Normen und Standards in der Pflege

De bonne guerre

d'Lëtzebuerger Land vom 05.02.2009

Niki Bettendorf, einst liberaler député-maire aus Bartringen und heute Verwaltungsratspräsident des dortigen Pflegeheims, der im Fernsehen erklärt, man könne nicht wirtschaften mit den Einnahmen aus der Pflegeversicherung. Sozialminister Mars Di Bartolomeo (LSAP), der unterstellt, Bettendorf habe seinen Laden nicht im Griff. Der Präsident des Pflegedienstleisterverbands Copas, der relativiert und sagt, ungünstig sei auf jeden Fall, dass noch zwei Kollektivverträge im Pflegebereich gelten. Der OGB-L, der sich solche Vorstöße verbittet und seine Personalvertreter mobil zu machen ankündigt: Welcher Konflikt schwelt um die Pflege?

Kein allzu akuter, aber dennoch ein bedeutsamer. Kein akuter, weil die Pflegegeversicherung keine Finanzierungsprobleme hat. Auch die OGB-L-Vertreter im Direktionskomitee der Gesund-heitskasse CNS denken derzeit über einen Modus nach, der wichtige Differenzen zwischen den beiden Kollektivverträgen ausgleichen soll. In Pflegeheimen, die dem Krankenhaus-Kollektivvertrag angeschlossen sind, gilt die 38-Stunden-Woche. 40 Stunden dagegen sieht der Kollektivvertrag „SAS“ des Sozial- und Pflegesektors vor: Macht im Jahr rund hundert Arbeitsstunden mehr und dieses Tarifabkommen für die Häuser im Jahresschnitt um acht Prozent preiswerter. Dass der OGB-L Personalkostenproble­me lieber nicht öffentlich löst, versteht sich: Tritt er doch gleichzeitig dafür ein, die Laufbahnen bestimmter Gesundheits- und Sozialberufe noch näher an die im öffentlichen Dienst zu führen. Gestern teilte er mit, es solle nur noch ein Tarifabkommen im Sektor geben – mit aufgewerteten Laufbahnen.

Der bedeutsamere Konflikt entsteht dadurch, dass Gestehungspreise für Pflegeleistungen überhaupt „im Schnitt“ von der Gesundheitskasse bezahlt werden, die die Pflegeversicherung verwaltet. Dadurch werden nicht nur Heime schlechter gestellt, die dem „ungünstigeren“ Kollektivvertrag angehören. Sondern zum Beispiel auch solche, die vergleichweise hochqualifiziertes Personal beschäftigen und es Leistungen ausführen lassen, die auch geringer Qualifizierte erledigen könnten: Der Leistungskatalog der Pflegeversicherung legt für jeden Pflegeakt, der abgerechnet werden kann, minimale Qualifikationsanforderungen, nicht jedoch auch Maxima fest.

Damit stellt sich die Frage nach Normen und Qualitätsstandards – um so mehr, da die Pflegeversicherung zehn Jahre alt geworden ist, „Reisegeschwindigkeit“ erreicht hat und verlässliche Daten produziert. Am Anfang war man gezwungen, mit Annahmen und Vereinfachungen zu operieren, nun könnte differenziert werden. Der Übergang sollte eigentlich gut zu lösen sein. Im Unterschied zu den Spitälern etwa, die ein individuelles Jahresbudget mit der Gesundheitskasse aushandeln, gelten für die Pflege in Heimen, aber auch durch mobile Dienste, Leistungspauschalen für jeden einzelnen Pflegeakt. Und seit einem Jahr gibt es eine vom Sozialminister berufene Qualitätskommission.

Allerdings soll diese Kommission keine Normen festlegen; vorerst nicht. Sondern zunächst erfassen, was – in den Heimen – zumal, geleistet wird und was unter Qualität verstanden werden kann. Erst anschließend soll sie Normen setzen. Vor allem die Dienstleister meinen, es müsse möglich sein, beides gleichzeitig zu tun. Ein wenig haben sie da die Gesundheitskasse auf ihrer Seite: Copas und CNS schlugen unlängst gemeinsam vor, ein Gremium ähnlich der Normenkommission zu bilden, die die CNS mit dem Klinikdachverband betreibt. In der CNS heißt es, dafür bestehe dringender Handlungsbedarf.

Fragt sich, wie der Minister entscheidet: Eine Normenkommission müsste durch Gesetzesänderung eingeführt werden. Dem Land sagte Mars Di Bartolomeo gestern, er verschließe sich der Idee nicht, sie sei bisher allerdings auch nicht so klar an ihn herangetragen worden. 

Peter Feist
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