Der Verschwörungsthriller basiert auf besondere Weise auf der Erzeugung von Angst und Sorgen; er informiert indirekt über die Gesellschaft, in der man lebt. Und daher gibt er – wenngleich filmisch überhöht – Auskünfte darüber, wie und warum sich menschliche Abgründe auftun. Umso verstörender scheint nun der Umstand, dass in Dark Waters, dem neuen Film von Todd Haynes, alles auf wahren Begebenheiten beruht. Mark Ruffalo gibt darin den Unternehmensverteidiger Robert Billiot, der es aber nun entgegen seiner Überzeugung auf das Chemieunternehmen DuPont abgesehen hat. Er wirft dem Unternehmen vor, giftige Chemikalien in den Ohio River und andere gefährliche Stoffe in einer nicht abgedichteten Deponie zu entsorgen. Nicht nur sterben dadurch Tiere, auch die Menschen sind von der Kontaminierung betroffen ...
Der Film basiert auf einem Artikel von Nathaniel Rich im New York Times
Magazine mit dem Titel „The Lawyer Who Became DuPont’s Worst Nightmare“1 von 2016 und bietet für die Adaption für das amerikanische Kino reichlich Stoff. Dieser Robert Billiot ist in dieser Geschichte der aufrichtige amerikanische Held, der einem System von Korruption und Machtmissbrauch auf die Schliche kommt. Diese verworrene Affäre der Staatskorruption greift tief: DuPont, das in den letzten vierzig Jahren rund 70 000 Menschen vergiftet hat, ist ein ganz einflussreiches Unternehmen, das ganz auf den eigenen Profit bedacht ist. Es gibt eine direkte Linie zwischen der korrupten Firma und der Staatspolitik, die von ehrfürchtigem Zögern und Angst durchdrungen ist. Die Verunsicherung und die Zweifel in diesem kapitalistischen System deckt Todd Haynes langsam und mit Bedacht auf und setzt dabei auch ganz auf eine kontrastreiche Inszenierung: Robert Billiot fährt da etwa durch den grauen und trostlosen Vorstadtort, der unmittelbar von der Kontaminierung betroffen ist, und wir hören den allzu positiv gestimmten Song Country Roads von John Denver. Bild und Ton wollen keine harmonische Einheit mehr eingehen in dieser verruchten Gegend, sie fallen vielmehr auseinander.
Ebenso wie in Motherless Brooklyn ist hier dieser Reflex auf den Verlust der politischen Verantwortung zu spüren. Dark Waters unternimmt die stellenweise dokumentarisch anmutende Rekonstruktion dieser Ermittlungsarbeit, die ihren Anfang um 1980 nahm und dann in einen Gerichtsprozess mündete, der auch heute noch nicht zum Abschluss gekommen ist. Dabei werden alle Standards des Genres durchgespielt, um den Spannungseffekt zu garantieren. Nicht nur auf professio-
neller Ebene gerät der Held in Bedrängnis, auch seine Familie ist bedroht und scheint an dieser Affäre zu zerbrechen. Das Misstrauen in die politische Ordnung isolieren Billiot, und nur noch zu seiner Frau Sarah (Anne Hathaway) kann er Vertrauen fassen. Mark Ruffalos schauspielerische Muster machen diesen Abgang mit, in seinem Gesicht lässt sich die Verzweiflung und der zunehmend schwächelnde Gesundheitszustand ablesen. An den befreienden Geist engagierter Aufdeckungsarbeit wie in All The President’s Men (1976) glaubt dieser Film nicht mehr. Todd Haynes arbeitet wiederkehrend mit Zeittafeln, die das schiere zeitliche Ausmaß dieses Konfliktes visuell verdeutlichen, und genau da kommt es als Schock, dass man langsam die Ausweglosigkeit, die Nichtigkeit dieser Unternehmungen gewahr wird: Die Macht – so will uns Dark Waters sagen – liegt zuvorderst bei den Konzernen. Imposant setzt Haynes den Wolkenkratzer der Firma DuPont in Szene, einen Pfeiler der Macht, der so einfach nicht einzureißen ist.
Todd Haynes kennt man vor allem durch seine an Douglas Sirk angelehnten Melodramen Far From Heaven (2002) oder Carol (2015), denen ein beständiger Optimismus anhaftete. Mit Dark Waters stellt sich indes eher das erdrückende Gefühl der Ernüchterung ein, und doch ferner auch eines der Anerkennung für diesen Mann Robert Billiot, der Machtmissbrauch trotzt und den Kampf standhaft und resolut bis zu seinem Ende zu führen bereit ist. Und doch: Nichts wirklich Erleichterndes ist an diesen Bemühungen zu spüren – John Denvers Song steht nur mehr als nostalgische Fassade –, die auf nichts anderes als auf das gegenseitige Ausmerzen hinauslaufen kann.