Künstler, nicht zuletzt Musiker, haben nicht unbedingt den Ruf, die einfachsten Interviewpartner zu sein. Sie haben Aura, besitzen Charisma, haben Vorstellungen über die Ästhetik ihrer Kunst und Erwartungen daran, wie sie diese kommunizieren möchten. Der Luxemburger Autor und Musikkritiker Alain Steffen stellt sich seit Jahren dieser Herausforderung und hat den künstlerischen Austausch, das Debattieren, das Nach- und Hinterfragen oder einfach auch mal das Plaudern mit Musikern zu seiner publizistischen Lebensaufgabe gemacht. 2011 hat er beim Freiburger Verlag Rombach seine erste Sammlung an Künstlergesprächen herausgebracht. Unter dem Titel Bitte fragen Sie kamen Weltstars wie Mariss Jansons, Kurt Masur, Maurizio Pollini oder Anne-Sophie Mutter zu Wort, aber auch Künstler der jüngeren Generation wie Julia Fischer oder Sol Gabetta, Komponisten wie Pierre Boulez und Jörg Widmann oder Intendanten wie Andreas Mölich-Zebhauser und Matthias Naske.
Mit ... und auf einmal kann ich fliegen stellt Steffen nun seinen zweiten Band von Interviews mit Musikern vor. Das Titelzitat hat ihm die Starpianistin Hélène Grimaud geliefert, die in den letzten Jahren selbst mit dem Schreiben von Büchern nach schöpferischer Kraft suchte. Sie spricht über das Sich-Öffnen, die heilende Kraft der Musik, Risikobereitschaft, ihren Drang nach Weltoffenheit, Abenteuer und Suche. Von der Diva ist da keine Spur. Alain Steffen schafft mit seiner gefühlvollen und gelassenen Gesprächsführung den Spagat zwischen künstlerischem Tief- und menschlichem Zugang. Vor allem kommen die Texte nicht wie ein steril gehaltener Frage- und Antwort-Katalog herüber, sondern wie echte Gespräche, in denen weniger die Struktur als vielmehr die Suche nach der Facettenvielfalt der Interviewpartner eine Rolle spielt.
Die Liste der Interviewpartner liest sich wie die Besetzungszettel von sechs Konzerthaus-Spielzeiten: Steffen unterhält sich mit rising stars wie Cathy Krier, Gabriela Montero, Mojca Erdmann, Daniel Harding oder Baiba Skride, Legenden wie Anne-Sophie Mutter, Maria João Pires, Elisabeth Leonskaja, Sir Neville Marriner oder Riccardo Muti, Grenzgängern wie dem Komponisten Dieter Amann oder auch dem Luxemburger Johny Fritz, der sich seit mehr als 35 Jahren mit seinem Ensemble Tempus est iocundum für Alte Musik einsetzt. Das Buch ist für Melomanen wie eine wertvolle Schatztruhe. Man blättert, stöbert, sucht – und findet immer wieder neue, interessante, mehr oder weniger wissenswerte, aber immer unterhaltsame Aspekte der Künstler, die man so gerne auf der Bühne erlebt.