Als die DP noch Oppositionspartei war, machte sie sich für einen Bruch mit der nachfrageorientierten Wohnungsbaupolitik stark. In ihrem Wahlprogramm 2013 wollte sie „die unzähligen Wohnungsbeihilfen (...) schnellstens auf ihre Auswirkungen überprüfen lassen und ggf. die Mittel bündeln und bedarfsabhängig und nachhaltig gestalten“. Denn: „Die Wohnungspreise sind trotz unzähliger Fördermechanismen in den vergangenen Jahren gestiegen.“ Die Wohnungsbaupolitik der CSV-LSAP-Regierung nannte die DP „kopflos“.
Zweieinhalb Jahre später hat die blau-rot-grüne Regierung über den Zukunftspak zwar die Mehrwertsteuervergünstigung auf Zweitwohnungen abgeschafft und die Zuerkennung der Zinsbonifikation für Hypothekenkredite an die Einkommen der Haushalte geknüpft. Opfer des Zukunftspak wurde auch die 2004 als „Anreiz zum Bausparen“ eingeführte Überweisung von hundert Euro Startkapital aus der Staatskasse auf ein Bausparkonto, das für jedes neugeborene Kind auf Antrag von dessen Eltern eingerichtet wurde. Mit der nachfrageorientierten Politik noch stärker zu brechen, hätte allerdings bedeutet, Wohnungsbesitzer und angehende Besitzer gegen sich aufzubringen. Weil das nicht nur der DP schwerfällt und die Regierung sich angesichts ihrer Umfragewerte die Herzen der Wähler zurückkaufen zu müssen meint (d’Land, 4.3.2016), soll die Steuerreform auch im Wohnungsbau eine Runde Nachfragesteigerung gewähren.
Bausparen und Zinsen
Dass die steuerliche Absetzbarkeit der Einzahlungen in Bausparverträge für unter Vierzigjährige von 672 auf 1 344 Euro pro Haushaltsmitglied verdoppelt werden soll, kann man für eine „selektive“ Maßnahme zugunsten derer halten, die in der „Rush-hour des Lebens stehen“, wie Premier Xavier Bettel (DP) sich vor einer Woche ausdrückte. Dagegen muss man bezweifeln, dass die Regierung ihrem großen politischen Ziel, „die Wohnungspreise zu meistern“, näher kommt, wenn sie die Obergrenze erhöht, bis zu der die Zinsen für ein Hypothekendarlehen von der Einkommenssteuer abgesetzt werden können, sofern der Steuerpflichtige die betreffende Wohnung selber bewohnt.
Was die Regierung vorschlägt, ist großzügig: Können heute in den ersten fünf Jahren nach dem Bezug des Eigenheims pro Kopf der Haushaltsmitglieder 1 500 Euro geltend gemacht werden, in den fünf darauffolgenden Jahren 1 125 Euro und anschließend jährlich 750 Euro, sollen es ab 1. Januar 2017 2 000, 1 500 und 1 000 Euro sein. Eine vierköpfige Familie könnte in Zukunft fünf Jahre lang bis zu 8 000 Euro, danach für fünf Jahre 6 000 Euro und anschließend jährlich 4 000 Euro geltend machen, wo es heute bis zu 6 000, 4 500 beziehungsweise 3 000 Euro sind. Das wäre eine beträchtliche Entlastung. Gleichzeitig aber würde die Regierung undifferenziert wieder austeilen lassen, was sie im Zukunftspak durch die restriktiver zuerkannte Zinsbonifikation einsparen wollte. Sie würde hohe und teure Darlehen ein Stück erschwinglicher aussehen lassen und in den Hochpreis-Markt ein Signal in die völlig falsche Richtung geben.
Entlastung auf Gewinne
Aber mit der Steigerung des Angebots anstelle der Nachfrage ist das so eine Sache. Weil das „Recht auf Wohnen“ jahrzehntelang in erster Linie als ein „Recht auf Besitz“ verstanden und vermittelt wurde, steht die Regierung vor dem Problem, Promoteuren – privaten wie öffentlichen – rasch Bauland zur Verfügung stellen zu müssen, das sich überwiegend in Privathand befindet. Die über 700 Hektar Baulücken in den Innenräumen der Gemeinden, die „verdichtet“ werden sollen, sind zu rund 90 Prozent in Privatbesitz. Dafür zu sorgen, dass nicht genutzte Wohnungen dies möglichst nicht länger bleiben, macht ebenfalls Schritte gegenüber Privatbesitzern nötig.
In diese Richtung zielen zwei weitere vergangene Woche angekündigte Maßnahmen: Wer seine Eigentumswohnung einem akkreditierten Träger wie der Agence immobilière sociale (AIS) zur Weitervermietung zur Verfügung stellt, soll ab 2017 nur noch auf die Hälfte seiner Mieteinnahmen besteuert werden. Wer Bauland oder ein Eigenheim verkauft, soll den Spekulationsgewinn aus der Transaktion nur zum Viertel-Satz besteuert erhalten, was ausnahmsweise schon ab Juli dieses Jahres gelten soll und dann bis Ende 2017.
Beide Maßnahmen haben ihren Sinn. Wie die AIS die Sache sieht, ist die Weitervermietung privater Wohnungen zu Sozialmieten durch sie selbst – oder durch vergleichbare Agenturen, die es auf Gemeinde- oder interkommunaler Ebene etwa auch in Diekirch, Remich oder im Korntal gibt – bei Wohnungsbesitzern „sehr beliebt“. Und das obwohl die Mieteinnahmen dann kleiner ausfallen als bei einer Vermietung auf dem freien Markt. Diese Differenz würde durch die geplante Steuererleichterung zum Teil kompensiert. Das Angebot derart vermieteter Sozialwohnungen könne dadurch deutlich zunehmen, so die AIS.
Von der verringerten Besteuerung von Spekulationsgewinnen erwartet sich Wohnungsbauminister Marc Hansen (DP) viel. Er weiß, dass die Viertel-Satz-Besteuerung 2002 von der damaligen CSV-DP-Regierung schon einmal eingeführt wurde, zunächst vier Jahre gelten sollte und dann noch um zwei Jahre, bis Ende 2007, verlängert wurde, „weil sie erfolgreich war“. Das scheint so gewesen zu sein: Wie der Wirtschafts- und Sozialrat vergangenes Jahr in seiner vorbereitenden Studie zur Steuerreform schrieb, nahmen die Einnahmen der Staatskasse aus den Registrierungsgebühren für notarielle Akte von rund 120 Millionen Euro im Jahr 2002 bis auf an die 270 Millionen im Jahr 2007 zu. 2008 sanken sie wieder auf 220 Millionen Euro und 2009 auf lediglich 110 Millionen. Wozu allerdings auch die Finanz- und Wirtschaftskrise beigetragen haben dürfte, die den Wohnungsmarkt ebenfalls beeinflusste. Und der WSR betrachtete die Registrierungsgebühren insgesamt, nicht nur die auf Immobilientransaktionen.
In die richtige Richtung?
Lenkt, was in der Steuerreform geplant ist, wohnungsbaupolitisch also doch in die richtige Richtung – trotz der erneuten Umverteilung an Hypothekenkreditnehmer?
Die Viertelsatz-Besteuerung von Spekulationsgewinnen würde ebenfalls eine Umverteilung an Besitzer organisieren. Denkbar ist zum Beispiel, dass jemand sich in den Achtzigerjahren ein Haus für 4,034 Millionen Franken kaufte, was 100 000 Euro entspricht. Denkbar ist auch, dass der Wert dieser Immobilie heute von einem Händler oder einem Experten auf 250 000 Euro veranschlagt wird. Der Marktlage wegen könnte der Besitzer dieses Haus aber durchaus für eine halbe Million Euro weiterverkaufen und gegenüber der Wertschätzung einen Spekulationsgewinn von 250 000 Euro erzielen. Davon würden nach einem Freibetrag von 50 000 Euro 200 000 Euro einkommensteuerpflichtig.
Unterliegt der Verkäufer dem Spitzensteuersatz von 40 Prozent, werden die 200 000 Euro zum Satz von 20 Prozent besteuert. Denn abgesehen von bestimmten Ausnahmen gilt bei der Besteuerung von Spekulationsgewinnen der demi-taux. Verkaufte der Besitzer zwischen 1. Juli dieses Jahres und Ende 2017, würde nur ein Viertel des Steuersatzes angewandt – zehn Prozent, um bei dem Beispiel mit dem Spitzensteuersatz zu bleiben. Auf die 200 000 Euro Nettogewinn würden dann 20 000 Euro Steuern fällig. Was auf einer Brutto-Einnahme von einer halben Million einem Steuersatz von nur vier Prozent entspräche.
Ein schönes Geschenk. Wie die Dinge liegen, gibt die Regierung steuerlichen Anreizen den Vorzug gegenüber „Zwangsmaßnahmen“. Baulandmobilisierung und die Senkung des Wohnungsleerstands will sie lieber die Staatskasse etwas kosten lassen, als Abgaben auf ungenutztes Bauland und leerstehende Wohnungen zu erheben. Vor zwei Wochen hatte der Wohnungsbauminister auf einer großen Pressekonferenz der Regierung zur Landesplanung erklärt, „Beihilfen und Taxen für den Wohnungsbau“ würden „durch die Steuerreform geklärt“. Nun, da deren Grundzüge vorliegen, sagt er: „Wir gehen erst einmal in die Anreiz-Phase und wollen sehen, wie die wirkt.“ Aber wenngleich die Viertel-Satz-Regelung nur bis Ende 2017 gelten soll, ist ziemlich unwahrscheinlich, dass die Regierung ausgerechnet im Wahljahr 2018 die Zwangsmaßnahmen-Phase einläutet.
Kommt die Grundsteuerreform?
Doch die „Vorsicht“ mit den Taxen, von der der Wohnungsbauminister immer wieder spricht, hat nicht nur mit Wahltaktik zu tun. Gewisser Druck auf Immobilienbesitzer könnte bis zum Ende der Legislaturperiode doch entstehen, denn der Innenminister lässt an einer Reform der kommunalen Grundsteuer arbeiten, wenngleich von ihr noch nicht einmal die Grundzüge publik sind. Nach Informationen des Land lässt der Innenminister auch über eine Abgabe nachdenken, die Gemeinden auf Spekulationsgewinne erheben könnten. Weil das ein delikater Schritt wäre, zumal jetzt, da solche Erlöse erst einmal weniger besteuert werden sollen, überrascht es nicht, dass Dan Kersch (LSAP) auf Anfragen um weitere Details überhaupt nicht reagiert. Auf jeden Fall aber kann man nicht behaupten, dass Blau-Rot-Grün für Immobilienbesitzer ausschließlich Geschenke in petto hätte.
Und noch einen Grund für die „Taxen-Vorsicht“ gibt es: Eine Bauland- wie eine Leerstands-Taxe wären gar nichts Neues. Sie gehören seit 2009, als das Gesetz über den Pacte logement in Kraft trat, zum offiziellen wohnungsbaupolitischen Instrumentarium. Doch ihre Anwendung, deren politische Konsequenzen und Auseinandersetzungen vor Gericht mit dem Grundstückseigentümerverband und dessen streitbarem Anwalt Georges Krieger werden damals wie heute den Gemeinden überlassen. Vor allem der Stadt Esch/Alzette, der größten jener sechs Gemeinden, die eine solche Abgabe eingeführt haben.
Wieviel öffentlicher Wohnungsbau?
Wollte die Regierung entscheiden, solche Taxen landesweit einheitlich einzuführen, würde das nicht nur politischen Mut und Durchstehvermögen vor Gericht erfordern. Es würde auch voraussetzen zu sagen, wie viel öffentlichen Wohnungsbau man will. Denn so, wie die Taxen im Gesetz über den Pacte logement gedacht sind, sollen sie vor allem dazu anreizen, Bauland oder Eigenheime an die öffentliche Hand zu verkaufen – und das sogar zu Marktpreisen. Spekulationsgewinne aus solchen Transaktionen werden weder zum demi-taux, noch zum Viertel-Satz, sondern überhaupt nicht besteuert; seit 2009 und ohne jedes Zeitlimit. Das soll helfen, eine „Grundstücksreserve“ für die öffentliche Hand zu schaffen.
Interessanterweise aber weiß nicht einmal der Wohnungsbauminister, in welchem Umfang solche Verkäufe an die öffentliche Hand bisher stattgefunden haben. Für das „zweite Monitoring“ zu den Wohnungsbaupakten, das vor einem Jahr vorgestellt wurde, war das nicht erhoben worden.
Das kann man bedauern, muss sich darüber aber nicht wundern. Ungeachtet aller anderslautenden Erklärungen ist nicht klar, wie viel öffentlicher Wohnungsbau in Luxemburg gut sein soll. Zwar steigen die staatlichen Aufwendungen dafür und die Regierung hält sich zugute, über ihr Wohnungsbau-Mehrjahresprogramm mehr Projekte zu verfolgen als ihre Vorgängerin. Doch dass die öffentliche Hand sich eine Grundstücksreserve anlegen soll, die immer weiter wüchse und wodurch immer mehr öffentliche Wohnungen entstünden – das ist ein politisches Ziel, das zwar dem Wohnungsbaupakt-Gesetz zugrunde liegt, von der aktuellen Regierung aber nicht mehr verfolgt wird.
Wäre das anders und herrschte darüber ein politischer Konsens auch über die aktuelle Mehrheit hinaus, wären Taxen und Grundsteuerreform viel leichter zu haben. Sie wären gemeinsam mit steuerlichen Anreizen Bestandteil einer Politik aus einem Guss. Und. Es würden viel mehr öffentliche Mietwohnungen entstehen.
Doch das, man muss es sagen, interessiert die DP-LSAP-Grünen-Regierung so wenig wie ihre Vorgängerin. Andernfalls würden die sechs Gemeinden mit „Taxen“ nicht als Studienobjekte für Auseinandersetzungen vor Gericht aufgefasst. Andernfalls könnte der Wohnungsbauminister auf Anfrage sagen, wie der Erfüllungsstand des Wohnungsbauprogramms der Regierung ist – doch das kann Marc Hansen nicht. Denn vermutlich ist über die Parteigrenzen hinweg konsensfähig, was 2013 nur die CSV ganz deutlich in ihr Wahlprogramm schrieb: Wohnen sei zwar „ein Menschenrecht“, doch „Luxemburg soll weiterhin über eine hohe Quote an Wohnungseigentümern verfügen“. Das sei ein „Garant für die soziale Kohäsion“. Mieter gehören demnach gar nicht zur Gesellschaft, sind entweder gutverdienende Expats, die bald wieder gehen, oder Sozialfälle, die eines suivi bedürfen. Solange dieser Konsens Bestand hat, macht es keinen großen Unterschied, ob die Politik für Besitzer eher nachfrage- oder angebotsorientiert ist.