Am vergangenen Wochenende besuchten schätzungsweise 13 000 Volljährige im Land Kirchen und andere Gebetshäuser. Das entspricht jedenfalls dem Anteil, den eine Meinungsumfrage vor drei Jahren für die European Values Study ermittelt hatte. Vor Ort konnten die 13 000 Gläubigen kostenlos religiöse Dienstleistungen, wie Messzeremonien und Sakramente, in Anspruch nehmen. Auch die Infrastruktur, Kirchengebäude und Einrichtung, wurde ihnen kostenlos zur Verfügung gestellt, zu Lasten der Gemeinden. Sie brauchten auch die Pfarrer, Kapläne, Rabiner, Pastoren und Diakone nicht für die Dienstleistungen zu bezahlen, weil der Staat deren Gehälter und Pensionen trägt.
Wie viel Staat und Gemeinden jährlich ausgeben, um religiöse Dienstleistungen und insbesondere die als inoffizielle Staatsreligion angesehene katholische Kirche zu bezuschussen, war lange Zeit ein wohl gehütetes und oft mit dem Hinweis auf fehlendes Zahlenmaterial gerechtfertigtes Geheimnis des CSV-Staats. Noch die 1997 von wild entschlossenen Kirchengegnern für ein Schwarzbuch zur Trennung von Kirche und Staat zusammengetragenen Angaben waren mehr als dürftig. Und während der parlamentarischen Orientierungsdebatte, mit der die Grünen kurz vor den Gemeindewahlen die sozialistische Konkurrenz in Verlegenheit zu bringen versuchten, lehnten CSV und LSAP am Dienstag dieser Woche einen Antrag der DP-Abgeordneten Anne Brasseur ab, den Rechnungshof mit einer Kostenaufstellung der Bezuschussung der Kirchen zu beauftragen.
Seit der Staat allerdings 1998 begonnen hat, Konventionen über die Subventionierung abrahamitischer Religionen abzuschließen, und das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen ein Dauerthema von Koalitionsverhandlungen, parlamentarischen Anfragen und Parlamentsdebatten geworden ist, ist ein Kostenüberschlag möglich geworden.
Das traditionell der CSV unterstellte Kultusministerium verfügt für 2011 über einen Haushalt von 24,6 Millionen Euro. Davon gehen 22,9 Millionen oder 93 Prozent in die Gehälter der römisch-katholischen Priester und 1,5 Millionen oder sechs Prozent in die Gehälter protestantischer, jüdischer und orthodoxer Glaubensgemeinschaften. Das restliche Prozent stellen Zuschüsse an die Glaubensgemeinschaften, das Priesterseminar sowie für die Digitalisierung kirchlicher Urkunden und die Sanierung von Kirchenbauten von nationaler Bedeutung dar. Über das Budget des Ministeriums für den öffentlichen Dienst und die Verwaltungsreform werden dieses Jahr zusätzlich 3,8 Millionen Euro als Pensionen an Geistliche im Ruhestand ausgezahlt. Das Erzbistum zählte vergangenes Jahr 148 ihm unterstellte Priester, davon war ein Drittel älter als 65 Jahre.
Das Priesterseminar kostete den Staat vergangenes Jahr einschließlich der Pensionen der Seminarlehrer im Ruhestand 1,3 Millionen Euro, so eine Antwort von Kultusminister François Biltgen vom 25. April 2011 auf eine parlamentarische Anfrage. In der weiträumigen Kirchberger Anlage mit einer wertvollen Bibliothek und einem Schwimmbad im Untergeschoss wurden 2010 sechs Seminaristen für den Priesterberuf ausgebildet.
Das Erziehungsministerium hat in seinem Budget für das laufende Jahr 12,1 Millionen Euro für den römisch-katholischen Religionsunterricht in den Grundschulen vorgesehen. Die römisch-katholischen Religionslehrer im Sekundarunterricht kosteten, so Kultusminister François Biltgen am 25. April 2011, vergangenes Jahr 4,3 Millionen Euro; 67 330 Euro wurden zusätzlich für Lehrbeauftragte ausgegeben. Die Pensionen der ehemaligen Religionslehrer des Sekundarunterrichts kosteten 1,3 Millionen Euro.
Die Gemeinden tragen wesentlich zur Bezuschussung der römisch-katholischen Kirche bei. bei. Die Stadt Luxemburg gab beispielsweise laut Gemeindehaushalt vergangenes Jahr 2,7 Millionen Euro für die katholische Kirche aus. Davon waren 2,1 Millionen für den Unterhalt der Kirchen und Pfarrhäuser sowie 345 000 Euro, mit denen die Defizite der Kirchenfabriken gedeckt wurden. Die Gemeinde war maßgeblich an den Sanierungskosten der Kathedrale beteiligt, die der Staat mit 117 779 Euro bezuschusste, wie der Kultusminister im Oktober 2009 auf eine parlamentarische Anfrage hin erklärte.
Esch-Alzette gab 2010 laut Gemeindehaushalt 186 599 Euro für den Unterhalt der Kirchen aus sowie 120 000 Euro für die Reparatur der Église Sacré Coeur. Die drittgrößte Gemeinde, Differdingen, hatte vergangenes Jahr 120 954 Euro für den Unterhalt der Kirchenbauten in ihrem Haushalt, wobei der Löwenanteil auf Heizkosten entfiel.
Nach Angaben des Innenministeriums betrugen die ordentlichen Ausgaben von 117 Gemeinen im Jahr 2007 für ihre Kirchen insgesamt sieben Millionen Euro, die außerordentlichen Ausgaben fast sechs Millionen Euro. Davon machte die Bezuschussung der defizitären Kirchenfabriken eine halbe Million Euro aus. Viele Gemeinden stellen römisch-katholischen Geistlichen Pfarrhäuser kostenlos zur Verfügung. Bei der Zahl der verbliebenen Geistlichen und der Höhe der gängigen Mieten dürfte dies einem Gegenwert von 1,5 Millionen Euro jährlich entsprechen. Das Wohnungsbauministerium sieht dieses Jahr 205 000 Euro Zuschüsse für Wohnungen der Kirchenfabriken und Orden vor.
Zahlreiche andere Ministerien bezuschussen zudem erzieherische, soziale und kulturelle Aktivitäten kirchlicher Einrichtungen und Verbände, von Kirchenchören über Pfadfinder und Obdachlosenunterkünfte bis hin zu Privatschulen, Altersheimen und Krankenhäusern. Durch das Gesetz vom 13. Juni 2003 gewährt der Staat beispielsweise den von ihm vertraglich anerkannten konfessionellen Vor-, Grund- und Sekundarschulen jährliche Zuschüsse pro Schüler. Für das laufende Jahr sieht das Budget des Erziehungsministeriums insgesamt 66,4 Millionen Euro an Zuschüssen zu den Betriebskosten der zum Teil konfessionellen Privatschulen vor. Das Budget erlaubt zudem eine staatliche Beteiligung an den Investitionskosten der zum Teil konfessionellen Privatschulen in Höhe von 17 Millionen Euro – gegenüber sieben Millionen vergangenes Jahr. Der Fonds für historische Bauten sieht 292 000 Euro für die Restauration von Kirchenbauten vor. Aber selbst wenn diese Initiativen selbstverständlich dazu beitragen, den schwindenden gesellschaftlichen und politischen Einfluss des Erzbistums zu festigen, verfolgen sie auch soziale und kulturelle Ziele, so dass sie eher eine indirekte Bezuschussung darstellen.
Die öffentliche Bezuschussung der Religionsgemeinschaften kommt lediglich einer kleinen Minderheit von regelmäßig Praktizierenden zugute. Wer bloß an das Übernatürliche glaubt oder zu Hause betet, braucht keine der kostenlos angebotenen religiösen Dienstleistungen und Infrastrukturen in Anspruch zu nehmen. Geht man davon aus, dass Staat und Gemeinden die religiöse Praxis der rund 13 000 Kirchgänger vom vergangenen Sonntag mit jährlich um die 57 Millionen Euro direkt bezuschussen, kostet der Glaube eines Jeden von ihnen an das Übernatürliche die Steuerzahler 4 385 Euro.
Die Regierung schließt nur Konventionen zur Bezuschussung der drei abrahamitischen Weltreligionen ab. Denn Zuschüsse fließen dieses Jahr auf der Grundlage von Konventionen an die römisch-katholische Kirche, zwei protestantische Kirchen, das jüdische Konsistorium, die anglikanische und die orthodoxen Kirchen. Das islamische Zentrum der inzwischen zweitgrößten Religionsgemeinschaft im Land bekommt ohne Konvention ganze 2 480 Euro. Die Bevorzugung der monotheistischen Religionen und innerhalb dieser der römisch-katholischen Kirche auf Kosten anderer Religionen, Sekten, Aberglauben, Freimaurer, Wahrsager, Kartenleger und Horoskopdichter stellt eine Wettbewerbsverzerrung durch die Subventionspolitik dar, die zumindest dem Geist des europäischen Wettbewerbsrechts widerspricht.
Während der Debatten über die Trennung von Staat und Kirche im Parlament schienen sich alle Parteien diese Woche einig, dass es nicht zum Bildungsauftrag des Staats gehört, in der angestrebten Wissensgesellschaft die Verbreitung irrationaler Ansichten als Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit des nationalen Produktionsstandorts einzudämmen. Vielmehr soll der liberale Staat die Religionsfreiheit irgendwie als Sonderfall der Meinungsfreiheit gewährleisten und schützen. Allerdings wussten die Befürworter der Subventionspolitik nicht schlüssig zu rechtfertigen, weshalb er religiöse Meinungen im Gegensatz zu anderen Meinungen nicht nur schützen, sondern auch mit Millionen aus öffentlichen Mitteln fördern soll.
Dass die Parlamentsdebatte überhaupt stattfand und selbst die CSV als politische Kirchenlobby sich bereit erklärte, über eine Reform der Bezuschussung zu diskutieren, zeigt jedoch, dass die Investitionen des Staats in eine historisch recht erfolgreiche Herrschaftsideologie nicht mehr die politischen Dividenden versprechen wie früher. Denn insbesondere die katholische Kirche ist sehr minoritär geworden und hat sich durch Missbrauchsskandale diskreditiert.
Doch in Wirklichkeit stellt sich die Frage, weshalb beispielsweise die Trinkwasserversorgung nach dem Kostendeckungsprinzip verrechnet werden soll, nicht aber die Versorgung mit religiösen Ritualen. Die Aussicht auf ein Leben nach dem Tode müsste jedem Interessenten schon eine jährliche Ausgabe von 4 385 Euro wert sein. Um so mehr als die Gläubigen damit rechnen können, dass der Betrag in Wirklichkeit gegen null zu tendieren verspricht, weil er sich auf ewige Zeiten abschreiben lässt.