Geldscheine regnen vom Himmel oder werden zusammengerollt, während Killing Joke „I’m living in the eighties“ singen. Die Titelsequenz von Lost in the 80‘s spart nicht gerade mit Klischees. Der Titel selbst lässt befürchten, dass man hier vorzugsweise auf Leute trifft, die, sofern sie nicht in der Vergangenheit leben, zumindest bereitwillig in diese zurückreisen. Allerdings ein reines Nostalgiefest ist Andy Bauschs vierte Epochendokumentation – nach D‘Belle Epoque, D‘Fifties und Sixty8 – nicht. Zwar lässt der Regisseur hier die neueste Rentnergeneration auf das Jahrzehnt zurückblicken, das sie als erstes aktiv mitgestaltet haben. Die meisten Interviewpartner sind aber zu mehr fähig, als ein paar Anekdoten zum Besten zu geben und sich für vergangene Großtaten auf die Schulter zu klopfen.
Lost in the 80‘s versucht sich an einem Querschnitt der letzten Dekade des Kalten Kriegs. Dafür stehen über zwanzig Zeitzeugen Rede und Antwort. Zwischen die schwarzweißen Aufnahmen der Interviews sind Archivbilder sowie kurze fiktionale Szenen montiert. Das Konzept verspricht visuelle Abwechslung, thematisch wird es rasch eng. Andy Bausch interessieren in erster Linie die sozialen Bewegungen der Achtziger, im Verbund mit kulturellen und künstlerischen Aufbrüchen. Nachdem der wirtschaftliche Wandel vom Stahl- zum Steuerparadies kurz abgerissen wurde, geht es mit den Grünen, dem Piratensender „Grenge Fluessefenkelchen“ und dem Protest gegen Cattenom sowie dem Umbau des Boulevard Royal schnell in gegenkulturelle Gefilde.
Hier wartet Lost in the 80‘s mit den interessantesten Gesprächen auf, zum Beispiel mit Raymond Bisdorff oder Guy W. Stoos, die nicht nur Lob für die Umweltbewegung übrig haben. Darüber hinaus hat Bausch einiges an seltenem Filmmaterial ausgegraben, etwa von der Besetzung des Escher Schlachthofs. Auch wo es um die Veränderungen in der Kulturszene geht, schlägt sich der Film recht tapfer. Ed Maroldt bietet Einblicke in die freie Theaterszene jener Jahre. Wenn er von einem „Enn vun der Feierowendkultur“ und einer „Professionaliséierung“ des Kunstsektors spricht, werden heutige Kulturschaffende sicherlich aufhorchen. Nicht nur der Boulevard Royal ist drei Jahrzehnte später noch eine Baustelle.
Der Filmbranche ist es strukturell vergleichsweise gut ergangen. Zu den mythischen Boomjahren des Luxemburger Kinos spricht der Regisseur selbst vor der Kamera. Das ist zwar unvermeidlich; der Anschein der Neutralität und Distanz, den der Film aufrecht erhalten möchte, wirkt jedoch aufgesetzt (immerhin Paul Scheuer von der AFO-Konkurrenz wird auch interviewt). Bei der Literatur gibt es auffällige Lücken; Germaine Goetzinger tritt als Fürsprecherin sämtlicher Autor*innen auf, die nicht selbst reden konnten oder wollten. Dass Archivaufnahmen Roger Manderscheids als reaction shots verwendet werden, täuscht über das Fehlen insbesondere eines Guy Rewenig nicht hinweg.
Im Anschluss geht dem Film langsam die Luft aus. Beim unumgänglichen „Bommeleeër“ gerät Andy Bausch gemeinsam mit Jacques Santer ins Stottern. „Déi Explosioune vun deene Bommen?“ Ja, da war doch was. Aber mehr als die bekannten Fernsehbilder zusammenzuschneiden und André Kemmer eine Plattform für seine Theorien zu bieten, vermag Lost in the 80‘s nicht. Beim Brand der Kathedrale oder der Waldbillig-Bande hätte man die RTL-Archive ebenso gut selbst aufsuchen können. So zerfällt der Film zunehmend in mal mehr und mal weniger gelungene Vignetten. Es fehlen die Thesen, die mehr aus dieser Dokumentation hätten machen können. Formal zusammengehalten wird Lost in the 80‘s ausgerechnet von einer fiktionalen Rahmenhandlung rund um zwei Polizisten (Luc Schiltz und André Jung). Allerdings ist diese durchweg unterentwickelt und kommt über eine paar müde Retro-Pointen (à la „Video 2000 wird sich garantiert gegen VHS durchsetzen!“) nicht hinaus.
Es bleibt dabei, dass Andy Bauschs Dokumentation nur in Ausschnitten sehenswert ist – und letztlich selbst diese Ausschnitte äußerst selektiv vorgehen. Wer sich anhand dieses Films ernsthaft ein Bild über den gesellschaftlichen Wandel der Achtzigerjahre machen möchte, könnte dem Glauben verfallen, dass die Frauenbewegung ihre Ziele an Sylvester 1979 erreicht hatte und den Gastarbeitern ein zehnjähriger Kollektivurlaub gewährt wurde. Mit Gesprächspartnerinnen wie Germaine Goetzinger und Josiane Kartheiser hätte man sich doch über Feminismus unterhalten können. Dass Immigration nicht thematisiert wird, sagt viel über das Selbstbild und die Art der populären Geschichtsschreibung, die man hierzulande pflegt. Bis dieser Nachholbedarf gedeckt ist, muss man sich mit einem Flickenteppich wie Lost in the 80‘s wohl oder übel begnügen.