Parasite gewann bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes als erster südkoreanischer Film die Goldene Palme für den besten Film und avanciert gerade in Südkorea zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres. Der Regisseur Bong Joon Ho präsentiert eine tiefschwarze Tragikomödie, in deren Mittelpunkt die vierköpfige Familie Kim steht, und die hat es momentan gar nicht leicht. Weil sie in äußerst ärmlichen Umständen leben, kommt die Gelegenheit für den Sohn gerade recht, sich als Englischnachhilfe bei den sehr reichen Parks anzubieten. So kommt es, dass die Kims sich mit ungeniertem Mut zum Eigennutz bei den Parks einnisten und doch ist eine Besserung der sozialen Verhältnisse, geschweige denn deren Überwindung, in Sicht...
Eigentlich liegt unter dieser auf den ersten Blick äußerst amüsanten Komödie eine bittere Sozialstudie, die durchweg Genreregister aufbricht und vermischt, sodass nie ganz klar ist, wo dieser Film hinsteuern wird. Es ist unübersehbar, dass die Familie Kim und die der Parks in einem kontrastreichen Spannungsverhältnis zueinander stehen, und dass darin, das eigentliche Zentrum des Films liegt. Auch korrespondiert besonders die Lichtgestaltung mit dieser Einteilung. Da wo die Wohnung der Kims spärlich ausgeleuchtet ist, da ist das großräumige Familienhaus der Parks überwiegend lichtdurchflutet. Überhaupt wirkt dieses Haus wie direkt aus einem Katalog entnommen. So ist es auch an Sauberkeit kaum zu überbieten, es wirkt beinahe so, als müsse doch jegliches Ungeziefer an dieser beinahe klinischen Reinlichkeit zugrunde gehen. Darauf scheint der Film hinauslaufen zu wollen, denn die „parasitäre“ Familienbande kann in diesem neuen Wohnraum eigentlich nicht bestehen; kaum irgendwo deutlicher zeigt sich das als bei der finalen Gartenparty, bei der auch Horrorelemente Einzug halten.
Die Kluft zwischen Arm und Reich, denjenigen die zu viel haben und denjenigen die zu wenig haben, die hat Bong schon in dem Science-Fiction Film Snowpiercer aufgezeigt, in dem ein Reisezug die Klassentrennung über einzelne Wagons vollzog und somit horizontal anlegte. In Parasite sind diese Unterschiede viel eher vertikal inszeniert – die Begriffe Ober- und Unterschicht werden hier buchstäblich genommen. Die prekäre Situation, die in dieser schäbigen, heruntergekommenen Wohnung in einer nicht weiter definierten Großstadt irgendwo in Südkorea ihreren visuell deutlichsten Ausdruck findet, wird für die Kims zum Antriebsmoment, sich ihres Elends zu entledigen. Diese Kims sind gleichsam der Gestalt gewordene Widerspruch einer modernen, kapitalistischen südkoreanischen Gegenwart; ihr egoistischer Aufstieg von ganz unten nach oben stellt in gewissem Sinne die „logische“ und sogar „verdiente“ Konsequenz aus vorherigen Versäumnissen der Gesellschaft dar.
Und doch weiß Bong, diese vierköpfige Familie ihrer Skrupellosigkeit zum Trotz ins Liebenswert-Sympathische oszillieren zu lassen. So fügt er immer wieder Momente ein, die die als selbstverständlich empfundene Erhabenheit dieser reichen Oberschicht gegenüber dem kleinen Mann ausstellen. Für den wohlhabenden Geschäftsmann ist Armut nur sinnlich erfahrbar, nämlich über den Geruch, und damit offenbart er das fundamentale Unverständnis mit seinem Angestellten mitzufühlen, geschweige denn helfen zu wollen. Bezeichnenderweise spricht Park denn auch von (Trenn-)Linien, die nicht überschritten werden sollen. Es sind ebendiese Momente, die letztlich das Unvermögen der Reichen, die Armen zu verstehen, offenbaren, und so suggeriert der Film, dass diese materielle Kluft unabdingbar auch mit einer emotionalen verbunden ist, dass die eine ohne die andere nicht zu überwinden ist.
Bong erzählt davon in einer äußerst skurrilen, fast märchenhaften Geschichte, die dank anziehenden Figuren und Konstellationen ein komplexes Gesellschaftsbild darlegt.