Am Mittwochvormittag konnten interessierte Zuschauer im Live-Streaming aus dem Differdinger Rathaus möglicherweise das Ende einer landespolitischen Laufbahn verfolgen. Der grüne Bürgermeister und Abgeordnete Roberto Traversini versuchte während der Gemeinderatssitzung zu erklären, wieso er sein Grundstück im Bebauungsplan unauffällig vom Garten- zum Wohngebiet umklassieren ließ, wieso er an seinem Gartenhaus in einem Naturschutzgebiet Umbauarbeiten ohne Genehmigung des Umweltamtes beginnen ließ und wieso Arbeiter der kommunalen Beschäftigungsinitiative, deren Präsident er ist, solche Arbeiten durchführten.
Für einen Baugenehmigungen erteilenden Bürgermeister und einen grünen Naturschützer sind solche Vorgänge denkbar schwer zu erklären. Außer durch die uneingestehbare Hoffnung, nicht erwischt zu werden. Und ein Teil der Differdinger Opposition verspricht, noch längst nicht all ihre Munition verschossen zu haben.
Für den Erwischten kommt der Vorgang nun umso ungelegener, als die Regierung vor einer Regierungsumbildung steht, um nach einer respektvollen Frist den schwerkranken Minister Felix Braz zu ersetzen. Als Nächstgewählter im Südbezirk hatte Roberto Traversini gute Aussichten, beispielsweise das Wohnungsbauministerium von Sam Tanson zu übernehmen, da die Rechtsanwältin neben der Kultur nun auch für die Justiz zuständig ist.
Doch seit sich CSV-Politiker wie Laurent Mosar und Gilles Roth mit den internen Strafregistern der Polizei in Oppositionspolitik versuchen, dürfte Xavier Bettels gerne darauf verzichten, der CSV für Monate eine neue Angriffsfläche zu bieten, indem er einen von vornherein nicht über alle Zweifel erhabenen Politiker in seine Regierung aufnimmt. Auch die grüne Partei, deren Ansehen ausreichend durch die Datenschutzaffäre gelitten hat, wird lieber auf einen Minister verzichten, der nicht den moralischen Ansprüchen gerecht wird, die sie allzu gerne an andere stellt. Ihre Fraktionssprecherin im Parlament, Josée Lorsché, hatte sich schon vor einer Woche bei Radio 100,7 gehütet, Roberto Traversini in Schutz zu nehmen, sich aber als grüne Drittgewählte im Südbezirk bereit erklärt, Ministerin zu werden.
Der Aufstand gegen den Bürgermeister hat selbstverständlich auch mit der bewegten, wiederholt von Aufstieg, Fall und Verrat geprägten Differdinger Kommunalpolitik zu tun, dem Untergang der einst dominierenden LSAP, dem verblichenen Glanz des liberalen Familienunternehmens Meisch, der politischen Wendigkeit der Grünen. Trotzdem fällt auf, dass der Wortführer der Traversini-Kritiker in Differdingen der Bruder von DP-Minister Claude Meisch ist, der in der Hauptstadt zur Regierungssolidarität mit den Grünen verpflichtet ist. Wie auch auffiel, dass der DP-Abgeordnete Eugène Berger am Montag einen Sonderausschuss vorschlug, um den von grünen Ministern verantworteten Datenschutz bei der Polizei zu untersuchen.
Vielleicht können die Liberalen den Grünen bis heute nicht verzeihen, dass sie die zweite Amtszeit ihres Premiers Xavier Bettel einzig dem Wahlsieg der Grünen vor einem Jahr verdanken. Umso mehr als die Grünen immer wieder versucht sind, DP und LSAP an den Wahlausgang zu erinnern, und bei jeder fälligen Postenvergabe eine ihrer Mandatszahl entsprechende, zusätzliche Honorierung für angemessen halten. Nachdem die DP sie bereits im hauptstädtischen Schöffenrat ausgebootet hatte, scheinen sich die blauen Liberalen als gute Verlierer keine Gelegenheit mehr entgehen zu lassen, um die grünen Liberalen als schlechte Gewinner auf ein politisch handlicheres Maß zurückstutzen.