Leitartikel

Cannabis auf Krankenschein

d'Lëtzebuerger Land vom 10.11.2017

Cannabis soll ein Medikament für alle werden – die es dringend brauchen. Das kündigte Gesundheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP) diese Woche an und tat dabei fast so, als wäre das etwas Großes. Dabei liegt ein Entwurf noch nicht vor und ist der Schritt überfällig. Seit Jahren steht gar nicht mehr zur Debatte, ob Cannabis zur Therapie zugelassen werden darf: Es ist längst im Einsatz. Die blau-rot-grüne Koalition, und auch die vorige Regierung , hatte bisher nur nicht den Mut, diesen Konsum gesetzlich abzusichern und bürokratische Hürden für Patienten abzubauen.

Den Mut hat sie immer noch nicht wirklich. Nicht nur, dass Mutsch gefühlte hundert Mal betonte, das Medikament nur unter Wahrung „aller Sicherheitsdispositive“ abzugeben. Cannabis wird also weiterhin nur für eine streng limitierte Zahl Patienten erlaubt sein, als ultima ratio für chronische Schmerz- und Krebskranke, bei Multipler Sklerose oder schweren spastischen Lähmungen. Sie sollen Medizinalhanf von ausgewählten Fachärzten verschrieben bekommen. Wer dazu gehört, wollte die Ministerin nicht sagen. Das sollen Beratungen unter anderem mit dem Ärztekollegium ergeben, als säßen dort allesamt Experten für diese Behandlungsformen. Cannabis für medizinische Zwecke wird es zudem nur im Rahmen eines zweijährigen Pilotprojekts mit Ausnahmegenehmigung geben, dessen Startpunkt nicht feststeht. Während dieser Zeit will die Regierung Daten über Wirkung, Anwendung und Behandlungserfolg sammeln. Doch wie soll das konkret gehen, wenn sie Epilepsie oder Anorexie beispielsweise von vornherein als Behandlungsfeld ausklammert?

In Deutschland erhielten während der Probephase nur 647 Patienten die Ausnahmeerlaubnis, die Kosten mussten sie während dieser Zeit selbst tragen, bis der Bundestag Hanf als Medikament zu Jahresbeginn endlich legalisierte. Was soll Luxemburg anderes als Deutschland herausfinden? Zwei lange Jahre, während denen Patienten, die nicht die Zugangskriterien für eine Cannabis-basierte Behandlung erfüllen, diese aber wünschen, der Zugang dazu verwehrt bleibt. In Deutschland berichteten sogar Krebskranke im Endstadium, welche Mühe sie hatten, unwillige Ärzte zu überzeugen, ihnen ein Cannabis-basiertes Präparat zu verschreiben.

Dass die Substanz nicht an alle und jeden gegeben werden kann, liegt auf der Hand. Die hirnorganische Entwicklung von Jugendlichen kann durch den Einfluss der Droge beeinträchtigt werden. Aber zum einen haben hier zugelassene Cannabis-Produkte kaum berauschende Wirkung. Zum anderen geht es ausdrücklich um den medizinischen Gebrauch. Der Zugang bleibt extrem beschränkt. Dafür dass es an einer „Grundakzeptanz“ in der Bevölkerung für die Freigabe von Medizinalhanf fehlen könnte, wie Mutsch andeutete, gibt es keine Belege. Angesichts der erlaubten Sterbehilfe wäre ein Verbot selbstbestimmter Schmerzlinderung widersprüchlich.

Die Frage nach einer Legalisierung von Cannabis für den Freizeitgebrauch, so wie das die Jugendorganisationen von DP, LSAP und Grüne fordern, ist damit nicht beantwortet. Die Regierung hat versprochen, die Drogenpolitik grundsätzlich zu hinterfragen und Justizminister Félix Braz (Grüne) Vorarbeiten hierzu vor drei Jahren angekündigt. Konsumenten, die auf Cannabis, sei es aus medizinischen oder rekreativen Gründen nicht verzichten wollen, bleibt somit nur der Weg über den Schwarzmarkt, was neben der Strafbarkeit und der damit einhergehenden Kriminalisierung unkontrollierte, womöglich gepanschte Ware bedeutet und somit einen Konsum unter erheblichen Gesundheitsgefahren. Statt über Altersbegrenzungen, THC-Höchstwerte sowie Qualitätsauflagen diese Risiken einzudämmen, was eigentlich Aufgabe einer evidenzbasierten Gesundheitspolitik und einer Gesundheitsministerin ist.

Ines Kurschat
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