Zum Wesen einer Volksbefragung gehört, dass sie ausnahmsweise den repräsentativen Parlamentarismus übergeht und die Wähler direkt um ihre Meinung fragt. Aber weil die Parteien die gesellschaftlichen Interessen bündeln und vermitteln, kommen sie nicht daran vorbei, Stellung zu den Themen des Referendums zu beziehen und damit den ihnen nahestehenden Kreisen Entscheidungshilfen zu bieten. Das haben tatsächlich alle Parteien in- und außerhalb des Parlaments getan. Wobei die Positionierung wenig überraschend nach dem gewohnten, aber schon oft totgesagten Links-rechts-Schema geschieht: Die linken und liberalen Parteien befürworten weitgehend die Vorschläge der Regierung, die rechten Parteien lehnen sie ab.
Die drei Regierungsparteien DP, LSAP und Grüne wählten während ihrer Klausur am 22. September 2014 in Senningen selbstverständlich nur die vier Themen für das Referendum am 7. Juni aus, die sie befürworten. Über Fragen, zu denen die Koalitionsparteien unterschiedliche Meinungen haben, sollen die Wähler am 7. Juni nicht abstimmen dürfen.
Anders die CSV, die sich als Oppositionspartei vor vollendete Tatsachen gestellt fühlte. Nach einer ersten Entscheidung der CSV-Leitung Mitte vergangenen Jahres, „viermal Nein“ zum Referendum zu sagen, machten sich in der Partei Befürchtungen breit, dass sie sich in einer Trotzhaltung isoliere. Diese Angst nahm noch zu, als die Regierung ein Abkommen mit dem Erzbischof über die Priestergehälter, den Religionsunterricht und die Kirchenfabriken unterzeichnete. Deshalb stimmte der Nationalrat der CSV am 9. Februar in Niederanven noch einmal ab. Dabei waren 84 Prozent der Delegierten gegen das legislative Ausländerwahlrecht. Für Fraktionspräsident Claude Wiseler war das erneute Nein zum Ausländerwahlrecht aber „keine Ablehnung, sondern ein anderer Weg zur Beteiligung“ der Immigranten, nämlich über die Staatsbürgerschaft. Die Herabsetzung des Wahlalters und die Begrenzung der Mandatszeit lehnt die Partei ebenfalls ab. Wenn der Wähler, so Marc Spautz, einem Politiker „einen ganz klaren Auftrag gibt“, sei es „nicht an jemandem anderen“, die Ausübung dieses Mandats durch eine Begrenzung der Mandatszeit zu verhindern. Inzwischen erklärte der Präsident der Christlich-sozialen Jugend, Charel Hurt, dass die Nachwuchsorganisation der CSV für das Ausländerwahlrecht und für eine Senkung des Wahlalters sei.
Für die ADR muss die Verfassungsreform im Rahmen von Artikel 114 der Verfassung stattfinden, so Gast Gibéryien am 6. Oktober während einer Pressekonferenz nach der Journée parlementaire, und „die Verfassungsprozedur sieht kein beratendes Referendum im Vorfeld vor“. Vielmehr setze die Prozedur einen breiten politischen Konsens voraus. „Wenn Gambia nun hingeht und sagt, wir machen ein konsultatives Referendum über spezifische Fragen, Fragen, die unserer Meinung nach zum Teil egal was sind, und zweitens auch kein präziser Verfassungstext sind“, dann müsste sich „die in der Verfassung vorgesehene Prozedur einem nicht in der Verfassung vorgesehenen Referendum unterwerfen“. Das ist „unserer Meinung nach ein Verfassungsbruch, den wir als ADR nicht mittragen.“ Das Wahlprogramm der ADR mache klare Aussagen zu den gestellten Fragen. Es lehnt ausdrücklich das legislative Ausländerwahlrecht, die Senkung des Wahlalters und die Begrenzung der Mandatszeit von Regierungsmitgliedern ab.
Die Linke war die einzige Partei, die der Einladung der Regierung nachgekommen war, zusätzliche Fragen für das Referendum vorzuschlagen. Sie wollte die Wähler auch nach ihrem Standpunkt zum Sozialstaat, zu Monarchie und zum Datenschutz befragen lassen. Aber die Mehrheit des zuständigen parlamentarischen Ausschusses lehnte erwartungsgemäß ab. Trotzdem kündigte die Linke während ihres Neujahrsempfangs am 16. Januar an, viermal beziehungsweise nun dreimal mit Ja stimmen zu wollen.
Die Kommunistische Partei Luxemburgs will während einer Sitzung ihres Zentralkomitees am nächsten Dienstag ihre endgültige Position festlegen und dabei das Referendum in einen größeren politischen Zusammenhang stellen. Was die drei am 7. Juni gestellten Fragen angeht, werde man sich laut Parteipräsident Aly Ruckert wohl am Wahlprogramm orientieren, welches das Wahlrecht auf 16 Jahre senken will. Das legislative Wahlrecht solle dagegen weiterhin von der Staatsbürgerschaft abhängig bleiben, aber der Ius soli soll eingeführt und die doppelte Staatsbürgerschaft nach einer Aufenthaltsdauer von drei Jahren gewährt werden. Die Begrenzung der Mandatsdauer von Ministern sei eine so unerhebliche Frage, dass die Partei sie sich noch nie stellte.
In einer Pressemitteilung beschwerte sich der ehemalige Abgeordnete Jean Colombera im Namen seiner Partei für integrale Demokratie, dass die Regierung die drei nicht im Parlament vertretenen Parteien „vom partizipativen Prozess in Bezug auf das Referendum ausgeschlossen“ habe. Die Pid protestiere gegen diese Willkür. „Falls keine Kurskorrektur erfolgt, rufen wir unsere Mitglieder auf, am Tag des Referendums nicht abstimmen zu gehen. Wir geben unsere Stimme nicht in einem undemokratischen Land ab.“
Auch die Piratenpartei bedauerte während einer Pressekonferenz am 19. Januar, dass sie nicht an den vom Parlament organisierten Informationsversammlungen teilnehmen dürfe. Sie befürwortet die Senkung des Wahlalters und das legislative Ausländerwahlrecht, lehnt aber eine Begrenzung der Mandatsdauern ab. Ungeachtet des Abkommens mit den Religionsgemeinschaften sollen die Wähler im Referendum um ihre Meinung über die Finanzierung der Priestergehälter gefragt werden. rh.