Es ist noch nicht so lange her, da wurde regelmäßig auf Krautmarkt der Satz der irischen Körperschaftssteuer als Goldstandard des europäischen Steuerdumpings gelobt und der „keltische Tiger“ als gefährlichster Konkurrent des Luxemburger Finanzplatzes gefürchtet. Heute stehen die irischen Banken vor dem Krach, und dass er noch nicht erfolgt ist, geht auf das verzweifelte Versprechen der irischen Regierung vor zwei Jahren zurück, für die Banken gerade zu stehen. Damals sah sich auch die Luxemburger Regierung gezwungen, zumindest für die Einlagen der Luxemburger Banken zu bürgen, und sie kann nun aus der ersten Reihe mit ansehen, wozu es führt, wenn ein zu kleines Land einen zu großen Finanzplatz stützt: Durch ihre Verstaatlichung werden aus Bankenschulden Staatsschulden, bis dem Staat das Geld ausgeht.
Damit ist die im Frühjahr, nach einer dramatischen Rettungsaktion zugunsten der griechischen Staatsfinanzen vielerorts für erfolgreich beendet erklärte Krise der Staatsfinanzen im Euro-Raum wieder da. Irland und Griechenland sind derzeit die Euro-Länder mit dem höchsten Staatsdefizit – gefolgt von Spanien, Frankreich und Portugal, jenen Ländern, die fürchten, in noch offener Reihenfolge die nächsten Opfer der Krise zu werden. Vielleicht um zusätzlichen Druck auf die irische Regierung auszuüben, die sich gegen die Zwangsverwaltung durch Kommission und Internationalen Währungsfonds sträubt, warnte der ständige Ratsvorsitzende Herman Van Rompuy am Dienstag öffentlich vor einer „lebensbedrohenden Krise“ des Euro und damit der Europäischen Union.
Auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise hatten sich die Euro-Staaten zu der Einsicht durchgerungen, dass, entgegen dem Maastrichter No-bail-out-Prinzip, eine gemeinsame Währung ein gewisses Maß an Solidarität verlangt, und einen auf Kirchberg angesiedelten Rettungsfonds, die European Financial Stability Facility S.A., gegründet. Entsprechend dieser Abmachung bewilligten die Luxemburger Abgeordneten, nach einer 3-Milliarden-Garantie für Dexia, am 1. Juli blitzschnell und fast einstimmig eine staatliche Garantie über 1,15 Milliarden Euro für den Fonds. Anschließend ließen sie wohl in der nahen Kathedrale heimlich Kerzen brennen, auf dass die Garantie, die immerhin drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht, nie fällig würde. Doch wer kann heute schon gewährleisten, dass die Rechnung aufgeht, dass nicht weitere Euro-Länder oder gar einmal das eine oder andere größere Euro-Land in Zahlungsschwierigkeiten gerät?
Dabei ist der Auslöser, wenn auch nicht die Ursache, der nun wieder ausgebrochenen Krise inzwischen ausgemacht: Einwände von Regierungschefs bei dem EU-Gipfel vor drei Wochen, dass bei einer Institutionalisierung des einstweilen bis 2013 befristeten Rettungsfonds dafür gesorgt werden müsse, dass auch die Investoren einen Teil ihres entsprechend verzinsten Investitionsrisikos tragen. Obwohl inzwischen betont wurde, dass von solchen Einschränkungen die nun geplante EU-weite Verstaatlichung der irischen Bankenschulden noch nicht betroffen sein wird, ist die Forderung nicht bloß als Populismus und Wahldemagogie abzutun. Denn gerade in einer Zeit, da in allen Euro-Staaten drastische Einsparungen und Steuererhöhungen durchgesetzt werden, könnte sich Van Rompuys Befürchtung bewahrheiten – wenn auch anders als gemeint: dass die gemeinsame Währung und damit das europäische Modell zwar zum Preis von Hunderten von Milliarden technisch gerettet würde, aber politisch tot wäre. Erste Anzeichen waren die Ergebnisse europapolitischer Referenden der letzten Jahre – von Irland, wo wiederholt gewählt werden musste, bis Luxemburg, wo die Mehrheit sehr knapp ausfiel.