Zu den Erfolgsberichten der DP auf ihrem Parteitag am vergangenen Sonntag gehörte auch einer über das neue Krankenhausgesetz: „Unsere Experten Edy und Lex machen im Gesundheitsausschuss eine formidable Arbeit“, erzählte Fraktionspräsident Eugène Berger dem Parteitag. „Ein guter Text ist durch sie zu einem exzellenten Text geworden.“
Eine starke DP Bergers Bemerkung war gar nicht so übertrieben. Abstimmungsreif ist das neue Krankenhausgesetz zwar noch lange nicht: Zwanzig Sitzungen hat der parlamentarische Gesundheitsausschuss seit Anfang des Jahres mit dem Gesetzentwurf von Gesundheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP) zugebracht. Änderungen daran wird er wohl erst nach den Pfingstferien beschließen. Die gehen dann an den Staatsrat für ein zweites Gutachten. Ehe der Gesetzentwurf im Kammerplenum zum Votum kommt, dürfte der Herbst angebrochen sein. Doch was der Gesundheitsausschuss bisher an Änderungen beschloss, geht stark auf die DP zurück. Das mag auch daran liegen, dass sie mit den Abgeordneten Edy Mertens und Alexander Krieps zwei Ärzte im Ausschuss sitzen hat. Keine andere Fraktion kann das von sich behaupten. Ganz sicher aber liegt es an der „Arbeitsgruppe Gesundheit“, die die DP als Partei eingerichtet hat. Ihr gehören Ärzte mit DP-Parteibuch aus nahezu allen Spitälern des Landes an, und sie diskutiert regelmäßig gesundheitspolitische Fragen. Das Gewicht der DP ist dadurch so stark, dass Lydia Mutsch sich schon im vergangenen Jahr bei Premier Xavier Bettel beschwerte, weil die DP ihren Krankenhaus-Gesetzentwurf verriss, nachdem er schon den Segen des Regierungsrats hatte.
Wenngleich der Gesundheitsausschuss noch ein paar Sitzungen brauchen wird, um zu einem fertig abgeänderten Gesetzentwurf zu gelangen, diskutiert er nur noch über Details. Vor zwei Wochen schon lag ein koordinierter Text vor, der im Großen und Ganzen das enthält, worauf sich die Gesundheitsministerin und ihre Berater zum einen und die von der DP dominierte Mehrheit im Ausschuss zum anderen einigten und was der DP-Fraktionspräsident als „exzellent“ ansieht.
Kein Ärztestreik Über die dem Land vorliegende koordinierte Version vom 11. Mai kann man eines mit Sicherheit sagen: Einen Ärztestreik wegen des Krankenhausgesetzes wird es nicht geben. Anfang März hatte der Ärzteverband AMMD mobil gemacht und ließ Handzettel entwerfen, in denen die Patienten vor einer angeblich drohenden „Staatsmedizin“ gewarnt wurden, die das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient aushöhle. Ein Passus im Gesetzentwurf garantierte den Klinikärzten auch weiterhin Therapiefreiheit und dass sie in medizinischer Hinsicht allein sich selber unterstellt bleiben würden. Allerdings müssten sie sich an die innerhalb des Spitals geltenden Therapiestandards, Qualitätsprozeduren und Effizienzkriterien halten. Der Krankenhausverband FHL hatte gegenüber der Ministerin darauf gehalten, die Ärzte stärker an das „Spital als Betrieb“ zu binden. Gemeint damit waren vor allem die freiberuflichen Belegärzte, die mit über 80 Prozent das Gros der Krankenhausärzte hierzulande ausmachen und Subunternehmer in den Spitälern sind.
Nicht nur steht das heute nicht mehr so in dem Gesetzentwurf. Die AMMD hat einen politischen Sieg errungen, mit dem sie noch vor einem Jahr nicht gerechnet hatte: Statt die Belegärzte stärker deren Regeln zu unterwerfen, soll in allen Spitälern des Landes ein wenig „Zithageescht“ Einzug halten. So wurde in der Gesundheitsszene die Betriebskultur der Zithaklinik genannt, als die noch eigenständig war. Der Generaldirektor der Klinik und deren Ärzterat – Selbstkontrollorgan und zugleich Interessenvertretung der Mediziner – verkehrten nahezu auf Augenhöhe miteinander. Auf Betreiben der DP soll das neue Krankenhausgesetz den Ärzteräten aller Spitäler nicht nur mehr Mitsprache in medizinischen Belangen gewähren. Die Ärzte sollen überdies zwei Vertreter in die Verwaltungsräte der Krankenhäuser entsenden, einen mit beratender und einen mit beschließender Stimme. So etwas gibt es derzeit nur am CHL, doch dort ist der Arzt mit vollem Stimmrecht ein am Krankenhaus fest angestellter. Freiberufliche Ärzte als Ko-Patrons erlaubte nur die Kongregation der Zitha-Schwestern. Ehe sie ihre Klinik an die Krankenhausstiftung des Bistums verkauften, gehörten ihrem Verwaltungsrat sogar zwei Ärzte mit beschließender Stimme an.
Es ist nicht sehr verwunderlich, dass die DP auf das Zitha-Modell zurückkam: Das Krankenhaus im Bahnhofsviertel der Hauptstadt konnte seinerzeit auf eine blaue Lobby zählen, und der gesundheitspolitischen DP-Arbeitsgruppe dürften nicht wenige Zitha-Ärzte angehören, die den alten Zeiten nachtrauern. Allerdings will die DP nicht nur den Einfluss der Ärzte in den Klinik-Verwaltungsräten stärken, sondern auch den des nicht-medizinischen Personals. Es soll ebenfalls einen beratend und einen voll Stimmberechtigten in die obersten Führungsgremien der Spitäler entsenden. Und während Lydia Mutsch nur vorschreiben wollte, dass ihr Regierungskommissar für die Krankenhäuser an den Sitzungen sämtlicher Verwaltungsräte beratend teilnehmen könne, überzeugte die DP den Gesundheitsausschuss, dass das generell so sein sollte. Schließlich seien alle Spitäler, auch die als Aktiengesellschaft organisierten, quasi komplett öffentlich finanziert.
Chef des Chefs Ob sich dahinter ein bis zu Ende gedachtes Führungsmodell für die Spitäler verbirgt, fragt sich trotzdem. Wäre es nach der DP gegangen, hätten die Ärzteräte zu bestimmten Fragen der Klinikmedizin sogar ein Vetorecht erhalten. So weit wollten die Ministerin und die Abgeordneten der anderen Mehrheitsfraktionen im Gesundheitsausschuss nicht gehen. Einig sind sie sich jedoch darin, dass die Krankenhaus-Generaldirektoren lediglich Exekutierende der Vorgaben des Verwaltungsrats sein sollen, nicht aber „Patrons“, wie Lydia Mutsch das vor einem Jahr auf Druck der FHL in ihren Gesetzentwurf schrieb. Unproblematisch ist das nicht. Verhindert werden müsste auf jeden Fall, dass es zu Machtkämpfen zwischen einer Krankenhausdirektion und Ärzten käme, wenn deren voll stimmberechtigter Delegierter im Verwaltungsrat zum Chef des Generaldirektors würde und wegen seiner Mediziner-Expertise ohnehin eine starke Stellung in dem Gremium hätte. Die frühere Zitha taugt nicht unbedingt als Beispiel dafür, dass das kein Problem sei: Einerseits war sie ein kleiner Betrieb, andererseits stets darauf bedacht, sich von den beiden großen Spitälern der Hauptstadt als feiner und besser abzugrenzen. Das stabilisierte die Zitha nach innen. Und es sind vielleicht nicht nur böse Zungen, die heute wie schon vor Jahren erzählten, der Klinikdirektor der Zitha habe im Grunde gemacht, was seine Ärzte wollten.
Sicherlich hat das Entgegenkommen der DP gegenüber der AMMD mit politischem Opportunismus zu tun: Als die CSV um den Jahreswechsel wochenlang darauf drängte, dass der Parlamentsausschuss den Ärzteverband anhöre, richtete sich das politisch gegen die Ministerin mindestens so stark wie gegen die traditionell ärztefreundliche DP. Sie wetteifert heute mit der CSV um das politische Verdienst, den Gesetzentwurf verbessert zu haben: Als Jean-Marie Halsdorf, gesundheitspolitischer Sprecher der CSV-Fraktion, am Dienstag im RTL-Radio erklärte, der Gesundheitsausschuss habe „lange und konstruktiv“ an einer Verbesserung des Entwurfs der Gesundheitsministerin gearbeitet, sorgte das bei der DP für Entrüstung: Die CSV habe nichts beigetragen.
Keine große Reform Aber eigentlich sollte das neue Krankenhausgesetz von Anfang an keine große Reform sein. Noch im Januar 2016 wollte Lydia Mutsch damit kaum mehr, als endlich den nächsten „Spitalplan“ in Kraft zu setzen. Der aktuell geltende Plan ist acht Jahre alt. Schon Mutschs Vorgänger Mars Di Bartolomeo ließ an einer Neufassung arbeiten, die Mutsch dann weiterführte. Doch der Staatsrat machte sie darauf aufmerksam, dass eine großherzogliche Verordnung, wie bisher, für einen Spitalplan nicht reiche: Gesundheitsfragen sind laut Verfassung eine „matière reservée à la loi“. Also goss die Ministerin, was sie 2014 in einen Entwurf für eine Verordnung hatte schreiben lassen, in einen Gesetzentwurf.
Doch während DP, LSAP und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag zum Thema Spitäler den Grundsatz „pas tout partout“ festhielten, das Angebot straffen, Kompetenzen bündeln und den Konkurrenzkampf zwischen den Spitälern eindämmen wollten, ist davon in dem „exzellenten Text“ nicht mehr viel zu sehen. 2014 wollte die Gesundheitsministerin das Leistungsangebot der Spitäler noch deutlich einschränken, Anfang 2016 in einem Gesetzes-Vorentwurf ebenfalls noch ein wenig. Nun sollen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, alle Spitäler wie bisher alles anbieten können, wenn sie wollen. Zwar sollen sämtliche Fachdienste der Kliniken vom Ministerium neu autorisiert werden. Normen pro Fachdienst soll eine großherzogliche Verordnung aber lediglich festlegen „können“. Weil die Kann-Bestimmung bereits seit 19 Jahren im Krankenhausgesetz steht, die Verordnung aber nie geschrieben wurde, gibt es keinen Grund, wieso sich das demnächst ändern sollte. Ohne Normen jedoch gälten für die Fachdienste nur Anforderungen, die ein Anhang zum Gesetzentwurf je nach Disziplin mal mehr, mal weniger ausführlich aufzählt. Ob sich so für mehr Effizienz und Qualität im Angebot sorgen lässt, bleibt im wahrsten Sinne des Wortes abzuwarten.
Zumal die Ministerin nicht davon auszugehen scheint, dass die Neu-Autorisierung sämtlicher Klinik-Fachdienste ein großer Akt wäre. Zwar sind die aktuellen Fachdienste seit Ende 2008 allesamt ohne Betriebsgenehmigung, aber dass für ihre Neuzulassung mehr Personal im Ministerium vonnöten sei, geht aus dem Gesetzentwurf erstaunlicherweise nicht hervor. Bestimmungen, wie der Übergang zu neuen Fachdiensten aussehen soll, fehlen ebenfalls. Der parlamentarische Gesundheitsausschuss hat daran nichts geändert. Vielleicht behält die CNS Recht, die in einer Stellungnahme im Spätherbst 2016 mutmaßte, am Ende werde wohl jedes Spital das Maximum dessen anbieten, was zulässig ist.
Nicht ganz klar ist auch, wie die „Kompetenznetzwerke“ beschaffen sein sollen, in denen zwei oder mehrere Spitäler zusammenarbeiten würden. Wollte Lydia Mutsch Anfang 2016 noch „Kompetenzzentren“ bilden lassen, rückte sie ein halbes Jahr später in ihrem endgültigen Gesetzentwurf davon ab. „Zentren“ klang zu stark nach Konzentration von Leistungen in bestimmten Kliniken. Wegen der lokal- und nationalpolitischen Sensibilitäten erschien das zu heikel. Nun sollen in „Netzwerken“ nicht nur Spitäler, sondern auch der außerklinische Bereich, also Ärzte in ihren Praxen und vielleicht noch andere Gesundheitsberufler, zusammenwirken. Gedacht sind die Netzwerke rund um besonders häufige Erkrankungen, von Krebs über Diabetes bis hin zu Rheuma und Wirbelsäulenschäden. Doch selbst aus dem vom Gesundheitsausschuss überarbeiteten Text geht nicht hervor, wer diese Netzwerke leiten soll. Vorgesehen ist zwar ein spitälerübergreifendes Komitee, das bei ihrem Aufbau hilft. Ein richtiges Management ist für sie dagegen nicht vorgesehen – so dass auch um die Kompetenznetzwerke ein Konkurrenzkampf unter den Kliniken ausbrechen könnte.
Alles teurer? Damit könnte die Krankenhausversorgung trotz oder sogar wegen des neuen Gesetzes kostspieliger werden. Die CSV hat nicht Unrecht, wenn sie findet, eigentlich benötige Luxemburg nicht nur eine Spital-, sondern eine „Gesundheitsplanung“, die auch den außerklinischen Bereich einschließt und neben den „schweren“ Spitälern leichtere Strukturen mitplant, wie etwa interdisziplinäre Gemeinschaftspraxen. Das Problem ist nur, dass wegen der noch immer fehlenden einheitlichen Krankenhaus-Dokumentation niemand genau wissen kann, was die Spitäler eigentlich leisten, welcher sanitäre Bedarf im Lande besteht und inwiefern die Spitäler ihn decken. Vielleicht wird das in fünf Jahren klarer. Bis dahin wäre es leichtsinnig, Krankenhausangebote auszulagern: Da ambulante Angebote noch schwerer zu steuern sind als stationäre, würde das Gesundheitssystem noch teurer, falls man nicht genau wüsste, was man macht.
In der Zwischenzeit aber dürften sich, weil die CNS für sehr viel aufkommt, dort neue Angebote ausbilden, wo der Gesundheitsmarkt durch staatliche Vorgaben nicht geregelt ist. Das aktuellste Beispiel dafür sind die Krebs-Gewebeanalysen, die das neue Krankenhausgesetz ein für allemal dem Laboratoire national de santé (LNS) zuweisen will. Dafür soll die Krebsanalytik am LNS als „Diagnosezentrum“ definiert werden. Genanalysen sollen hinzukommen. Das Diagnosezentrum würde durch das neue Gesetz zu einer Krankenhauseinrichtung und erhielte künftig ein Jahresbudget von der CNS.
Doch wie diese Woche bekannt wurde, haben die Laboratoires Réunis aus Junglinster vor dem Verwaltungsgericht nach drei Jahre langem Prozessieren ein Urteil erstritten, nach dem das Gesundheitsministerium den Antrag des Privatlabors, ebenfalls Krebsanalysen vorzunehmen, nicht mehr ablehnen kann. Die Gesundheitsministerin habe es nicht vermocht, schlüssig darzulegen, wieso ein Monopol für das LNS der öffentlichen Gesundheit dienlich sein soll, so die Verwaltungsrichter. Nur die Meinung von Experten, die im Auftrag des LNS arbeiten, habe sie angeführt, nicht aber eine wissenschaftliche Studie.
Das Urteil bringt Lydia Mutsch in eine missliche Lage, denn die Krebsanalysen am LNS vornehmen zu lassen, ist ein wichtiger Baustein für das natio-
nale Krebsregister. Einen Mangel an Rigorosität aber erkennt man auch sonst in dem Gesetzentwurf. Der parlamentarische Gesundheitsausschuss hat daran bisher wenig geändert. Ein „exzellenter Text“ würde anders aussehen.