Er sei der letzte Kommunist, hatte Premier Jean-Claude Juncker kürzlich bei einem Pressebriefing behauptet. Wenig überraschend, dass mit einem solchen Vorbild der Kommunismus vielen noch Angst einjage, konterte David Wagner von déi Lénk frech in der Rubrik „Zu Gast“ im Land wenig später, in der er den Kapitalismus „mit dem Rücken an der Wand“ sieht. Für den Moment scheint der Lauf der Geschichte den Linken Recht zu geben: Seit die Banken in der Krise sind, gibt es kaum einen, der sich nicht über die Gier der Börsenspekulanten empört. Konservative Politiker setzen sich für die Verstaatlichung von Banken und ganzer Industriezweigen ein. Kapitalismuskritik ist in. Man inszeniert sich als Kassandra-Rufer einer Krise, die man doch selbst mit entsprechenden Gesetzen erst möglich gemacht.
Anders déi Lénk. Sie können mit einiger Berechtigung sagen, vor den Gefahren des kapitalistischen Systems schon lange vorher gewarnt zu haben, ohne plötzlich rot – vor Scham – werden zu müssen. Der Energiesektor gehöre in öffentliche Hand, und auch die anderen öffentlichen Dienstleistungen, wie die Post und der Gesundheitssektor, dürften nicht neoliberalen Marktlogik zum Opfer fallen, schrieb Déi Lénk 2004, als es in Brüssel um die Bolkestein-Direktive ging. Da war von weltweiter Krise noch nichts zu sehen. Viel nützen werden den Linken ihre Besserwisserei dennoch nicht. Und das nicht nur, weil schon Marx und Lenin die Anpassungsfähigkeit des Kapitalismus unterschätzt hatten. Von Neujustierung nach der Krise, von Politikwechsel keine Spur. Nach der Krise ist vor der (nächsten) Krise.
Immerhin: Laut aktueller Tageblatt-"Sondesfro" legt déi Lénk von 1,99 Prozent im Juni 2004 auf 2,8 Prozent im Zentrum zu, im Süden klettern sie von 2,28 auf nunmehr 2,8 Prozent Zustimung. Sollten sich die Prognosen bewahrheiten, wäre das kein schlechtes Ergebnis für eine Partei, die sich selbst als „basisdemokratische linke Bewegung“ beschreibt und die seit ihrer Niederlage bei den Parlamentswahlen 2004 nur noch auf Gemeindeebene und außerparlamentarisch existiert. Die das Geld für den Wahlkampf mühsam zusammenklauben muss, dringend auf Spenden angewiesen ist. Mindestens zwei Prozent Wählerstimmen braucht déi Lénk, um in den Genuss der durch das neue, von déi Lénk aber als ungerecht kritisierte Parteienfinanzierungsgesetz in Aussicht gestellten Finanzspritze zu kommen.
Nun müht sich die Partei mit ihren rund 200 Mitgliedern, von denen aber nur das übliche Bruchteil aktiv ist, ihre Sympathisanten an die Wahlurnen zu locken, und hat dafür, ergänzend zu einem Zehn-Punkte-Programm und einem neuen Logo, eine dreiphasige Polit-Kampagne ausgearbeitet. Die erste Etappe bildete im Juni das Thema Kaufkraft, mit 44 000 Broschüren an Haushalte im Süden verteilt. Drei Monate später war der Bankencrash. Seit etwa zwei Wochen steht etwas einsam und verlassen ein rotes Schild am Pariser Platz. Auftakt des zweiten Schwerpunktthemas: Recht auf Wohnraum, das allerdings ähnlich spröde angegangen wird wie schon die Kaufkraft. Ob der dritte Schwerpunkt – die Nachhaltigkeit – tatsächlich kommt, will die Arbeitsgruppe Wahlen noch einmal überdenken. Klar ist: Die Themen haben sich nicht groß verändert. Schon in der Wahlkampagne 2004 standen Kaufkraft, Wohnraum, politische Partizipation im Mittelpunkt. Der sechste Kongress am 14. Dezember im Bonneweger Casino ist ganz der Krise des Kapitalismus und den Antworten der Linken darauf gewidmet.
David Wagner bleibt jedenfalls mit beiden Füßen am Boden. „Wir wissen nicht, ob wir in die Chamber einziehen werden. Zwei Prozent wären schon ein Erfolg.“ Den Sprung ins Parlament sollen vor allem jüngere Wähler und enttäuschte Arbeiter und Angestellte ermöglichen. Dafür setzt déi Lénk auf Social Network-Plattformen wie Facebook und Youtube. So soll insbesondere die Jugend angesprochen werden, die sich, das haben Medienstudien ergeben, heute eher im Internet informieren als eine Zeitung zu lesen oder Fernsehen zu schauen. Dumm nur, dass sich mittlerweile fast alle Parteien dort drängeln: Erna Hennicot-Schoepges (CSV), Jeannot Krecké (LSAP), Viviane Loschetter (Déi Gréng) sind „drin“. Mit ihrem Online-Newsletter goosch.lu haben Déi Lénk sich ein klein wenig Luft verschafft, um wie Barack Obama den „Facebook effect“ (Washington Post) zu zünden, braucht es allerdings eine ausgefeilte Medienstrategie – und vor allem ehrenamtliche Technikfreaks, die sich vom „online excitement“ anstecken lassen und den Funken weiter tragen. Dass es derer viele in den Reihen von déi Lénk gibt, darf getrost bezweifelt werden.
In der Partei haben sich, auch dank der Kampagne gegen die Europäische Verfassung, die Arbeitsgruppen zwar etwas verjüngt, aber an der Spitze der Wahllisten werden nächstes Jahr wie gewohnt überwiegend ältere graumelierte Herren zu sehen sein: André Hoffmann, Justin Turpel und Serge Urbany sind sichere Kandidaten. Bekanntere Mitstreiterinnen sind Fabienne Lentz, die sich auf Europathemen spezialisiert hat, und Melanie Noesen. Die Sonderpädagogin war in den letzten Monaten wegen ihres starken Engagements bei der Versuchsschule Eis Schoul aber kaum öffentlich für déi Lénk in Erscheinung getreten.
Noch etwas setzt den Linken zu: der Dauerstreit mit den Kommunisten. Französische Verhältnisse gibt es in Luxemburg zwar nicht, aber der Graben zwischen Kommunisten und Neuen Linken klafft unverändert, trotz mehrfacher Gesprächangebote. Jetzt sei „Schluss mit dem Hinterherlaufen“, so Sprecher David Wagner. Der Preis für die anhaltende Trennung ist vermutlich ein bekannter: Es wird auch im nächsten Jahr keine ernstzunehmende linke Kritik im Parlament geben.