Panik am Paradäis

Lost and settled in Happyland

d'Lëtzebuerger Land du 22.01.2009

Der übliche Versuch, sich an das Werk eines Künstlers heranzuwagen und es kennenzulernen, ist die Einsicht in ein Best Of. Dieses englische Lehnwort hat sich zumindest in das Fachregister der Musikbranche eingeschlichen und jede Band, die etwas auf sich hält, kann nicht umhin, eine derartige Auswahl ihrer Bestseller oder besten Songs zu veröffentlichen.

Auch und gerade das Kabarett bietet mit seinen zumeist kurz gefassten Stücken jene künstlerische Form, die in diesem Fall zu einer Perlenkette des Schreibenden führen kann. Mag mit Kompilationen auch zuweilen der Nachgeschmack eines Rückblicks auf das eigene Lebenswerk mitklingen – doch der noch immer aktive, zynische, bissige, fingerzeigende Tatendrang des Ultimomondo-Gründers Guy Rewenig spricht gegen diesen Abschluss-Charakter. Schauspieler Christian Kmiotek gibt derzeit mit Serge Tonnars musikalischer und tontechnischer Unterstützung 23 kabarettistische Beiträge aus 28 Jahren dramatischer Tätigkeit des Nospelter Autoren zum Besten. Texte aus Sammlungen wie Ouereschleffer (1982), Gelle Fra, welle Mann (2002) und Wat eng Saison! (2005) werden im Rate­lach der Kulturfabrik performed. Die gemütliche Ecke mit 36 Sitzplätzen und einer kleinen Bühne im hinteren Bereich des Raums taucht die Veranstaltung am Premiere-Abend in Intimität und Gemütlichkeit.

Christian Kmiotek beweist ungehemmten Körpereinsatz in dieser sprachspielerischen Achterbahn durch drei Jahrzehnte unseres „Grändattschi“ Luxemburg. Bereits der Blick auf die Programm-Liste, spätestens aber die Vorstellung selbst legen bloß, dass Rewenig sich im Laufe seiner Karriere wiederholt mit einigen wenigen Hauptthemen auseinandergesetzt hat. Seine Seitenhiebe auf die luxemburgische Asylpolitik mit „Dir Dammen aus dem Birgerkrich“ (1993) und „700 000 Kormoranen“ (2002), seine Sticheleien gegen die katholische Doppelmoral in „Schlussprë­zëssioun“ (1982) und die Tendenz, Tiefgründiges zu verflachen und die Oberflächlichkeit zu feiern („Waart Dir schonn um Planet RTL?“, 2002) ziehen sich durch das Werk wie ein roter Faden, ja wie ein tiefrotes Tau. Das an Sandkastengezanke erinnern­de Wettrüsten der 80-er Jahre, das ekelerregende Wegschauen der Kirchenhäupter angesichts sich häufen­der Fälle der Pädophilie unter Geistlichen – der politische Mensch und Asti-Mitbegründer Rewenig profiliert sich in seinen Texten glasklar.

Maßgeblich störend wirkt jedoch, dass Rewenig zu oft inhaltlich vereinfachend zur Sprache bringt, was sich den Akteuren und Entscheidungsträgern der Geschichte viel komplexer darbot. Zu sehr schimmert die Regenbogen-Philosophie einer späten Make Love Not War-Generation in den frühen Texten hervor, stößt der Gallensaft des Angry old man in den neueren auf. Nicht selten wirken seine Sketche wie ein verbitterter Verriss, desorientiert und verloren in Happyland.

Wenn dann im Text „Wat flitt do duerch d’Wolleken?“ aus dem Jahre 1981 die wahnhafte Hinwendung zu archaischen Redewendungen einer luxemburgischen Altsprache aufs Korn genommen wird, erinnert uns der Verfasser – ungewollt? – an seine eigene Neigung, aktuelle Themen mit nicht durchweg aktueller Sprache zu beschweren.

Und doch ist Rewenig nicht zu Unrecht für seinen Sprachwitz bekannt: Ob es sich dabei um zwei Spielkameraden und ihre Friedensbomben handelt, um die Einweihung nationaler Tollheiten im Verkehrs- und Lokalwesen oder die politisch-doktrinär vollzogenen Kurse über Luxemburgisch als Fremdsprache handelt. Auch die Wucht einer moderneren Nationalsprache bricht wortgewaltig und zynisch durch. Rewenigs Kabarett-Sprache zeichnet sich seltener durch Subtilität, vielmehr durch mehrfachen Aufguss und das Brechen von damaligen Tabus aus. Kmiotek stellt uns diese Tabus in dem auch als Buch erschienenen Best Of Panik am Para­däis in Eigenregie dar. Ein Rückblick, der sich lohnt, weil er die Stärken und Schwächen einer landesweit bekannten Bühnenkarriere offenbart.

Panik am Paradäis, mit Texten von Guy Rewenig, Regie: Christian Kmiotek, mit Christian Kmiotek, wird noch am 23. und 24. Januar, sowie am 5., 6., 7., 10., 11., 12. und 13. Februar im Ratelach in der Kulturfabrik in Esch/Alzette gespielt. Eintritt: 15 Euro, Kartenvorbestellung und Informationen unter Telefon 55 44 93-1 oder im Internet unter www.kulturfabrik.lu

Claude Reiles
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