Für die Wahlen nächsten Monat ist es nicht unerheblich, dass Sozial- und Familienpolitik so aussehen kann: Noch schnell zum Schulanfang beschloss die im Juni gestürzte Phantomregierung am vergangenen Freitag, die vor einem Jahr geschaffene Einschulungshilfen wieder zu ändern. Als CSV und LSAP mit der Tolerierung, aber ohne das förmliche Einverständnis der Gewerkschaften Ende 2011 eine mehrjährige Indexmanipulation beschlossen, hatten sie einige soziale Begleitmaßnahmen eingeführt. Dazu gehören neben den bisherigen Einschulungszulagen Zuschüsse für die Einschulung armer Kinder über zwölf Jahre, aufgeteilt in einen Einkaufsgutschein über 300 Euro zum Erwerb von Schulbüchern und eine Prämie von 500 Euro.
Diese Zuschüsse schienen notwendig geworden zu sein, weil die drei Jahre zuvor eingeführten Dienstleistungsschecks nur Kindern im Vor- und Grundschulalter zugute kommen. Die national selektiven Dienstleistungsschecks waren erfunden worden, um die von der CSV regelmäßig zu jeder Wahl versprochene Kindergelderhöhung zu ersetzen, so dass keine Grenzpendler, sondern lediglich Wahlberechtigte Anrecht darauf erhielten. Für die Wahlberechtigten waren sie gleichzeitig der Trost dafür, dass Premier Jean-Claude Juncker nach der Desindexierung der Familienzulagen überraschend am 22. Mai 2008 die kostenlose Kinderbetreuung für alle versprochen, aber bis heute sein Versprechen nicht erfüllt hat. Stattdessen wurden Anfang 2013 die Tarife der Dienstleistungsschecks zum zweiten Mal innerhalb von vier Monaten geändert. Zudem gibt es seit der Öffnung des Kolléisch für Arbeiterkinder und der Verlängerung der Schulpflicht keinen triftigen Grund mehr, weshalb die Grundschulbücher kostenlos und die wesentlich teureren Sekundarschulbücher kostenpflichtig sind.
Vor einem Jahr war die zusammen mit den Schulbuchgutscheinen eingeführte Zulage mit dem Argument, dass Bücher, Hefte und Ranzen für jedes Kind gleich teuer sind, als Pauschale gewährt worden. Nun beschloss die Regierung, dass die Zulage nach Familieneinkommen gestaffelt werden soll, um sozial gerechter zu sein. Gleichzeitig wurde der Mindestbetrag von 500 auf 300 Euro gesenkt und der Höchstbetrag von 500 Euro auf 600 Euro erhöht, so dass die ärmsten oder kinderreichsten Familien mehr, weniger arme Familien mit einem oder zwei Kindern aber weniger zu erhalten drohen. Wie viel sie beantragen können, können die Familien mit Hilfe einer 120 Felder großen Tabelle des Sozialindexes erraten. Diese Änderungen erfolgen gleichzeitig mit der Reform der erst vor zwei Jahren reformierten Studienbeihilfen, die zuerst national selektiv erhöht worden waren, um das Kindergeld für Grenzpendler zu kürzen, und nach der Deckelung der nationalen Selektivität durch den Europäischen Gerichtshof aus Kostengründen nun wieder sozial selektiv gesenkt wurden.
Aus alldem und noch vielem mehr lässt sich unschwer ablesen, wohin die Sozial- und der ganze christlich-soziale Stolz der Familienpolitik in den kommenden Jahren zu führen droht: Was einst eine vergleichsweise großzügige, ideologisch schwarz unterfütterte Schaffung immer neuer Prämien als Gegenstück zur roten Sozialpolitik war, soll nun unter dem Druck, die Kosten des Sozialstaats zu senken, billiger, das heißt selektiver werden: zuerst national selektiv auf Kosten der Grenzpendler, dann sozial selektiv, um den Sozialstaat von einer Umverteilungs- zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung umzubauen. Aber das ist leichter gesagt, als getan. Denn Interessenkonflikte und politische Rücksichten erzwingen immer neue Halblösungen, die nach kurzer Zeit durch neue Halblösungen ersetzt werden müssen, bis das wachsende Wirrwarr nur noch zum Preis einer wuchernden Bürokratisierung eingedämmt werden kann. Kein Wunder, dass sich derzeit auch die meisten Wahlprogramme sicherheitshalber auf allgemeine Prinzipien beschränken.