Er müsse sich nicht zurücknehmen, eher die Prioritätenliste neu ordnen, wenn er bedenke, ob das, was er als Direktor der Handwerkerföderation sage, auch mit dem übereinstimme, was der Arbeitgeberdachverband UEL fordert, so Romain Schmit (siehe Seite 2). Dabei gibt es durchaus Unterschiede zwischen den Forderungskatalogen der verschiedenen Verbände an die Parteien – die wahlweise mit essentiels, priorités oder opportunités überschrieben sind –, das sowohl in Bezug auf den Inhalt wie die Reihenfolge.
Ganz oben auf der Hitliste der UEL, für die „horizontalen“ Dossiers zuständig, die alle Arbeitgeber, egal aus welcher Branche betreffen, steht die governance. Auch LSAP-Spitzenkandidat Etienne Schneider hat eine Reform des Staates gefordert und Doppelmandaten den Kampf angesagt. Die UEL ihrerseits stellt sich vor, dass die Regierung wie das Managementteam eines Großkonzerns funktioniert. Das heißt, es soll weniger Minister geben, die viele Zuständigkeiten in einer Hand halten, unter ihnen Staatssekretäre, die ihnen zuarbeiten. Binnen der Regierung soll es Schiedsverfahren geben. Davon versprechen sich die Arbeitgeber beispielsweise, dass große Investitionsprojekte nicht mehr durch Konflikte zwischen dem Umwelt- und dem Infrastrukturressort aufgehalten oder gar verhindert werden. An zweiter Stelle fordert die UEL die Sanierung der Staatsfinanzen, via Dreijahresplan (so verlangen es ohnehin die neuen EU-Haushaltsregeln) und Ausgaben-Screening. Die Investitionsausgaben sollen hoch bleiben. Die Steuerpolitik steht an dritter Stelle auf der UEL Prioritätenliste. Der Unternehmerverband fordert unter anderem, die Mindeststeuer für Firmen abzuschaffen, die Steuerkredite für Investitionsausgaben zu erhöhen und die Vermögenssteuer für Unternehmen abzuschaffen. Dann erst folgt an vierter Stelle die Wettbewerbsfähigkeit, die sonst das Steckenpferd der UEL ist. Setzte man sich bis vor nicht allzu langer Zeit noch für eine „Deckelung“ des Index ein, fordert die UEL nun die völlige Desindexierung nicht nur der Gehälter, sondern der Wirtschaft insgesamt. Damit visiert die UEL beispielsweise Miet- oder Dienstleistungsverträge, die an den Index gekoppelt sind. In Bezug auf den Mindestlohn fordert der Unternehmerverband unter der Führung von Michel Wurth, die „Marktmechanismen“ bei der Gehälterfindung zu respektieren, was so viel heißt, dass der Mindestlohn nicht mehr per Gesetz festgelegt werden soll – was eigentlich auch einer Abschaffung des gesetzlichen Mindestlohn entsprechen würde.
Die ehemalige Industriellenvereinigung Fedil, die sich heute als Business Federation versteht, verlangt in ihrem Forderungskatalog an vorderster Stelle, die Bemühungen für die Diversifizierung der Wirtschaft zu intensivieren. Dazu müssten unter anderem die Prioritäten der Wirtschaftspolitik definiert und die Forschungs- und Investitionspolitik daran angelehnt werden. Die Inkraftsetzung der Sektorpläne, besonders dem für die Aktivitätszonen, ist für die Fedil ein wichtiges Element der Diversifizierungspolitik. Auf Platz zwei der Fedil-Wunschliste: die Staatsfinanzen. Die Industriellen wollen die Ausgaben beschränken, verlangen gleichzeitig ein attraktives Steuerumfeld für Firmen und Privatpersonen. Wie auch die UEL wollen sie die Firmenmindest- und die Vermögenssteuer für Unternehmen abschaffen, dafür verlangen sie zusätzlich Steuergutschriften, wenn sie Arbeitslose einstellen. Dritte Priorität für die Fedil ist die Forschungspolitik, die in ihren Augen auf eine bessere finanzielle Unterstützung der forschenden Unternehmen hinauslaufen und sich auf die Forschungsbereiche konzentrieren soll, in denen schnelle Ergebnisse zu erwarten sind, die zu marktbereiten Anwendungen führen. Erst an siebter Stelle setzt sich die Fedil unter dem Titel Making work pay mit der Gehälterfindung auseinander, fordert, dass sich der Staat daraus heraushält „(salaire social minimum, indexation)“. Wie die UEL fordert die Fedil die generelle Desindexierung der Wirtschaft.
Für die Handelskonföderation CLC besteht die große Herausforderung der Politik darin, das Vertrauen wiederherzustellen, weil „la psychologie des citoyens est l’huile dans le moteur de la consommation et donc de l’économie“. Fettgedruckt hält die CLC fest, dass ein ausgeglichener Staatshaushalt kein Selbstzweck ist, sondern erlaubt, das Sozialmodell aufrechtzuerhalten und dadurch die Ärmsten in unserer Gesellschaft zu schützen. Wichtigste Aufgabe für die nächste Regierung ist aber in den Augen der CLC, eine effiziente Wohnungsbaupolitik auf den Weg zu bringen, das ist für die Handelskonföderation im gleichen Atemzug Mobilitäts- Sozial- und Umweltpolitik. Da überrascht es nicht, dass für die CLC die Entbürokratisierung auf Platz zwei ihres Ranking steht, auch wegen der Genehmigungsverfahren für Bauprojekte. Neben der Psychologie erkennt die CLC auch die Kaufkraft als Treibstoff für den Konsummotor. Allerdings könnten viele Firmen heute nicht mehr mit den durch politische Entscheidungen getroffenen Lohnkostensteigerungen mithalten. Deswegen hält auch die CLC fest: „Le gouvernement doit considérer l’équilibre fragile entre la maîtrise des coûts des entreprises et le soutien qu’il veut apporter aux consommateurs. C’est dans ce contexte que la CLC doit exiger la désindexation de l’économie, une révision des mécanismes d’adaptation du salaire social minimal et le gel des cotisations sociales. „Natürlich ist das mit der UEL abgesprochen“, erklärt CLC-Direktor Thierry Nothum auf Nachfrage.
Die Handwerkerföderation ihrerseits hat ihren Forderungskatalog ganz auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten. Zwar schreibt auch sie in der Einleitung, der Staat solle sich aus der Gehälterfindung heraushalten. Doch in dem rund 30-seitigen Dokument findet man die Forderung nach der Desindexierung der Wirtschaft nicht explizit formuliert. Am meisten Sorgen machen sich die Handwerker um die Berufsausbildung, deren Reform ihrer Ansicht nach gründlich misslungen ist und deswegen nach einmal reformiert werden muss. „Le logement est en passe de devenir le goulot d’étranglement du dévelopement économique et social du Luxembourg“, schreibt die FDA und verlangt Maßnahmen, die endlich Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungmarkt in Ausgleich bringen könnten. An dritter Stelle stehen für sie die Niederlassungsmöglichkeiten für Handwerksbetriebe, denen es an geeigneten und erschwinglichen Grundstücken fehle.