Das neueste Werk des 83-jährigen Schriftstellers und Regisseurs Woody Allen, A rainy day in New York, ist der 49. Spielfilm einer beachtlichen Filmographie, die seit Ende der 1960er Jahre, über einige Pausen hinweg, eine konstante Häufigkeit von einem Film pro Jahr beibehalten hat.
Als die junge Journalismus-Studentin Ashleigh Enright (Elle Fanning) das Angebot erhält, den berühmten Filmemacher Roland Pollard (Liev Schreiber) in New York zu treffen, um ihn für die College-Zeitung zu interviewen, beschließt sie zusammen mit ihrem Freund Gatsby Welles (Timothée Chalamet), die Gelegenheit zu nutzen, um einen unvergesslichen Tag in der Metropole zu verbringen. Doch was als romantischer Ausflug geplant ist, wird schnell zu einem allzu chaotischen Abenteuer und einer existenziellen Sinnsuche ...
Die titelgebende Standortbestimmung dürfte mit Blick auf Woody Allens filmisches Schaffen kaum verwundern. Der Regisseur aus Manhattan hat eine Vielzahl seiner Filme in seiner Heimatstadt angesiedelt. Nachdem er mit Wonder weel (2017) jüngst ein skurriles Coney Island zeigte, kehrt er mit A rainy day in New York wieder in seine Lieblingsstadt zurück – und seine werkkonstanten Stilmittel sind unschwer auszumachen: Sowohl die bissigen Kommentare über Liebe und den Unterschied zwischen New York und Arizona, als auch die wendungsreichen Handlungsstränge, zwischen denen Allen geschickt alterniert, sorgen für kurzweilige Unterhaltung. Seine äußerst raffiniert geschliffenen Dialoge stehen hier einmal mehr für den unverwechselbaren pointierten Humor, den seine Komödien kennzeichnen.
Mit dem neurotischen, dürren, klugen und kritischen New Yorker, der sich auch als echter Charmeur erweist, hat Woody Allen spätestens seit Annie Hall (1977) die selbstironische Verklärung eines neuen Typs gefunden: den melancholischen Verlierer. Dieser Gatsby Welles, das ist in vielerlei Hinsicht eine jüngere Version des von Woody Allen verkörperten Stadtneurotikers. Dass Gatsby aus der Oberschicht stammt, ist bezeichnend, denn er kennt keine materiellen Sorgen, ihn plagen vielmehr existenzielle Verunsicherung und die Zweifel an der eigenen Selbstverwirklichung. Seine zweifelhafte Beziehung mit Ashley ist dabei mehr als Ausdruck der eigenen Krise zu verstehen.
Elle Fanning gibt diese junge Studentin aus Tucson/Arizona, für die die Filmwelt zum Studienobjekt wird. Sie ist bei weitem nicht so weltgewandt wie Gatsby, aber sie übt eine ähnliche Faszination auf die Filmkünstler aus wie die Studentin Rain (Juliette Lewis) auf ihren Lehrer in Allens Husbands and wives (1992). Freilich fühlt sich Ashley gleichermaßen von den Filmschaffenden angetan, die allerdings wollen sie nur ausnutzen. Das wird vor dem Hintergrund der Metoo-Debatte für Empörung sorgen, zumal Allen selbst Vorwürfen des sexuellen Übergriffs ausgesetzt ist. Freilich werden die Vertreter dieser Filmbranche mit all ihren manisch-depressiven Zügen ins Lächerliche gezogen und in keiner Weise in ihrem Handeln affirmiert. Fanning hingegen baut Allüren in ihr Spiel ein, die sie bei aller Naivität ins Charmant-Selbstironische gleiten lassen. Egal wie man dieses Frauenbild auch bewerten mag, die Figurenkonstellationen und das Zusammenspiel dieses Schauspielensembles schaffen eine dynamische Komik, die zum Lachen einlädt.
Der eigentliche Hauptdarsteller des Films ist allerdings New York: Vor dem Hintergrund der Stadtkulisse inszeniert Allen die wiederkehrende Obsession einer „romantischen Liebe“, die sich hier in einem überaus stilvollen Setting verregneter Straßen entfaltet und sich damit natürlich ebenso als filmisch-romantische Konstruktion zu erkennen gibt. Das tut der glanzvollen Szenerie allerdings keinen Abbruch. Allen zeigt eine Metropole, die sogar bei regnerischem Wetter ihre ganz eigene magische Anziehungskraft ausstrahlt, ja, wie sie eigentlich nur im Kinofilm existieren kann. Aus diesem Umstand heraus vermag der Film es auch, eine märchenhafte Aura auf den Zuschauer zu übertragen. Die Sehnsucht nach der einzigartigen, großen, romantischen Liebe ist hier allerdings sehr gefühlvoll gehalten und wirkt deshalb weniger ironisierend als in vorherigen Filmen Woody Allens. Stattdessen schwelgt sie viel eher in einer milden Melancholie.