Als vor wenigen Wochen der Verwaltungsrat der Bankenvereinigung (ABBL) zusammenkam, um die angekündigte Steuerreform zu analysieren, mussten die Bankiers feststellen, dass die Regierung ihnen nicht so gut zugehört hatte, wie sie sich das von einer Koalition mit liberaler Beteiligung vorgestellt hatten. Das zeigen zumindest die Unterlagen der ABBL, die dem Land vorliegen. Denn im Vergleich mit den Konkurrenzstandorten schneidet Luxemburg nach den bisher von der Regierung geplanten Maßnahmen nicht so gut ab, wie sich die Banken das gewünscht hatten.
Was die Banken- und Bankiersvereinigung wie auch andere Arbeitgebervertreter wohl besonders wurmt, ist das Gefühl, dass sie mit ihren Anliegen bei der aktuellen Regierungskoalition kaum Gehör finden. Und das obwohl sie sich von der sehr wirtschaftsliberal orientierten blau-rot-grünen Koalition, in der die DP den Staats- sowie den Finanzminister stellen und die LSAP einen Wirtschaftsminister und Vize-Premier, der nach dem schlechten Abschneiden von Lucien Lux bei den Wahlen kein „soziales Gewissen“ mehr hat, wesentlich mehr Entgegenkommen erwartet hatten. Eine nachvollziehbare Erwartungshaltung, nachdem die DP den Managing Partner und Steuerexperten von EY, Alain Kinsch, in die Koalitionsverhandlungen geschickt hatte.
Weil dem so ist, schießt das ehedem sehr regierungsenthusiastische Wirtschaftsmagazin Paperjam aus vollen Rohren und veröffentlicht bis zur Erklärung zur Lage der Nation von Staatsminister Xavier Bettel am 26. April jeden Tag eine neue Stellungnahme eines Steuerberaters, in der die Regierung beschworen wird, die Steuern für die Unternehmen zu senken, weil ansonsten die Wettbewerbsfähigkeit und damit das AAA flöten gehe, wonach dem Land der Ruin drohe. Aber nach Luxleaks sind die Steuerberater und Geschäftsanwälte nicht mehr ganz so beliebt, weil sie dem Ansehen des Landes dermaßen geschadet haben, dass es durch Nation Branding repariert werden muss.
Zwar beamte sich Staatminister Xavier Bettel (DP) vergangenes Jahr zur Eröffnung der neuen KPMG-Gebäude noch von der Gedenkfeier aus einem polnischen Konzentrationslager per Hologramm zur Party. Und zur Eröffnung der neuen EY-Büros unter der Regie ihres Parteifreundes kamen die DP-Granden gleich im Dutzend. Aber dennoch möchte kein Politiker, der bei klarem Verstand ist, nach den schlechten Ergebnissen in den politischen Umfragen in den vergangenen Monaten so aussehen, als ob er mit den dunklen Mächten der Steueroptimisierer paktiere und auf Kosten der Wähler Geschenke an jene verteile, die ohnehin schon reich sind. Besonders nachdem die Regierung nicht davor zurückgeschreckt war, Straßenlaternen absägen zu lassen, um ein paar Euro zu sparen. So schlecht ist das Ansehen der Steuerberater mittlerweile, dass sogar die Bankiers wieder wie Saubermänner aussehen, obwohl Luxemburg wegen ihres Bankgeheimnisses international auf allerlei schwarzen Listen stand. Ein handfestes Indiz dafür, dass die Steuerberater kaum noch zu frequentieren sind, ist, dass von den intérêts notionnels, den steuerlich absetzbaren fiktiven Zinsen, deren Einführung die Regierung in ihrem Koalitionsprogramm versprochen hatte, keine Rede mehr ist.
Das ist auch der ABBL aufgefallen, die der Regierung zwei Papiere mit Vorschlägen unterbreitet hat, einmal im Juli 2015 und einmal vergangenen Februar. Hauptanliegen der ABBL ist dabei, klarzumachen, dass der nominale Körperschaftssteuersatz bei den Investitionsentscheidungen internationaler Firmen Faktor Nummer eins ist, wenn sie entscheiden, wo sie sich niederlassen oder via welches Land sie investieren wollen. Die ABBL verweist deshalb auf eine Studie des irischen Finanzministeriums unter dem Titel Economic impact assessment of Ireland’s corporation Tax Policy, Summary and Conclusions, in der zu lesen steht: „One of the most interesting aspects of the research was the finding that corporation tax had the single largest marignal effect of all relevant factors. This means that on average, across Europe, corporation tax has the largest marginal effect of all relevant factors.“
Deshalb hat für die ABBL eine Absenkung des Körperschaftssteuersatzes oberste Priorität, damit ein globaler Satz von 15 Prozent erreicht werde; kommunale Gewerbesteuer und Abgabe an den Beschäftigungsfonds inklusive, wobei der Regierungsvorschlag einen Satz von 26 Prozent vorsieht. „Enfin convient-il de relever que dans lʼéventualité de lʼinstauration dʼune assiette commune de lʼimpôt sur les sociétés au niveau européen, le taux applicable constituerait vraisemblablement lʼun des rares éléments dʼappréciation laissé à la discrétion des États membres, auquel cas il conviendrait dʼen tirer le meilleur parti possible dans un contexte de concurrence équitable et transparente entre États membres“, schreibt die ABBL.
Sie sieht daher auch Handlungsbedarf in der Lesbarkeit der Besteuerungsbedingungen für die Unternehmen. Damit die Steuerdispositionen besser verständlich und nachvollziehbar seien, fordert die ABBL nichts weniger als die Abschaffung der kommunalen Gewerbesteuer, die auf einer anderen Basis berechnet wird, mit anderen Absatzmöglichkeiten, als die Körperschaftssteuer. „Une première option consisterait dans lʼinstauration dʼun impôt unique pour les collectivités, appelant de fait lʼabolition de lʼICC quʼil conviendrait de compenser par lʼinstauration dʼun mécanisme de rétrocession de lʼÉtat aux communes tout en permettant à ces dernières de conserver une certaine autonomie en matière budgétaire.“ Sollte das nicht möglich sein, sollten Körperschafts- und Gewerbesteuer in Zukunft zumindest auf der gleichen Basis berechnet werden: „À défaut dʼune suppression totale de lʼICC au profit de lʼIRC réaménagé, il serait envisageable, à titre subsidiaire, dʼinstaurer une base dʼimposition unique pour lʼIRC et lʼICC, l’ICC sʼapparentant alors à une contribution calculée sur lʼIRC (à lʼinstar de lʼactuelle contribution au fonds pour lʼemploi).“
Punkt Nummer drei auf der Wunschliste der Banken- und Bankiersvereinigung ist eine Anpassung des Steuerregimes für die Mutter- und Tochtergesellschaften, das beispielsweise in den Niederlanden flexibler sei als in Luxemburg.
Darüber hinaus regen die Bankiers die Abschaffung der Quellensteuer von 15 Prozent auf in Luxemburg ausgezahlten Dividenden an. In Großbritannien, schreibt die ABBL, würden sie nicht besteuert. „Cette donnée est susceptible dʼamoindrir significativement lʼintérêt des investisseurs étrangers pour les Soparfi si rien nʼest envisagé en réponse.“ Würde sie abgeschafft, würde das dazu beitragen, die Zahl der angeforderten Rulings zu reduzieren, mit der Erleichterungen angefordert würden, argumentiert die Bankiersvereinigung. Wie hoch der Steuerausfall für den Staat wäre, kann auch die ABBL nicht sagen, dennoch schätzt sie ihn als minimal ein. Denn würden die Dividenden an Unternehmen ausgezahlt, könnten sie ohnehin meist eine Befreiung beantragen. Würden sie an natürliche Personen ausgezahlt, seien sie eine Art Vorschusszahlung auf deren Steuererklärung, im Rahmen derer wiederum Vergünstigungen gelten würden.
Die Forderung, die Vermögenssteuer abzuschaffen, ist nicht neu, wird aber von der ABBL deshalb nicht weniger vehement wiederholt. Die Bankenvereinigung schlug vergangenen Sommer eine schrittweise Abschaffung ab Januar 2016 vor, und der neue Satz von 0,05 Prozent auf Vermögen ab 500 Millionen Euro, den die Regierung Ende 2015 noch durchs Parlament schmuggelte, stellt in ihren Augen keine wesentliche Verbesserung dar. Ihr Argument: Die Vermögenssteuer werde hauptsächlich von den Finanzbeteiligungsgesellschaften getragen, um deren Kapital man werbe, um es dann zu besteuern, während Luxemburgs eines der letzten Länder sei, das überhaupt noch eine Vermögenssteuer anwende. „...Maintenir lʼimpôt sur la fortune relèverait du postulat erroné que les recettes provenant des Soparfis sont pérennes alors que ces dernières sont les plus sensibles aux changements liés au plan dʼaction Beps“, warnt die ABBL deshalb vor einer immer größeren Abhängigkeit von den Steuereinnahmen der Soparfis, die ja eigentlich da sind, um möglichst wenig Steuern zu zahlen. Die Vermögenssteuer abzuschaffen, helfe deshalb, die Soparfis in Luxemburg zu halten, woraus sich nicht nur Steuereinnahmen, sondern auch „une niche nouvelle pour lʼactivité bancaire au Luxembourg“ ergeben könnte, wenn die Soparfis weitere Gelder nach Luxemburg verlagerten.
Die von der ABBL bei der Regierung eingereichten Unterlagen muss man wohl vor allem als Plädoyer für ihre Kunden verstehen, denn im Vergleich der Steuerlast für die Banken mit den Hauptkonkurrenzstandorten, dem Vereinigten Königreich (25 Prozent), Irland (33 Prozent) und der Schweiz (21,15) stehen sie gar nicht einmal so schlecht da. Aber die Kunden, lässt sich zwischen den Zeilen der Stellungnahme herauslesen, wollen immer weniger auf die früher so begehrten Steuer-Rulings zurückgreifen, um die Rechnung nach unten anzupassen. Weil Rulings demnächst zwischen den Steuerverwaltungen ausgetauscht werden und dadurch geschäftsrelevante Informationen in immer mehr Hände gelangen zu drohen. Und weil ein Ruling riskiert, das Interesse der EU-Wettbewerbsbehörden zu wecken, die sich dadurch angespornt fühlen könnten, zu prüfen, ob durch eventuelle Vergünstigungen Beihilfen vergeben wurden.
Das alles, wo noch nicht klar ist, wie genau die Beps-Verordnungen gegen Steuererosion innerhalb der EU umgesetzt werden. Deshalb verlangen die Banken vom Finanzministerium eine regelmäßige Prüfung, wie sich Beps auf die Steuerlast auswirkt. Doch dafür wären die Studien notwendig, die nach Meinung des Wirtschafts- und Sozialrats im Vorfeld der Steuerreform hätten vorliegen müssen. Aber auch in Abwesenheit dieser Studien hoffen die Bankiers, dass die Regierung ihnen zumindest in den technischen Punkten, worunter viele ihre Forderungen außer die im Bezug auf Gewerbe- und Körperschaftssteuer fallen dürften, noch vor Inkrafttreten der Reform entgegen kommt.