Die nächste Runde Steuerdumping

Gramegna/Wiseler
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 14.09.2018

Die CSV möchte, dass der Körperschafts- und Gewerbesteuersatz der Unternehmen von insgesamt 26 Prozent „global auf 20 Prozent herabgeht über fünf oder acht Jahre“, kündigte Spitzenkandidat Claude Wieseler am Montag an, als er den letzten Teil seines Wahlprogramms E Plang fir Lëtzebuerg vorstellte. Das war, nach 1987, 1997, 2002, 2009 und 2017, der Startschuss für eine neue Runde Steuerdumping während der nächsten Legislaturperiode unter einer möglicherweise CSV-geführten Regierung.

Die Blaupause dieses Plans für Luxemburg zur Senkung der Unternehmensbesteuerung hatte die Handelskammer im Oktober 2016 in ihrem Gutachten zur Steuerreform gezeichnet: „Dans le contexte spécifique luxembourgeois et compte tenu du processus BEPS, la Chambre de Commerce recommande l’annonce dès que possible d’un calendrier précis de réduction du taux de l’impôt nominal global des sociétés. Un tel calendrier (‚feuille de route‘) reposerait sur deux piliers, pouvant le cas échéant être mis en œuvre de manière simultanée : premier pilier : fixer pour objectif un taux nominal global et standard d’imposition des sociétés au Luxembourg se situant au ‚milieu du peloton‘ de l’UE [...], second pilier : en fonction de l’incidence du processus BEPS sur la base imposable, adapter en parallèle le taux d’imposition nominal.“

Der christlich-soziale Plan für Luxemburg zur Senkung der Unternehmensbesteuerung war aber auch die Antwort auf Finanzminister Pierre Gramegna (DP), der am 23. September 2015 über RTL zur Körperschaftssteuer versprochen hatte: „Es ist wichtig, dass die nominale Steuer der Unternehmen von 21 Prozent, wo sie heute ist, in Richtung 15 Prozent geht, in Richtung 15 Prozent.“ Aber die Körperschaftssteuer auf weniger als seit diesem Jahr 18 Prozent – 15 Prozent für kleinere Firmen – zu senken, war dieser Regierungskoalition nicht mehr gegönnt. ­Claude Wiseler und Pierre Gramegna scheinen sich demnach einig, dass den Steuersatz in Richtung des Satzes der baltischen Staaten und Irlands zu senken, die dringliche Aufgabe für die nächste Koalition sein wird.

Schließlich heißt es auch im Wahlprogramm der DP: „Weil die Steuerberechnungsbasis für Unternehmen im Zuge internationaler Regelungen erweitert wird, wird die DP dementsprechend den Unternehmenssteuersatz sowie die Besteuerung von Dividendenerträgen nach unten anpassen. Die DP wird den globalen Steuersatz von heute 26,01% an die Durchschnittsätze in Europa und in den OECD-Ländern heranführen.“

Selbst die ADR, die mit Warnungen vor dem „maßlosen Wirtschaftswachstum“ Überfremdungsängste schürt, ruft auf: „Der „Taux d’affichage bei der Betriebsbesteuerung muss dem internationalen und besonders europäischen Umfeld Rechnung tragen, damit Luxemburg als Standort konkurrenzfähig bleibt.“ Auch die kleine Piratenpartei will „gute Bedingungen“ für die Unternehmen, wie „selektive steuerliche Erleichterungen, eine Verringerung der administrativen Hürden, bessere Rechtssicherheit für Firmen und ein gut funktionierender freier Arbeitsmarkt“.

Nachdem sie den Körperschaftssteuerstaz im Januar 2017 und erneut im Januar 2018 gesenkt hatten, sind LSAP und Grüne gegenüber ihren Wählern zumindest bis nach den Wahlen zurückhaltender. „Für die LSAP gibt es keine Notwendigkeit, den Unternehmenssteuersatz weiter zu senken. Vielmehr wird es darum gehen, den Faktor Arbeit langfristig zu entlasten und den Produktivitätsgewinn im Rahmen der digitalen Entwicklung stärker zu belasten (durch eine Robotersteuer oder die Besteuerung von künstlicher Intelligenz)“, heißt es im Wahlprogramm der LSAP. Auch die Grünen wollen „die Körperschaftssteuer nicht weiter absenken. Wir werden uns jedoch gezielten steuerlichen Anreizen nicht widersetzen, wenn diese helfen, einzelne bestehende Wirtschaftszweige zu stützen oder neue, innovative Sektoren zu schaffen“.

Entschiedene Ablehnung kommt lediglich von links der breiten Mitte: Déi Lénk will „die Unternehmen stärker besteuern durch eine Erhöhung der Steuersätze und eine Erweiterung der Bemessungsgrundlage“. Auch die KPL verlangt „die Erhöhung der Körperschaftssteuer (Impôt sur le revenu des collectivités) für mittlere und Großbetriebe“.

Aber „wir brauchen eine Reform der Betriebsbesteuerung“, meinte Claude Wiseler am Montag. „Unsere Konkurrenz auf EU-Ebene hat eine Betriebsbesteuerung von durchschnittlich 21 Prozent.“ In Irland seien es 12 Prozent, in Großbritannien sei die Steuer von 23 auf 19 Prozent gesenkt worden und solle auf 17 Prozent gehen, die Schweiz wolle von 17 auf 15 Prozent senken. Die Luxemburger Regierung habe den Körperschafts- und Gewerbesteuersatz nun zwar von 29 auf 26 Prozent gesenkt, aber das reiche nicht. Denn „die Möglichkeiten, die wir als Luxemburger hatten, die uns attraktiv gemacht haben in den vergangenen Jahren, als wir auf Steuerbefreiung und verschiedene Vorteile, auf Abschreibungsmöglichkeiten bauten, werden immer geringer, weil Richtlinien wie Accis [Assiette commune consolidée pour l’impôt sur les sociétés], Beps [Base erosion and profit shifting] und gegen die Steuerflucht in den nächsten Jahren auf uns zukommen“. Der Taux d’affichage müsse gesenkt werden, weil auf der Bemessungsgrundlage keine „günstigen Ausnahmen“ mehr gestattet würden. Der Steuerwettbewerb werde „nicht mehr auf verschiedene Möglichkeiten der Steuersenkungen, sondern auf dem Taux d’affichage ausgetragen“, dem offiziellen Steuersatz auf dem Papier, der keine Auskunft darüber gibt, wie hoch die tatsächliche Steuerlast nach allerlei Abschreibungsmöglichkeiten in der Praxis ist.

Die CSV will laut Claude Wiseler den Körperschaftssteuersatz von 18 auf 15 Prozent senken. Die kommunale Gewerbesteuer soll abgeschafft und durch eine zusätzliche Gemeindesteuer auf der gleichen Bemessungsgrundlage ersetzt werden. Einen entsprechenden Vorschlag hatte der Wirtschafts- und Sozialrat in seinem Gutachten von 1989 gemacht, um ausländischen Investoren den Eindruck zu geben, dass es nur eine Unternehmenssteuer in Luxemburg gibt, und um die Steuererhebung zu vereinfachen.

Anders als 2013 dürften die Unternehmerlobbys kaum noch einen Grund haben, Wahlkampf gegen die CSV zu machen. Aber deren Vorschlag steht andererseits im Widerspruch zu dem Malthusianismus, mit dem sie seit zwei Jahren eine Drosselung des Wirtschaftswachstums verlangt. Denn eine Senkung der Unternehmensbesteuerung beschleunigt eher das Wachstum. Die CSV ist sich dieses Widerspruchs bewusst, denn Claude ­Wiseler versuchte, ihn zu entschärfen: „Nur wenn wir attraktiv sind, können wir entscheiden, können wir die Wahl haben, wo wir Ja sagen und wo wir auch bei verschiedenen Betrieben Nein sagen, wenn wir meinen, dass sie nicht in das Netz der Luxemburger Industrie passen.“

Dass die Senkung der Körperschaftssteuer tatsächlich dem „Netz der Luxemburger Industrie“ dienen soll, wie Caude Wiseler behauptet, ist jedoch nicht so sicher. In ihrem Compendium für die rezente Steuerreform rechnete die Steuerverwaltung für das Jahr 2014 vor, dass 71,7 Prozent der Körperschaftsteuereinnahmen von der Finanz- und Versicherungsbranche stammten, davon je ein Drittel von Banken und von Soparfi (Sociétés de participations financières), Beteiligungsgegesellschaften, mit denen die Besteuerung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen verhindert wird. Von der Industrie stammten 1,5 Prozent, von der Baubranche 4,3 Prozent. Es sind also keinesfalls die Indus­triebetriebe, die am meisten von einer Senkung der Körperschaftssteuer profitieren. Am meisten profitierten von den regelmäßigen Senkungen einige sehr große Unternehmen, denn laut Steuerverwaltung zahlten 0,02 Prozent der Steuerpflichtigen ein Viertel und 0,73 Prozent drei Viertel der Körperschaftssteuer. Kaum anders waren die Verhältnisse bei der kommunalen Gewerbesteuer.

CSV und DP wollen in ihren Wahlprogrammen aber nicht bloß den Taux d’affichage senken, um eine Vergrößerung der Bemessungsgrundlage zu neutralisieren. Claude ­Wiseler kündigte darüber hinaus „selbstverständlich Auswirkungen auf den Staatshaushalt“ an, die nur über mehrere Jahre abzufedern seien. Doch die CSV macht keine Angaben darüber, was die von ihr vorgeschlagene Senkung der Körperschaftssteuer die Staatskasse kosten würde. Dabei hatte der finanzpolitische Sprecher der Partei, Gilles Roth, der Regierung noch bei der Diskussion der Steuerreform am 14. Dezember 2016 ein Zitat von Pre­mier Xavier Bettel unter die Nase gerieben: „Wir sagen den Leuten, was auf sie zukommt.“

Dem Compendium der Steuerverwaltung lässt sich entnehmen, dass der Anteil der Körperschaftssteuereinnahmen an den Steuereinnahmen des Staats alleine in den acht Jahren zwischen 2007 und 2015 von 31,14 auf 22,84 Prozent gesunken ist. Wird der 1987 eingeleitete Trend zur Senkung des Körperschaftssteuersatzes fortgesetzt – die Erfahrung der vergangenen 30 Jahre deutet darauf hin –, dann wird der Satz im Jahr 2048 null Prozent erreichen.

Weil ihre Senkung der Körperschaftssteuer teuer für die Staatskasse zu werden droht, schlägt die CSV ein „fünf-, sechs-, siebenjähriges Programm“ vor, auch von acht Jahren ging die Rede. Aber auf jeden Fall sollen schon der übernächsten Regierung die Hände gebunden werden. Deshalb möchte Claude Wiseler sein Steuerprogramm am liebsten „zusammen mit der Opposition umsetzen, damit es auch über die Legislaturperiode hinaus Bestand hat“. So soll im globalen Wirtschaftskrieg die Senkung der Körperschaftssteuer mit einer Burgfriedenspolitik durchgesetzt werden, für die es keine Parteien mehr gibt, sondern nur noch und Soparfi.

Romain Hilgert
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