Die Welt, wie wir sie kennen, existiert nur noch als künstliches Programm, die so genannte Matrix. Keanu Reeves gibt in dem gleichnamigen Film die Hauptfigur, die ein Doppelleben führt: Tagsüber ist er der pflichtbewusste Thomas Anderson, nachts der Hacker Neo, der seinen Kunden illegale Computersoftware beschafft. Seine Realität ist jedoch eine computergenerierte Scheinwelt, die von Maschinen mit künstlicher Intelligenz gesteuert wird. Bis auf den mysteriösen Morpheus (Laurence Fishburne), dessen Mitstreiterin Trinity (Carrie-Ann Moss) und eine Truppe von Rebellen wird die gesamte Menschheit, die sich in einem Tiefschlaf befindet und von den Maschinen ausgebeutet wird, in dieser Scheinwelt mit der Illusion eines perfekten Alltags genährt. Morpheus ist überzeugt, dass Neo der „Eine“, der heilsbringende Auserwählte ist, der den Kampf gegen die Maschinen aufnehmen kann.
Matrix war 1999 ein entscheidender Beitrag zum Science-Fiction-Genre, der neue Maßstäbe setzte. Nun ist zum zwanzigjährigen Jubiläum eine restaurierte Fassung des Films in den Kinos gestartet. Andy und Lana Wachowski beschwören als Regie-Duo mit Matrix ein postapokalyptisches Szenario, das sich um die Jahrtausendwende in eine Reihe von Mystery- oder Endzeit-Filmen einfügte (etwa The Ninth Gate, End of Days oder eXistenZ, alle 1999), die um Identitätsängste, den Wirklichkeitsverlust und die Stellung des Individuums in der Welt kreisten. Umstandslos lässt sich Matrix dem Kino der Neunziger zurechnen, so augenfällig spielerisch verbanden die Wachowski-Brüder populärkulturelle Elemente mit mythischen Stoffen.
Die Anlehnungen an die christliche Heilslehre sind ebenso unübersehbar wie die Referenzen an Alice in Wonderland oder The Wizard of Oz. Der Auserwählte, der als Thomas Anderson stirbt und als Neo wiedergeboren wird, steht überdeutlich für Jesus Christus. Da gibt es ebenso den Judas, der seine Gemeinschaft verrät; Morpheus, das ist der griechische Gott der Träume, und sein Schiff, die Nebuchadnezzar, spielt auf den babylonischen König an, der der Bedeutung seiner Träume habhaft werden wollte. Die Zitierfreude ist groß und kennt dabei – ganz im Sinne des postmodernen Kinos – keine Unterscheidung zwischen Hoch- und Populärkultur. Aufsehen erregte Matrix aber auch für seine aus dem Hong-Kong-Kino entlehnten Kung-Fu-Action-Sequenzen, die mit den spektakulären und wegweisenden Spezialeffekten (beispielsweise dem Bullet-Time-Effekt) kombiniert wurden.
Dass die echte Erfahrung von Realität und die Unterscheidung von Wirklichkeit und Simulation sich zunehmend auflösen, sind Ideen, die besonders in der Postmoderne-Debatte verhandelt wurden, mit der auch der französische Philosoph Jean Baudrillard schnell in Verbindung gebracht wurde. Tatsächlich war Baudrillard eine wichtige Inspirationsquelle für die Wachowskis – sie erweisen ihm sogar ihre Reverenz: Als Neo einem Kunden illegale Software verkauft, versteckt er diese in einem ausgehöhlten Buch: Baudrillards Simulacra and Simulation. Der Philosoph meinte jedoch später, die Macher hätten seine Philosophie missverstanden. Freilich ist der Film eher am erkenntnistheoretischen Skeptizismus interessiert und weniger an Jean Baudrillard. Nichtsdestotrotz ist Matrix ein mutiger Versuch, philosophische Konzepte in das publikumsträchtige Mainstream-Kino zu integrieren, um so für anspruchsvolle Unterhaltung zu sorgen.
Mit Matrix Reloaded und Matrix Revolutions erschienen 2003 zwei Fortsetzungen. Ein vierter Teil wurde nun offiziell angekündigt.