Paris unter deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Während einer Razzia in der Métro nehmen die Nazis eine junge Widerstandskämpferin fest und verschleppen sie nach Deutschland in ein Lager. Dort nimmt eine Wächterin sie in Empfang und erklärt ihr: „Vous venez d’arriver dans le camp d’amour et vous êtes affectée au bordel, pour votre beauté, votre origine juive et vos idées marxistes“ (S. 13).
So beginnt Eva Zobsteins LUXURE ET TORTURES AU CAMP DE L’AMOUR Luxembourg 1959. Die Erzählung phantasiert dann über die Misshandlungen, welche die Gefangenen im „camp de l’amour“ erlitten haben, dekliniert in sieben Kapiteln das Verhältnis zwischen Herren und Sklavinnen mit den gewohnten Konstellationen der pornografischen Literatur. Dabei erinnern die sadomasochistischen Szenen hinter dem Stacheldraht selbstverständlich an die israelischen Stalag-Heftchen der Sechzigerjahre oder die in den Siebziger- und Achtzigerjahren gedrehten Nazi-Exploitation- und Sadiconazista-Filme, wie Ilsa, She Wolf of the SS – manchmal aber auch an Pasolinis Salò: „La ‚croix‘ m’attendait tenue par deux hommes. C’était un sexe masculin immense, long de plus de deux mètres, assez plat, mais fait de bois et qui devait être très lourd si j’en juge par la corpulence des deux individus qui le maintenai[en]t debout. Il pouvait d’ailleurs tenir seul car il était lesté de deux énormes testicules de pierre. L’ensemble était sur un char[-]riot qu’on poussa devant moi jusqu’à l’entrée de l’allée. Là, les deux rangées de femmes nues silencieuses m’impres[-]sionnèrent et je faillis perdre connaissance. On me soutint quelque peu. Puis on retira le charriot de dessous le sexe et les deux hommes me le posèrent sur le dos“ (S. 78).
Nur anderthalb Jahrzehnte nach der Befreiung der Konzentrationslager musste die Shoah als Kulisse für Pornografie noch weit mehr schockieren als heute. Deshalb erschien die Erzählung unter Pseudonym, ohne Angabe des Druckers und mit dem irreführenden Druckort „Luxembourg“.
In Frankreich wurde bis in die Sechzigerjahre verschiedentlich Luxemburg als fiktiver Druckort gewählt, etwa für Les Amants raffinés von Simone Duverger in dem angeblich Luxemburger Verlag L. Ayme. Wie in einigen ähnlichen Fällen erklärt sich die Wahl Luxemburgs als erfundener Druckort für Luxure et tortures au camp de l’amour vielleicht mit der belgischen Herkunft des Autors. Hinter dem Pseudonym Eva Zobstein versteckte sich der Verleger Eric Losfeld (1922-1979). Losfeld war mehr als ein schamloser kleiner Schmierfink. Er hatte bereits als Teenager Ende der Dreißigerjahre einen Brief an Hitler geschrieben, in dem er erklärte: „Monsieur, je suis un soldat belge qui s’ennuie dans une ville de garnison qui s’appelle Namur. Je vous en rends personnellement responsable. En conséquence, j’ai l’honneur de vous déclarer la guerre.“ Der Freund der Surrealisten hatte die nach André Breton benannten Éditions Arcanes, die Éditions Le Terrain vague und viele andere kurzlebige Verlage gegründet. Losfeld verlegte Vian, Duchamp, Ionesco und gab anfänglich die Filmzeitschrift Positif heraus.
Pornografie war für Losfeld nicht nur eine verlegerische Einnahmequelle. Er versuchte, mit den Mitteln der Pornografie die konservativen und autoritären Moralvorstellungen seiner Zeit und damit die gaullistische Gesellschaft an sich zu untergraben. Zu seinen Publikatio[-]nen gehörten deshalb lange unterdrückte Werke von Sade und Sacher-Masoch, die durch ihre Verfilmung bekannten Emmanuelle-Romane von Emmanuelle Arsan und Jean-Claude Forests Barbarelle-Comics. Losfeld unterzeichnete das Manifest der 121 gegen den Alge[-]rien[-]krieg, und in seiner Buchhandlung traf sich ein Teil der Pariser Intelligenzija. Auf seinem Grabstein steht: „Tout ce qu’il éditait avait le souffle de la liberté.“ Dass seine Vorsichtsmaßnahmen bei der Veröffentlichung von Luxure et tortures au camp de l’amour berechtigt waren, zeigte sich 1961, als die französische Justiz das Buch verbot.