Finanzminister Pierre Gramegna (DP) stellte am Montag vier Änderungen in Sachen Unternehmensbesteuerung vor, mit denen die Regierung die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken will. Darunter: zwei Steuererleichterungen und zwei –anhebungen.
Der Körperschaftsteuersatz wird 2017 von derzeit 21 auf 19 Prozent gesenkt; 2018 dann auf 18 Prozent, so dass in der Hauptstadt ansässige Unternehmen in zwei Jahren – kommunale Gewerbesteuer und Abgaben an den Beschäftigungsfonds inklusive – ihre Gewinne mit 26,01 Prozent versteuern müssen, anstatt wie bisher mit 29,22 Prozent.
Firmen, die nur kleine Gewinne erwirtschaften, werden steuerlich mehr entlastet als bisher. Galt bisher auf versteuerbare Einkommen unter 15 000 Euro ein Körperschaftsteuersatz von 20 Prozent, gilt ab 2017 ein Satz von 15 Prozent auf Einkommen bis zu 25 000 Euro. Kleine Firmen mit geringen Gewinnen zahlen demnach, zuzüglich der Abgabe an den Beschäftigungsfonds und kommunale Gewerbesteuer, einen Satz von 22,8 Prozent.
Die 2011 eingeführte Mindeststeuer für Finanzbeteiligungsfirmen (Soparfi) wird nach der Anhebung auf 3 210 Euro 2013 nun ein weiteres Mal um 50 Prozent auf 4 815 Euro angehoben.
Verluste können anders als bisher nicht mehr in der Bilanz unbegrenzt von Jahr zu Jahr getragen werden, um sie, wenn Gewinne erwirtschaftet werden, steuerlich geltend zu machen. Außerdem können nur 80 Prozent der weitergetragenen Verluste gegen Gewinne geltend gemacht werden, anstatt wie bisher 100 Prozent.
Erst nachdem sie am Donnerstag in großer Runde beraten hatten, äußerten sich die Arbeitgeberverbände via Pressemitteilung der UEL zu den Regierungsvorschlägen. Dass sie sich tatsächlich so lange bedeckt hielten, anstatt loszupoltern oder Applaus zu klatschen, hängt auch damit zusammen, dass die Reformen den verschiedenen Wirtschaftsbranchen in unterschiedlichem Maße entgegenkommen. Handel und Handwerk dürften es prinzipiell begrüßen, wenn die Verbraucher mehr Geld in der Tasche haben. Immobilienhändler, Banken und Versicherungsgesellschaften dürfte es freuen, wenn die Kunden mehr Hypothekenzinsen von der Steuer absetzen können und höhere Freibeträge erhalten, die sie in private Zusatzrentenversicherungsverträge einzahlen können. Zumindest die Banken und Versicherungsgesellschaften, die die gebietsansässige Bevölkerung zu ihren Kunden zählen, beziehungsweise diejenigen, die hierzulande Steuern zahlen.
Denn mit der Reform kommt die Regierung lokalen KMU. Unternehmen, die Luxemburg als Basis für eine internationale Aktivität nutzen, eher weniger. So sieht das die UEL in ihrer Stellungnahme, denn mit der dreiprozentigen Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 26 Prozent bleibt die Reform weit hinter ihren Erwartungen zurück. Arbeitgeber und Steuerberater hatten sich im Vorfeld für einen Satz von um die 15 Prozent all inclusive stark gemacht. Dass sie mit ihren Forderungen beim früheren Direktor der Handelskammer kein Gehör fanden, dürfte sie besonders frustrieren. Zumal die Konkurrenz aus dem Ausland damit begonnen haben soll, aktiv „Luxemburger“ Firmen zu umwerben, während Pierre Gramegna seit Luxleaks dem verschärften Steuerwettbewerb als Standortfaktor offiziell abgeschworen hat.
Mit der angekündigten Senkung auf 26 Prozent schließt Luxemburg im internationalen Rennen um die niedrigsten Körperschaftsteuerraten zwar mit Ländern wie Norwegen oder Griechenland auf. Aber Irland, Großbritannien und die Schweiz sind Luxemburg zwischen fünf und 14 Prozentpunkte voraus. „Das wird niemanden hierherlocken und auch niemanden zum Bleiben bewegen“, urteilt deshalb ein Steuerberater.
Wie sich die Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf die Staatseinnahmen auswirken wird, konnte der Finanzminister am Montag nicht sagen. Die Berechnungen seien „schwierig“, gab er an. Die dünne Datenlage und mangelnde Vorbereitung hatte schon der Wirtschafts- und Sozialrat (CES) in seinem Gutachten im Vorfeld der Steuerreform bemängelt. Niemand weiß, wie hoch der effektive Körperschaftsteuersatz ausfällt, also wie viel die Unternehmen nach Abzug von Rabatten und Absatzmöglichkeiten tatsächlich zahlen. Nun klagen Arbeitgebervertreter über reduzierte Sichtweite, weil noch nicht klar ist, wie die Bemessungsgrundlage abgeändert wird, auf die der neue Körperschaftsteuersatz angewandt wird. Als „Gift für die Investitionen aus dem Ausland“, bezeichnete das die UEL am Donnerstag. Pierre Gramegna sagte bei der Vorstellung der Steuerreform, man werde die neuen Vorschläge der EU-Kommission zur Umsetzung der Beps-Vorgaben der OECD abwarten, darunter eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB), bevor die Bemessungsgrundlage verändert werde. Ob die rechtzeitig vorliegen, um gleichzeitig mit der Steuerreform in Kraft zu treten, bleibt abzuwarten.
Ob die angekündigte dreiprozentige Senkung des Körperschaftsteuersatzes ausreicht, damit Unternehmen nach der Anpassung der Bemessungsgrundlage, wenn allerlei Sonderregimes und Absetzmöglichkeiten abgeschafft werden dürften, nicht mehr Steuern zahlen als jetzt, davon ist nicht jeder Steuerberater überzeugt. Zumal auch mangels europäischer GKKB schon jetzt die Grundlage verändert wird. Denn das Sonderregime, das Einkommen aus geistigem Eigentum weitgehend von der Steuer befreite, die IP-Box, hat der Finanzminister unter internationalem Druck und im Hinblick auf die Beps-Arbeiten bei der OECD mit dem Haushalt 2016 aufgekündigt. Ein Vorschlag für ein OECD-konformes Ersatzregime liegt bisher nicht vor. Außerdem hat die EU bereits die Richtlinie zur steuerlichen Integration von Mutter- und Tochtergesellschaften abgewandelt, durch die die Dividendenzahlungen ausländischer Filialen an den Mutterkonzern geregelt sind. Was nicht ohne Folgen auf die tatsächliche Bemessungsgrundlage bleiben wird, wie auch der Wirtschafts- und Sozialrat festgestellt hatte. Seinem Gutachten zufolge deklarierten im Steuerjahr 2011 4 894 in Luxemburg steuerpflichtige Unternehmen 141,6 Milliarden Euro „revenus exonérés de participations importantes“.
Dass in Zukunft die Verluste vergangener Jahre in ertragsreichen Jahren nicht mehr in vollem Umfang und zeitlich unbegrenzt bei der Steuer geltend gemacht werden können, wird die Bemessungsgrundlage verändern, erklärte Pierre Gramegna am Montag. Laut CES-Gutachten machten 2011 42 313 Unternehmen vergangene Verluste in Höhe von 99,7 Milliarden Euro geltend.
So fordert die UEL, dass der Körperschaftsteuersatz weiter gesenkt wird, als bisher angekündigt. Wenn Steuerexperten Erleichterungen fordern, berufen sie sich gerne auf die Laffer-Kurve, nach der niedrige Sätze durch Zweitrundeneffekte, wie die Stimulation der Wirtschaftsaktivität, höhere Einnahmen generieren. Tatsächlich aber sind die Körperschaftsteuereinnahmen in Luxemburg auch bei quasi unverändertem Steuersatz zwischen 2005 und 2015 um 43 Prozent auf knapp 1,6 Milliarden Euro jährlich angestiegen. Das liegt aber auch daran, dass Luxemburg in der Vergangenheit die Firmensitze ausländischer Unternehmen anlockte, eine Entwicklung, die durch Beps in Frage gestellt wird. Und wenn Unternehmen in Zukunft nach dem Country-by-country-Prinzip in der Bilanz ausweisen, wo sie welche Erträge erwirtschaftet haben, und außerdem die Steuerverwaltungen mehr Informationen untereinander austauschen, werden die Steuerbehörden anderer Länder aller Wahrscheinlichkeit nach öfter als bisher die Luxemburger Steuererklärungen in Frage stellen. Auch das werde sich auf die Bemessungsgrundlage der Unternehmen auswirken, so Pierre Gramegna am Montag. Auf das Volumen, der in Luxemburg versteuerten Erträge ebenfalls.
Dass nun ausgerechnet der ehemalige Direktor der Handelskammer völlig überraschend die 2011 unter Protest der Handelskammer eingeführte Mindeststeuer der Soparfis nach 2013 zum zweiten um 50 Prozent auf 4 815 Euro erhöht, kann seinen ehemaligen Kollegen nicht gefallen. „Soparfis haben keine Gewerkschaft“, so ein Steuerberater, der wie die Handelskammer in der Vergangenheit davor warnt, dass dies Beteiligungsgesellschaften veranlassen könnte, Luxemburg zu verlassen. Doch Pierre Gramegna dürfte selbst am besten wissen, dass sich die Handelskammer in der Vergangenheit mit solchen Warnungen geirrt hatte, denn trotz Mindeststeuer stieg die Zahl der Soparfis quasi ungebremst auf rund 45 000. Für Beteiligungsgesellschaften, die aberwitzige Summen durch Luxemburg schleusen, dürften 1 500 Euro Steuern zusätzlich ohnehin keine Rolle spielen. Wenn doch, ist das wahrscheinlich ein Hinweis darauf, dass die betroffenen Beteiligungsgesellschaften nicht besonders viel Substanz in Luxemburg haben. Sie unbedingt in Luxemburg zu erhalten, ist nach Luxleaks keine besondere Priorität mehr.
Dabei sind die Soparfis in den vergangenen Jahren zur wichtigen Steuerzahlerkategorie geworden. Seit 2014 zahlen sie mehr Steuern als die Banken und mehr als alle Branchen der „Realwirtschaft“ zusammen. Ihr Anteil am Körperschaftsteueraufkommen betrug 2014 mit 446,7 Millionen Euro knapp 40 Prozent; ihr Anteil am kommunalen Gewerbesteueraufkommen belief sich mit 112 Millionen Euro auf 30 Prozent.
Wurde in der Vergangenheit immer wieder mal darauf hingewiesen, dass viele Privathaushalte keine Steuern zahlen, wird der Konzentrationsgrad beim Steueraufkommen der Unternehmen nur selten thematisiert. Dabei geht aus dem vom Finanzministerium im Hinblick auf die Steuerreform erstellten Kompendium hervor, dass 0,73 Prozent der Unternehmen 75 Prozent der Körperschaftsteuer entrichten. Die 50 größten Steuerzahler zahlten 2014 alleine 633 Millionen Euro im Vergleich zu einem Steueraufkommen von 1,6 Milliarden, was verdeutlicht, wie wenig die anderen bezahlen.
So drängt sich in Arbeitgeberkreisen der Verdacht auf, mit ihrer Steuerreform belaste die Regierung, vor allem die Unternehmen, die spätestens seit Luxleaks beim Wahlvolk nicht besonders beliebt sind und kaum Fürsprecher haben, um den Haushalten im Hinblick auf den nächsten Wahltermin Steuergeschenke zu machen und dass sie dabei das von ihnen immer wieder angeprangerte Defizit beim Zentralstaat völlig vergisst. Doch weil davon die heimischen KMU, Banken und Versicherungsgesellschaften profitieren werden, und weil sich nur schwer vermitteln lassen würde, wenn sie trotz Körperschaftsteuersenkung allzu laut protestieren, halten sich die Arbeitgeber in der Hoffnung, dass die Regierung noch einmal mit Steuergeschenken an sie nachlegt, mit allzu heftiger Kritik zurück.