Nachdem Gast Groeber Ende letzten Jahres den von der Verlegerföderation ausgeschriebenen Publikumspreis für seinen Erzählband All Dag verstoppt en aneren erhalten hat und Roland Meyer mit Roughmix den Prix Servais für den besten Roman von 2014, hat jeder der beiden Autoren in der ersten Hälfte dieses Jahres bei Op der Lay bereits ein weiteres Buch vorgelegt. Eines davon liest sich als Arbeit des Autors an seinem literarischen Projekt, als Vertiefung der bisher angedachten Themen, das andere eher wie das Gegenteil davon, wie eine mit beschriebenen Seiten und etlichen Photos ausgefüllte literarische Auszeit.
Das andere ist das Bändchen Zikelalarm von Roland Meyer, der Text einer „kabarettistischen Lesung“, die der Autor seit 2013 schon vielfach präsentiert hat und die, wie er in dem ausgreifenden Vorwort schreibt, viel Anklang beim Publikum gefunden hat. Meyer macht sich in diesem Programm vor allem über die Grundschulpolitik mit ihrem Kauderwelsch und dem zeitraubenden Aktionismus lustig, mit dem sich Lehrer herumplagen müssen. Die Helikopter-Mütter bekommen ihr Fett weg, aber auch der Lehrer selbst, der mit haufenweise Freizeit und Geld gesegnete Schmarotzer von Steuerzahlers Gnaden, als den er sich im Spiegel der Gesellschaft sieht. Vieles, was Meyer schreibt, ist bestimmt nicht falsch, aber neu ist daran sicher nichts. Seine Kritik an der Schule bleibt im Jahr 2013 stecken, so dass sich die Ministerin mit den Worten Heidi Klums sagen lassen muss: „Liebe Mady, ich hab’ heute leider kein Foto für dich!“ Diese ollen Kamellen stockt der Autor mit Auszügen aus seinen Kinderbüchern auf, in denen von der Schule die Rede ist, was das Buch irgendwie lieblos zusammengestückelt und den Autor irgendwie liederlich wirken lässt. Weil das Kabarett sein soll, geht die politische Korrektheit über Bord, so dass sich der Fan und Kabarettbesucher, den man als Zielpublikum vermuten darf, über Stammtischperlen wie „Preisen“, „houere Belsch“ und „schwuchtelege Muertentrëppeler“ freuen darf. Vielleicht handelt es sich also doch wieder um das Prinzip des „Roughmix“, des Textes, der so veröffentlicht wird, wie ihn der Autor ursprünglich aufs Blatt gerotzt hat.
Die Literatur in luxemburgischer Sprache ist mit Gast Groebers Weekend mat Bléck op Fräiheet jedenfalls besser bedient. Leksa, die Hauptfigur des Romans, durchlebt ein Wochenende, das ihr bisheriges Leben völlig auf den Kopf stellt: Sie verlässt ihren Freund, sichtet neue Arbeitsmöglichkeiten, zieht um, setzt sich mit ihrer Kindheit und ihrer Familie auseinander, verliebt sich in eine Frau, die sie bis dahin nur vom Sehen kannte. Groeber legt die Figur als Grenzgängerin an: Leksa ist russischer Abstammung, hat aber den größten Teil ihres Lebens in Luxemburg verbracht und besitzt einen luxemburgischen Pass. Ihre Lieblingsbeschäftigung, die wöchentliche Wanderung über ein Circuit autopédestre, lässt sich auch metaphorisch lesen: Leksa ist eine Figur, die noch unterwegs ist, die sich nicht festlegen will, nicht auf eine Berufsbezeichnung, nicht auf eine sexuelle Ausrichtung, nicht auf eine Nationalität. Es steht also, wie in Groebers Roman Manu, aber auch wie in vielen Erzählungen aus All Dag verstoppt en aneren die Suche nach einem freiheitlichen Lebensentwurf im Mittelpunkt, die eine Ablösung von Konventionen und Gewohnheiten mit sich bringt, ein Hinterfragen dessen, was alle tun. Auslöser für die vielen Veränderungen während Leksas Wochenende ist eine Frage, die ihr während der morgendlichen Busfahrt zur Arbeit durch den Kopf schießt: „Hunn ech oder huet meng Aarbecht mäi Liewen am Grëff?“ Leksa entledigt sich in den folgenden zwei Tagen so ziemlich aller Einflüsse, die ihr Leben noch „im Griff“ haben – dank einer akkuraten Einschätzung von sich selbst und den Menschen in ihrem Umfeld.
Groebers Vorliebe für intelligente, gebildete Figuren dringt also auch in diesem Roman durch. Leksa lebt nicht in den Tag hinein, sondern überdenkt jede kleinste Veränderung, jede Begegnung, jeden Einfall. Viele andere Figuren, an deren Gedanken der Autor den Leser nicht so unmittelbar teilhaben lässt, scheinen es ihr gleichzutun. Hier, in der gesteigerten Reflexivität der Figuren, liegt die Schwäche des Romans: Er wirkt mitunter wie eine in die Figuren verlagerte dialektische Unterredung des Autors mit sich selbst. Die Figuren kennen sich und einander zu gut, gleich seitenweise ergehen sie sich in treffenden Dialogen, scharfsinnigen Beobachtungen und Analysen. Stärker ist der Roman, wo er einfach erzählt, ohne die Figuren auf Schritt und Tritt ihre Zweifel und Motivationen auseinandersetzen zu lassen.