Gleich zwei Reisebücher in einem Jahr – das wirkt fast wie ein Statement, als wolle sich der Autor partout nicht auf die engen Grenzen des Großherzogtums festlegen lassen. Georges Hausemer, dessen Reisereportagen seit Jahren in einheimischen und deutschen Medien erscheinen, legt derzeit einmal im eigenen Verlag und einmal in der Reihe „Lesereise“ des österreichischen Picus Verlags eine Buchveröffentlichung über seine Aufenthalte an fernen Orten vor. Unterschiedlicher könnten die beiden Bücher allerdings kaum ausfallen.
Bei einem Reiseführer – oder wie die Autoren ihr Werk nennen: einen Reisebegleiter – über San Sebastián teilt sich Hausemer die Autorschaft mit Susanne Jaspers, mit der zusammen er vor rund drei Jahren den mittlerweile fest auf dem luxemburgischen Buchmarkt etablierten Verlag Capybarabooks gegründet hat. Ihr Buch über die angeblich „glücklichste Stadt der Welt“, wie es der Untertitel verheißt, überzeugt auf Anhieb durch ein gepflegtes Layout und eine saubere Buchbindung, einen übersichtlichen Aufbau, viele Fotos und Illustrationen sowie einen praktischen Index mit den wichtigsten Anlaufstellen für Touristen (Übernachtungsmöglichkeiten, Restaurants, Shops, Buchhandlungen und dergleichen). Dass hier mitnichten irgendwelche Objektivitätsansprüche geltend gemacht oder nur die Perlen einer bis auf den letzten Winkel durchgetesteten Stadt präsentiert würden, verdeutlicht nicht zuletzt der emphatische Untertitel. Hausemers und Jaspers’ Buch über Donostia, wie San Sebastián auf Baskisch heißt, ist eine ganz persönliche Zusammenstellung der Autoren, die hier offenbar dem Leser ihre ureigenen Vorlieben beim Besuchen ihrer Lieblingsstadt zugänglich machen. Da verwundert es nach einem Blick auf die bisherigen Veröffentlichungen von Jaspers und Hausemer zum Beispiel nicht, dass Essen und Trinken viel Raum einnehmen – wobei die Stadt mit ihrer ausgeprägten kulinarischen Tradition und einer eigenen kulinarischen Hochschule der Neigung der Autoren durchaus entgegenzukommen scheint.
Zu dieser Herangehensweise passt der plauderhafte bis geschwätzige Ton, in dem Wissenswertes und Kurioses über die Stadt mitgeteilt wird, die Vermischung von Historischem mit Anekdotischem, der schnoddrige Umgang mit aller potenzieller Bedeutungsschwere, etwa wenn der Namenspatron der Stadt etwas gefühllos als „knackiger Kerl“ tituliert wird. Das Buch lässt sich schnell nebenher lesen, idealerweise vermutlich bei einem Apfelwein an der Muschelbucht von San Sebastián. Schattenseiten scheint es dort keine zu geben. Oder doch? Bei aller Begeisterung, die man den Autoren gerne zugesteht, wirkt etwas wundersam, dass in den Interviews, die sich in das Buch eingestreut finden, einige „Locals“ durchaus Kritikpunkte anbringen, die angesichts der übermäßig positiven Darstellung der Autoren für den Leser nicht immer nachvollziehbar sind.
Einen anderen Blickpunkt und mit ihm eine nüchternere Haltung zum Reiseziel nimmt Hausemer in seiner klassischen Reisereportage über Georgien ein. Zusammen mit einem Fahrer und einem Dolmetscher macht er sich in Gegenden auf, die den meisten Lesern höchstens vom Hörensagen bekannt sein dürften. Die relative Fremdheit eines Landes, das – anders als andere von Hausemer beschriebene Orte (etwa Thailand oder Andalusien) – nicht im Radius der meisten Touristen der westlichen Welt liegt, macht dieses Buch zu Hausemers vielleicht interessantesten Reportage dieser Art bisher. Dazu trägt eine vom Autor in seinen Unternehmungen offensiv betriebene Mischung von Neugier und gewollter Blauäugigkeit bei: Er betritt Lokale, die eben nicht von der Straße her einsehbar sind, wählt Routen, die die Landkarte nicht verzeichnet, sucht das Absurde. So wird ein angeblich voll funktionstüchtiger Flughafen ohne Flugbetrieb besichtigt oder ein Ort namens Schilda, in dem der Reisende auf Biegen und Brechen Torheiten entdecken will (und so lange umherschweift, bis er fündig wird). Dass er seine Entdeckungen dabei mit einem dezenten selbstironischen Gestus versieht, bewirkt, dass die Erzählerstimme eher zurückgenommen als aufdringlich oder sonstwie lästig wirkt. Im Vordergrund stehen die Erlebnisse, weniger der Erlebende. Von lebensgefährlichen Fahrten auf Schotterpisten ist die Rede, von atemberaubenden Landschaften und bizarren Begegnungen. Eine gesunde Portion Skepsis gleicht die Entdeckerfreude aus: Die jüngere Geschichte Georgiens und die Spuren von Korruption und Misswirtschaft werden keineswegs ausgeblendet. Es ist hier nicht die Vorliebe des Autors für den Ort, der das Buch interessant macht, sondern die – zumindest von Luxemburg aus gesehen – wirkliche Fremdheit dieses Orts.