Der sozialistische Basismilitant aus dem Minette-Becken muss am Sonntag um sechs Uhr aufstehen. Denn die LSAP hat ihn für neun Uhr zu ihrem ordentlichen Parteitag in die nördlichste Arbeiterstadt des Landes bestellt, das von LSAP-Generalsekretär Romain Schneider geführte Wiltz. Dafür wird aber der vor allem aus fernsehgerechten Ansprachen der Parteigranden und einer Statutenänderung bestehende modische Kurzkongress schon in der Mittagsstunde zu Ende gehen.
Bereits letztes Jahr in Junglinster hatte die LSAP ihren Parteitag auf einen Vormittag verkürzt. Nachdem einige Delegierte wieder einmal erfolglos versucht hatten, unter Berufung auf das versprochene Einheitsstatut den „Arbeiter“ aus dem Parteinamen zu streichen, hatten am Nachmittag ein Minister, eine Abgeordnete und zwei Parteifunktionäre über „soziale Kohäsion“ diskutiert. Weil die meisten Delegierten aber schon zum Mittagessen nach Hause gefahren waren, wurde diesmal auf eine Nachmittags-Talkshow in Wiltz verzichtet.
Parteivorsitzender Alex Bodry pochte am Dienstag dieser Woche darauf, dass der Wiltzer Parteitag kein Wahlkongress werde und seine Partei, anders als die Opposition, die schon Zeit für Wahlkampf habe, noch wichtige Regierungsarbeit erledigen müsse. Aber das Kongressmotto: „Nët genuch fir ze liewen. Géint den Aarmutsrisiko an enger räicher Gesellschaft“ sieht doch schon nach heraufziehendem Wahlkampf aus.
Denn besonders wenn sie einer Regierungskoalition angehören, wird es in jedem Vorwahljahr für die Sozialisten Zeit, wieder ihr soziales Profil zu schärfen. So warnt der am nächsten Sonntag vorgelegte Resolutionsentwurf, wie die Privatbeamtenkammer in ihrem neuen Le panorama social du Luxembourg : éléments statistiques, vor den zunehmenden Unterschieden zwischen Arm und Reich und der wachsenden Zahl von Working Poor. Der Entwurf untersucht jedoch nicht, wie so etwas bei 20 Jahren LSAP-Regierungspolitik in den letzten 25 Jahren passieren konnte.
Ein großer Teil der LSAP-Delegierten – wie auch der LSAP-Wähler – dürften die sozialpolitische Herangehensweise schön und gut finden. Aber die leere Geldbörse auf dem Kongressplakat wird sie vor allem hellhörig machen, wie ihre Partei es mit dem Index hat.Denn für keine andere Partei spielt die Gretchenfrage zum Index eine derart große Rolle wie für die LSAP, die sich immer als historische Schutzmacht des Luxemburger Sozialstaats versteht. Deshalb ist es vielleicht kein Zufall, dass die LSAP auch die erste der großen Parteien ist, die sich auf einem Parteitag zu einer Aussage genötigt sieht, wie es nach 2009, wenn das Tripartite-Gesetz ausläuft, mit dem Index weitergehen soll.
Die Delegierten über vierzig werden sich daran erinnern, dass die LSAP schon einmal mit einem, wie derzeit vom LCGB beschworenen, „Index-Wahlkampf“ die Wahlen gewonnen hatte – wenn auch aus der Opposition heraus und mit Hilfe der Gewerkschaften. Das war 1984, als die Partei nach einer Serie von Indexmanipulationen versprochen hatte: „Die Sozialisten werden wieder für regelmäßige Anpassungen an die Preisentwicklung sorgen“ und „die Wiederherstellung des automatischen Indexmechanismus sichern“.
Deshalb wird es auch interessant sein, ob die für Sonntag vorbereitete, weniger kategorische Sprachregelung allen Delegierten weit genug gehen wird. Doch die neuen Kurzkongresse lassen längst keine Zeit mehr für Resolutionsschlachten zwischen etwaigen linken und rechten Parteiflügeln.
Statt einer festen Zusage relativiert die geplante Sprachregelung nämlich unter Berufung auf die überraschend günstigen Staatskonten von 2007, dass aus der heutigen Sicht der Dinge kein Grund dafür bestehe, dass der Index nach 2009 nicht wieder normal erfallen solle. Womit am Ende die Verantwortung und die Entscheidung nach den Wahlen bei der Tripartite liegen soll. Jene Tripartite, die schon 2006 rätselte, ob der Index manipuliert werden sollte, um die Staatsfinanzen oder die Wettbewerbsfähigkeit der Exportunternehmen zu retten.
Natürlich belauern die Parteien sich auch gegenseitig. Während die DP noch zögert, klang es bei der CSV bereits ähnlich wie bei der LSAP. Auch wenn Premier Jean-Claude Juncker vor volkstümlicher Zuhörerschaft schwört, dass der Index bleibt, und sich vor der Fedil auch vorstellen kann, dass er weiterhin manipuliert wird.Doch bis Juni 2009 dürfte insbesondere bei der LSAP das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. 1999 hatte sie in einer Panikreaktion sogar noch wenige Tage vor den Wahlen ihre Politik in der Rentenfrage über den Haufen geworfen. Am Ende hatte das die Katastrophe aber nur verschlimmert.