Leitartikel

Am Ende des amerikanischen Jahrhunderts

d'Lëtzebuerger Land vom 21.06.2019

Ein wenig wie Bartleby beschloss die Regierung am Freitag, dass Luxemburg lieber nicht an einem Kriegszug gegen die Islamische Republik Iran teilnehmen würde. Denn die Geschichte des Irakkriegs und seiner Folgen lehre, dass man Probleme nicht mit Waffengewalt lösen könne, so eine anschließend vom Außenministerium verbreitete Erklärung. Außenminister Jean Asselborn (LSAP) war ein leidenschaftlicher Gegner des Irakkriegs, auch wenn es ihm damals aus der Opposition heraus leichter fiel und er dann in der Regierung ein ebenso leidenschaftlicher Befürworter des Nato-Angriffs auf Libyen war.

In den letzten 50 Jahren ist der Anteil der USA am weltweiten Bruttosozialprodukt um die Hälfte gefallen. Deshalb fühlen sie sich gezwungen, Donald Trump zu wählen und ihre Auto-, Handy- und sonstigen Industrien mit Waffengewalt, Boykottmaßnahmen und Importzöllen gegen BMW und Huawei zu verteidigen. „Wenn das Ziel lautet, der heimischen Industrie zu Wachstum zu verhelfen und amerikanische Champions zu formen, dann sind solche Maßnahmen zumindest vorübergehend sinnvoll. Insofern kann ich nachvollziehen, was Donald Trump macht“, applaudierte Lakshmi Mittal vorige Woche in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der Stahlbaron, der selbst mehr Protektionismus von der Europäischen Union fordert, unterstützt vorerst den zivilen Teil des Washingtoner Handelskriegs. Aber die Stahlindustrie ist andererseits die Mutter aller Rüstungsindustrien, wie sich in den Letzten Tagen der Menschheit zum Thema „Stahlbad“ und „Stahlgewitter“ nachlesen lässt.

Nach der einseitigen Aufkündigung des Atomvertrags versuchen die USA zusammen mit dem saudischen Schurkenstaat und der rechtsradikalen Regierung in Jerusalem erneut, den iranischen Schurkenstaat mit immer neuen Boykottmaßnahmen in die Knie zu zwingen – auch auf die Gefahr hin, den stets als „Pulverfass“ beschriebenen Nahen Osten in die Luft zu jagen. Die DP/LSAP/Grüne-Regierung ist sich bewusst, dass dies auch Teil des Handelskriegs gegen die europäischen Verbündeten ist. Schließlich boykottieren die USA alle europäischen Firmen, die mit dem Iran Geschäfte machen, kontrollieren in der Straße von Hormus die Energieversorgung der EU, Chinas und Japans und treiben mit ihrer Eskalationspolitik die Erdölpreise in die Höhe. Für den Fall eines durch Kalkül oder Zufall ausgelösten Kriegs gegen den Iran erwartet die Europäische Union eine Destabilisierung des Iraks mit neuen Flüchtlingen und neuen Terroranschlägen – in Europa.

Deshalb rief die Regierung die Beteiligten auf, sich nicht gegenseitig zu beschuldigen, sondern einen kühlen Kopf zu bewahren und eine Konfrontation zu vermeiden, die den Frieden und die Sicherheit in der ganzen Region bedrohe. Sie wünschte sich, dass die Diplomatie die Oberhand behalte und rief alle Beteiligten zur Zurückhaltung und Deeskalation auf. Mit „alle Beteiligten“ sind zuerst unsere amerikanischen Freunde gemeint. Denn ihr Präsident eröffnete diese Woche seinen Wahlkampf um eine zweite Amtszeit, und in der hochmilitarisierten US-Gesellschaft führt eine Militärexpedition am anderen Ende der Welt stets zum patriotischen Schulterschluss hinter dem Commander in Chief.

Als Veteran der Friedensbewegung vom Nato-Doppelbeschluss bis Jugoslawien und Irak kündigte Arbeitsminister Dan Kersch (LSAP) sogar über Facebook an, dass er seine „Funktionen automatisch niederlegen“ werde, falls Luxemburg doch noch einen Krieg gegen den Iran finanziell oder logistisch unterstütze. Seine Kritiker nannten das umgehend ein durchsichtiges Manöver. Aber wer weiß, ob die Regierung sich nicht gleich bei der ersten Gelegenheit zwischen ihrem Arbeitsminister und ihrem Luxgov-Satelliten entscheiden muss.

Romain Hilgert
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