, die man sich stellen kann, ist, ob es eine gewisse Zahl an Posten gibt, für die man es ausschließen soll. Anderenfalls muss man sich bewusst sein, dass es quasi unmöglich ist, jemanden zu finden, der in seiner beruflichen Karriere immer alles richtig gemacht hat.

In den Panama-Papieren waren auch viele Anwälte erwähnt. Haben Sie für Kunden Offshore-Gesellschaften gegründet?

Ich selbst war nie ein Fan dieser Strukturen. Allerdings sind in den diversen Kanzleien, in denen ich gearbeitet habe, solche Strukturen aufgestellt worden. Dazu stehe ich. In meiner aktuellen Kanzlei haben wir vor zehn Jahren irgendwann beschlossen, dies nicht mehr zu tun. Davor, in den Neunzigern und anfangs der 2000-er Jahre, haben wir es, wie die allermeisten Kanzleien, gemacht.

Die Steuerverwaltung hat versucht, von den Anwälten Informationen zu erhalten, die Anwaltskammer hat dies prinzipiell abgelehnt. Finden Sie diese Haltung gerechtfertigt, wenn Sie als Abgeordneter Transparenz fordern?

Das hat doch mit dem Abgeordnetenmandat nichts zu tun. Ein Anwalt hat ein Berufsgeheimnis, das nun einmal mehr wiegt als in anderen Berufen, und das aus gutem Grund. Man kann einem Anwalt nicht vorwerfen, wenn er keine Informationen über einen Kunden preisgibt, ohne zu prüfen, ob sein Berufsgeheimnis dies erlaubt. Denn anderenfalls riskiert er eine Klage von seinem Kunden. Auf der anderen Seite war für mich immer klar: Wenn Geldwäsche, Korruption oder andere Straftaten vorliegen, kann kein Berufsgeheimnis einen Anwalt davon abhalten, Informationen an die Staatsanwaltschaft weiterzugeben. Es gibt aber ganz viele Leute, die aus privaten Ursachen eine Offshore-Gesellschaft gegründet haben, ohne kriminellen Hintergrund, da sehe ich schlecht, was ein Anwalt der Staatsanwaltschaft sagen sollte.

Ihr Parteikollege Luc Frieden hat einmal vorgeschlagen, das Mandat des Finanzministers aufzuteilen in einen Ministerposten mit Zuständigkeit für den Haushalt und einen für den Finanzplatz. Sind Sie für eine solche Aufgabenteilung?

Bedenkt man, wie komplex die Finanzmarktregulierung ist und dass es ständig mehr Arbeit bei der Haushaltsaufstellung gibt durch den mehrjährigen Haushalt und das europäische Semester, muss man sich fragen, ob ein zukünftiger Finanzminister oder eine zukünftige Finanzministerin nicht zumindest einen Staatssekretär für den Finanzplatz zur Seite braucht. Es gilt allerdings zu berücksichtigen, wie es sich strategisch auswirkt, wenn bei wichtigen Verhandlungen in Brüssel nicht der oder diejenige mit dem Titel Finanzminister antritt. Deswegen wäre ich ganz persönlich für ein Finanzplatzstaatsekretariat.

Dieser Staatssekretär wäre dann wahrscheinlich auch zuständig, Werbung für den Finanzplatz zu machen?

Ja.

Um den Ausbau welcher Aktivitäten sollte er oder sie sich bemühen?

Was mir sehr am Herzen liegt, und wo sich viel in den vergangenen Monaten getan hat, sind die grünen Finanzen. Wir sind quasi der erste Finanzstandort, der grüne Fonds zugelassen hat, und das steht uns gut zu Gesicht. Daneben finde ich den Bereich Fintech sehr wichtig, womit die Schnittstelle zwischen Finanzen und Technologie gemeint ist. Da Luxemburg es geschafft hat, sich in beiden Bereichen ein gewisses Knowhow anzueignen, sollte man dies in Zukunft ausbauen. Mein persönliches Steckenpferd ist in der Zwischenzeit die Blockchain-Technologie geworden auch im Kontext der Bitcoins, obwohl ich das nur als eine Anwendungsmöglichkeit der Technologie betrachte. In Zukunft werden immer mehr Transaktionen im Fondsgeschäft über diese Technologie abgewickelt werden. Da es eine ganze Reihe von Risiken gibt, brauchen wir so schnell wie möglich einen gesetzlichen Rahmen für diese Aktivitäten. Ich bin überzeugt, dass die Fondsbranche immer noch weitere Möglichkeiten bietet, sich weiterzuentwickeln, neue Fondsarten aufzulegen, zum Beispiel auch solche, die weniger reglementiert sind.

Alle mehrheitsfähigen Parteien scheinen eine Vorliebe für grüne Finanzen und Fintech zu teilen. Sollten die traditionellen Geschäftsbereiche wie die Fondsbranche oder das Privatkundengeschäft wegbrechen, glauben Sie, grüne Finanzeninstrumente und Fintech-Firmen könnten ähnliche Bedeutung entwicklen?

Nein, das muss man ganz klar und deutlich sagen. Aber sie öffnen neue Wege. Beispielsweise auch im Zusammenhang mit der Universität. Denn ich bin überzeugt, dass die Uni der Finanzbranche nicht genug zuarbeitet, und das würde die CSV anders gestalten. Da könnte eine zusätzliche Trumpfkarte für das Angebot der Uni sein. Ein letzter wichtiger Punkt ist die Niederlassung der Europahauptquartiere von Banken in Luxemburg. Mit den chinesischen Banken ist das bereits gelungen, die Luxemburg als Tor zu Europa benutzen. Da gibt es noch Entwicklungspotenzial.

Können Sie denn erklären, was die chinesischen Banken in Luxemburg machen? Eine versucht, auf dem Luxemburger Markt Immobilienkredite zu vergeben. Einer anderen wird von den spanischen Behörden vorgeworfen, über ihre lokale Filiale im großen Stil Geldwäsche betrieben zu haben ...

Ich sitze doch nicht hinter deren Schalter! Man darf nicht vergessen, dass fast alle chinesischen Banken, die hier sind, Staatsbanken sind. Der Chef ist also immer der chinesische Staat, und die Banken führen aus, was ihnen angeordnet wird.

Geldwäsche?

Nein! Allerdings kann ich kann nicht ausschließen, dass es wie überall auch schwarze Schafe gibt. Ich glaube aber, die ICBC-Affäre hat zu einer gewissen Einsicht bei den chinesischen Behörden geführt. Die CSSF macht da auf jeden Fall gute Arbeit und klopft den chinesischen Banken in diesen Dingen sehr auf die Finger. Die chinesischen Banken haben in Sachen good governance in den vergangenen Jahren große Anstrengungen gemacht.

Ob die CSSF der ICBC wegen der Geldwäsche in Spanien auf die Finger geklopft hat, weiß man nicht. Sie hat es abgelehnt, dies offiziell zu bestätigen. Sie hat hingegen nicht gezögert, die Banque Rothschild wegen Geldwäschevorwürfen zu sanktionieren und dies auch öffentlich zu machen. Ein Prozess steht aber bisher noch aus.

Die CSSF hat ihre Hausaufgaben in diesem Dossier mehr als gemacht. Sie hat ein schweres Fehlverhalten festgestellt und administrative Sanktionen verhängt. Jetzt muss die Justiz gegebenenfalls strafrechtliche Verfahren gegen diese Banken einleiten. Es kann nicht sein, dass strafrechtliche Folgen ausbleiben, wenn die Vergehen so schwerwiegend sind, wie die von der CSSF verhängten Strafen vermuten lassen. Das wird meiner Meinung nach für Luxemburg zum wirklichen Reputationsproblem werden: Im Gafi-Bericht 2020 wird drinstehen, dass 2017, und wie ich befürchte, 2018 keine einzige Affäre vor Gericht gebracht wurde. Dadurch werden wir jede Glaubwürdigkeit verlieren. Wir können hundertmal sagen, wir haben alle Richtlinien umgesetzt und sind ein Musterschüler, aber wenn keine einzige Affäre von Wirtschafts- und Finanzkriminalität zur Verhandlung kommt, wird uns das einholen.

Woran liegt es?

Es fehlt an zusätzlichem qualifizierten Personal in der Kriminalpolizei und der Finanzabteilung der Staatsanwaltschaft. Wegen der bestehenden Laufbahnen ist es derzeit schwierig, diese Mitarbeiter für den Dienst bei der Kriminalpolizei zu rekrutieren. Das ist ein ernstzunehmendes Problem, das die nächste Regierung unbedingt angehen muss.

1 Als IP-Box wird ein Sondersteuerregime bezeichnet, das Erleichterungen für die Einnahmen aus Ggeistigem Eigentum vorsieht.

2 Mit Gafas sind die großen US-Technologiefirmen wie Google, Apple, Amazon und Facebook gemeint.

3 Die Esma ist die Europäische Wertpapieraufsicht.

Michèle Sinner
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