Als Umweltminister Lucien Lux (LSAP) im März vergangenen Jahres eine TNS Ilres-Umfrage über die Wahrnehmung von Umweltproblemen durch die Bevölkerung vorstellte, registrierte er voller Genugtuung, dass 78 Prozent der Befragten den Umweltschutz für „wirklich sehr wichtig“ oder „sehr wichtig“ hielten. Kein halbes Jahr später jedoch zeigte die Zoll- und Akzisenverwaltung sich von der Aufgabe überwältigt, die neue, CO2-abhängige KFZ-Steuer korrekt einzutreiben. Wahrscheinlich lag es auch am Zorn der Autobesitzer im Lande, dass Lux’ Popularität laut Tageblatt-Politbarometer zwischen Juni 2007 und Dezember 2007 um zehn Prozentpunkte einbrach.
Solche Mechanismen können im Wahlkampf nächstes Jahr erneut greifen. Zumal er bei laufender Weltwirtschaftsrezession stattfinden muss und sich vielleicht nicht nur um den Index drehen wird, sondern auch um Fragen wie die Finanzierung des Sozialstaats. Je schlechter die Volkswirtschaftsprognosen aber ausfallen und je öfter es heißt, die Entwicklung im kommenden Jahr sei kaum vorhersehbar und die in den Jahren danach schon gar nicht, desto gefragter werden berechenbare Krisenmanager und keine Experimente.
Vermutlich auch keine ökologischen Experimente: Dass in der Umweltumfrage von TNS Ilres 93 Prozent der Befragten den Klimawandel, 91 Prozent das Abfallproblem und 90 Prozent die Luftverschmutzung „interessante Themen“ nannten, muss dazu nicht im Widerspruch stehen. Trotz Krise rangierte im jüngsten Politmonitor des Luxemburger Wort der Klimawandel nach Arbeitslosigkeit und Schulpolitik auf Platz drei der für am drängendsten gehaltenen politischen Probleme.
Doch schon die Umfrage für den Umweltminister hatte ergeben, dass in der Bevölkerung die Bereitschaft zum Mittun in Richtung mehr Energieeffizienz um so größer ist, je weniger Anstrengungen es kostet – wie etwa der Kauf von Energiesparlampen – oder je mehr es staatlich bezuschusst wird, wie der Kauf von weniger Sprit verbrauchenden Autos oder die bessere thermische Isolation von Eigenheimen. Diesen Optionen wurde zu 80 bis 90 Prozent zugestimmt. Weniger Fleisch zu essen oder näher gelegene Feriendestinationen anzusteuern war dagegen ähnlich weniger populär wie die Aussicht auf strengere Umweltverordnungen oder eine Ökosteuer, die um die 60 Prozent Zustimmung fanden. Den Sprit zu verteuern, hielten nur 26 Prozent der Befragten für eine gute Idee.
Im Sommer hatten die Grünen Gréng Pisten aus der Uelechfal vorgestellt, die DP ein Positionspapier zu einer Umweltpolitik, die Zukunft hat. Beide Parteien reagierten damit auf die damals extrem gestiegenen Energiepreise. Da diese mit der Rezession wieder stark zurückgegangen sind, fragt sich, was von den Positionen vom Sommer Eingang in die Wahlprogramme findet.
Für die DP, die ihr Programm noch nicht verabschiedet hat, sollen dem Vernehmen nach Umwelt- und Energiepolitik zu einem von voraussichtlich acht Schwerpunktthemen werden. Es soll sich stark auf Umweltpolitik, die Zukunft hat stützen. Markant an dem im Juni veröffentlichten Positionspapier ist, dass Umweltfragen darin als Wellness-Fragen aufgefasst werden. „Gezielt fördern, gerecht fordern“ lautet das Credo. Die DP, die zwischen 1999 und 2004 den Umweltminister und den Umweltstaatssekretär stellte, will es so verstanden wissen, dass zunächst der Staat, veranlasst durch eine voluntaristische Politik, mit einem einzigartigen Förderaufwand noch dem letzten Hausbesitzer ermöglichen soll, ein energieeffizientes Haus zu besitzen. Bis dahin sei die Bevölkerung noch nicht „reif“ für Maßnahmen wie etwa Ökosteuern. Diese sollten erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt werden, „etwa ab dem Jahr 2020“, meinte DP-Präsident Claude Meisch damals (d’Land, 6. Juni 2008).Würde das Umweltkapitel im DP-Wahlprogramm der gleichen Linie folgen, könnte es besser zu einem Kaufkraftwahlkampf passen, als das Programm der Grünen, die als einzige Partei ihr Programm schon im Oktober verabschiedet haben (d‘Land, 10. Oktober 2008).
Das war, als auch der Statec fürs Wahljahr noch um die vier Prozent BIP-Wachstum versprach, und so liest das grüne Programm sich heute um so reaktiver angesichts der Krise: Schon in der Präambel ihres Programms versprechen Déi Gréng nicht weniger als den „ökologischen Umbau der Wirtschaft“. Andererseits ist der Begriff alles andere als neu, und den einschlägigen Erhebungen zufolge mochten die Wähler der Partei seit ihrer Gründung noch nie viel Wirtschaftskompetenz zuerkennen. Bei der letzten, von Déi Gréng selbst bei TNS Ilres in Auftrag gegebenen und im April vergangenen Jahres öffentlich vorgestellten Umfrage zum Beispiel meinten 44 Prozent der Befragten, die Grünen trügen „sehr stark“ oder „stark“ zum klimaschutzpolitischen Fortschritt im Lande bei. Zu der gleichen Meinung über die CSV kamen nur 16 Prozent der Befragten, über die LSAP, die immerhin den Umweltminister stellt, nur 15 Prozent. Nur 29 Prozent der Befragten aber waren „völlig einverstanden“ oder „einverstanden“ mit der Feststellung, „les Verts proposent des alternatives concrètes dans la politique économique, avec leurs propositions des emplois peuvent être crées dans de nouveaux secteurs de l’industrie“.
Das Risiko besteht, nicht ernst genug genommen zu werden – dabei ist die Klima- und Energiefrage für die Grünen nicht nur im Umweltkapitel ihres Wahlprogramms zentral: Die Spitze der Erdölförderung sei bereits 2007 überschritten worden, die in der derzeitigen Rezession auf den Märkten entstandenen niedrigen Energiepreise dürften nicht falsch verstanden werden. Sie werden erneut stark ansteigen, sobald die Konjunktur wieder anspringt, so die These.
Weit darüber hinaus gehend, gelangen Déi Gréng zu einer volkswirtschaftlichen Feststellung. Sie liest sich ähnlich wie die Kritik des Nachhaltigkeitsrates am Luxemburger Wohlstandsmodell (d’Land, 17. Oktober 2008), nach der die Volkswirtschaft zu einseitig auf den Finanzsektor ausgerichtet, der Bankenplatz noch zu stark auf Souveränitätsnischen gegründet, die Staatsfinanzen zu stark abhängig vom Tanktourismus sind und der Umgang mit Ressourcen zu verschwenderisch ist. Und so bleiben Déi Gréng nicht nur Energiespar- und Effizienzmaßnahmen sowie die Nutzung erneuerbarer Energien regelrecht planen, den öffentlichen Transport weiter ausbauen und Forschung und Entwicklung fördern: Endlich soll der „ökofiskale Umbau“ stattfinden, die Steuerbelastung des „Faktors Arbeit“ verringert und die des „Faktors Ressourcen“ erhöht werden.
Das sind die besonders interessanten Punkte im grünen Programm, denn mit ihnen gerät die Umweltprogrammatik in den Nachhaltigkeitskontext mit Wirtschafts- und Sozialpolitik, wo der Wettbewerb um die Macht eigentlich stattfindet. Wenn die Grünen, wie ihr Fraktionspräsident François Bausch meint, „ja nicht allen gefallen müssen“ und im Wahlkampf „deutlicher als alle anderen Parteien die derzeitige Krise thematisieren“ wollen, klingt das, als ginge man das Risiko ein, sich deutlich unterscheiden zu wollen. „Thematisieren“ soll heißen: Das Wachstumsmodell Luxemburg ist ausgeträumt. Plus zwei Prozent BIP mehr im Jahr sind künftig ein Erfolg – mit allen Konsequenzen für den Sozialstaat, dessen derzeitiger Finanzierungsmodus im längerfristigen Schnitt die doppelte Wachstumsrate verlangt.
Was aus dem ökologischen Umbau werden könnte, entscheidet sich genau hier. Bisher ist für die Grünen ausgemacht, dass am Solidarprinzip der sozialen Absicherung nicht gerüttelt, diese aber viel zielgerichteter als heute sein soll und Ökosteuern das Sozialsystem finanzieren helfen sollen. All das klingt jedoch bestenfalls theoretisch, hier ist der Erklärungsbedarf besonders groß. Inwiefern könnten und sollten vielleicht sogar „zielgerichtetere“ Sozialausgaben am Ende und je nach weiterem Krisenverlauf die Individualisierung von Risiken bedeuten? – So klar ist das noch nicht.