Am 13. September 1965 hatten die Rechtsanwälte Eberhard Strohm aus Stuttgart, Jean-Louis Huberty aus Luxemburg und der hauptstädtische Galerist Jean-Charles Aulner den Inter-Verlag S. à r.l. gegründet, dessen Kapital von 100 000 Franken sie zu je zehn Prozent in eigenem Namen und zu 70 Prozent mittels ihrer einen Monat zuvor gegründeten Holding Inter-Trading zeichneten. „Zweck der Gesellschaft ist der Betrieb eines Buchverlages, und alles was sich direkt oder indirekt an diese Tätigkeit anschließt“, hieß es in den Statuten.
Die Statuten erwähnen nicht, dass der auf 11, avenue de la Liberté in Luxemburg niedergelassene Verlag sich auf erotische und pornografische Bücher für den deutschsprachigen Markt spezialisieren wollte. Denn Mitte der Sechzigerjahre hatte in dem verklemmten Nachkriegsdeutschland eine „Sexwelle“ begonnen, später „sexuelle Revolution“ genannt, an welcher der neue Verlag unter Umgehung der deutschen Zensur von Luxemburg aus mitverdienen wollte. Zur gleichen Zeit kamen hierzulande auch mehrere Sexfilme heraus, die von der laschen Luxemburger Gesetzgebung profitierten, um den französischen und deutschen Markt zu bedienen.
Noch in seinem Gründungsjahr veröffentlichte der Verlag zu 24,60D-Mark seinen ersten Titel, Die Nichten der Frau Oberst, eine Übersetzung der fälschlicherweise Maupassant zugeschriebenen Les Cousines de la colonelle der Marquise de Mannoury, mit der imposanten Anschrift „Inter[-]trading-Verlag Luxembourg Ham[-]burg Kopenhagen“ und gedruckt, wie alle Bücher des Verlags, bei Clau[-]sen [&] Bosse in Leck/Schleswig.
Anfangs gab der Verlag sich noch bildungsbürgerlich und versuchte, den triebgehemmten deutschen Studienrat und Sparkassenzweigstellenleiter mit Klassikern der erotischen Literatur aus dem Frankreich des 19. Jahrhunderts im Leineneinband und Schutzumschlag zu erregen. Doch mit der raschen Liberalisierung der Sitten nach der Studentenrevolte 1968 und unter dem wachsenden Konkurrenzdruck ging er, neben einem Exkurs in die gerade modische Aufklärungsliteratur, zur immer eindeutigeren Pornografie über, illustriert mit Farbfotos sturmfest frisierter Aktmodelle.
So erschienen binnen sieben Jahren mindestens zwei Dutzend Titel: Maupassant: Die Nichten der Frau Oberst (1965); Thurn und Traven: Die Weisheiten der Aspasia (1966); James Grunert: Playboys lieben anders (1966); Maitre Nicolas Chrier (Meursius): So Octavia ist die Liebe oder allerlei Liebe. Die Liebesgespräche der Aloisia Sigaea (1966); Marina Di Castello: Ich betrüge meinen Mann (1967); Dr. med. A. Miller: Partnerspiele in der Ehe (1968); Roman Diard: Liebe von der viele nichts wissen (1968); Aretino: Die sündigen Frauen (1968); Marina Di Castello: Ich habe Lust. Aus dem intimen Tagebuch der Mata Hari (1968); Guy de Maupassant: Abenteuer einer Pariser Kokotte. Das Tagebuch der Léna de M…(1968); Vorst: Teuflische Triebe (1968); Marina di Castello: Liebster, lösch das Licht nicht aus! (1969); nach einer Idee des jungen Maupassant modernisiert von Dr. J. Fürstauer: Mannstolle Nichten (1969); Honoré de Balzac: Eine teure Liebensnacht und andere Contes drolatiques (1969); Maupassant: Zärtliche Amélie (1969); Andréa de Nerciat: Der Teufel im Leibe 1 (1969); Guy de Maupassant: Drei Liebhaber für einen (1969); Tullia Petrónius: Die Kreuzspinne (1970); Harry Bond/de Cordoba: Die Sünde wider das 6. Gebot (1970); Manolito Conde de Córdoba/H. Bond: Mein Hirschpark (1970); J.J. Kusadasi: L’amour six fois Oh, la, la…(1970); G. de R.: Eine Venus von vierzehn Jahren und Die männliche Jungfrau (1970); Orange Bilburn[e]: Brutal. (1970); Hannes Sundland: Gierig [-]– Teil II: Alle meine Pferdchen. Die Beichte eines Zuhälters (1971); Percy Quinn: Hemmungslos (1971).
1970 wurde die Verlagsanschrift geändert, erst zu „Inter-Verlag GmbH, Luxembourg und Interlibro GmbH“, dann in „Intima-Press im Inter-Verlag“. Am 21. September 1973 wurde schließlich die Domizilierung der Gesellschaft aufgelöst. Das war dann auch das Ende des „Porn made in Luxembourg“. Die gesellschaftlichen Veränderungen nach 1968 hatten in vielen euro[-]päischen Ländern die ästhetischen und juristischen Grenzen zwischen Literatur und Pornografie bis auf weiteres aufgelöst.