„Das Land rings um die Stadt Luxemburg ist ein ungewöhnlich schönes Wander- und Ferienland. Selbst der Industriebezirk um Esch an der Alzig, wo die Eisenerze gefördert und verhüttet werden, braucht davon nicht ausgenommen zu werden.“ Doch „das eigentliche Erholungsland beginnt freilich erst mit dem Eischtal, nordwestlich von Luxemburg.“ So schwärmt eines der acht zwischen Frühjahr 1942 und 1943 erschienenen Kleine[n] Faltblätter des Fremdenverkehrsverbandes Luxemburg. Denn „[v]iele Jahre lief an Obermosel, Sauer und Ur mitten durch eine Landschaft und ein Volkstum eine Grenze. Nun, da sie gefallen ist, steht deutsches Land wieder deutschen Menschen zur Freude und Erholung offen.“
In geradezu dichterischen Tönen wirbt ein anderes Faltblatt für den Urlaub an der Obermosel: „Ein indigoblauer Himmel wölbt sich über hochstrebenden, sattgrünen Weinbergshügeln, die der wie geschnittenes Blei glitzernde Wasserstreifen des Flusses durchfurcht. In der Ferne dehnen sich behäbige Dörfer in leuchtendem Weiß. Vor dem Beschauer liegt das Städtchen mit seinen patinaroten Ziegeldächern, den winkligen Gäßchen, der in geschwungenem Barockstil erbauten Bergkirche. Weinduft dringt aus den Kellern und Lebensfreude strahlt von den Gesichtern der Menschen. [...] Auf den schönen Gasthausterrassen, wo sich die Ausflügler über Platten mit gebräunten Fischen, der landesüblichen ‚Fritüre’ beugen, erklingen die Lieder eines sangesfrohen Volkes.“ Zudem biete die Obermosel den Urlaubern „reiche Gelegenheiten zur Ausübung des Angelsports, zum Paddeln, und Rudern, zum Baden und Schwimmen, zum Wandern und zum Zelten“, während zur gleichen Zeit weiter östlich die deutsche Wehrmacht die Erdölfelder des Kaukasus zu erobern versucht.
Der Fremdenverkehrsverband im von Nazi-Deutschland besetzten Luxemburg war am 5. Juli 1941 durch eine Verordnung des Chefs der Zivilverwaltung gegründet worden, um die Arbeit der zahlreichen privaten und lokalen Tourismus- und Verschönerungsvereine zu zentralisieren. Zum Leiter wurde der Leiter des Reichspropagandaamtes Moselland, Gaupropagandaleiter Albert Urmes aus Trier, ernannt. Als eine der ersten Aktivitäten, so das Luxemburger Wort vom 10. Oktober 1941, führte der Fremdenverkehrsverband „für sämtliche Fremdenverkehrsgemeinden des Landes Luxemburg eingehende Ermittlungen durch, deren Ergebnisse der Ausarbeitung von einheitlichen Werbeschriften dienen werden. Diese Erhebungen, die über die Landräte und die Amtsbürgermeister gehen, erfolgen auf Grund eines Fragebogens, der als ein Muster seiner Art betrachtet werden kann – wird doch seine sorgfältige Beantwortung eine erstmalig wirklich lückenlose Erfassung aller fremdenverkehrswichtigen Tatsachen und Einrichtungen unter Berücksichtigung von Geschichte, Heimatkunde und Landschaft gewährleisten.“
Eines der beim Luxemburger Wort auf billigem Holzschliffpapier gedruckten und für fünf Reichspfennig verkauften Faltblätter sollte die Urlauber in die Echternacher Gegend locken. Denn die „klimatischen Bedingungen dieses idealen und beglückenden Ferienlandes sind die denkbar günstigsten. Im windgeschützten Tal leuchtet die Frühlingssonne mit anheimelnder Wärme. Endlos weitgedehnte Laubwälder spenden Schutz in heißen Sommertagen, Strandbäder locken, flinke Boote gleiten über den Fluß, Waldbäche rauschen erfrischend zu Tal. Milde Herbststrahlen verklären Hänge und Täler mit wohltuender Farbenpracht. Durch Laub- und Nadelwald, an Felsen und Bächen vorbei schlängeln sich sorgsam gepflegte, klar bezeichnete Wanderwege.“ Wobei der Fremdenverkehrsverband die Bezeichnung „kleine Luxemburger Schweiz“ verwarf. Denn, so das Luxemburger Wort vom 19. März 1942, die „Umgegend von Echternach ist so schön, daß sie keine Anleihe bei der Schweiz zu machen braucht. Man hat für sie bereits die viel schönere Bezeichnung ‚Echternacher Felsenland’ gefunden.“ Nur drei Jahre später sollten malerische Teile Echternachs nach der Ardennenoffensive in Schutt und Asche liegen.
Lyrisch wirbt ein anderes Faltblatt für den Urlaub im Ösling: „Von allen Kuppen badet das Auge in der wogenden Pracht der Fluren; es trinkt im Frühling den goldenen Flimmer des Ginsters, im Sommer die leuchtenden Farbenflicken einer voralpinen Flora, im Herbst den dunklen Purpur der Eichenschälwälder. [...] Am Ziel aber harrt des Fremden stets gastliche Aufnahme, und überall vermögen in Zeiten des Friedens wacholdergeräucherte Öslinger Schinken oder Bachforellen des Tages frohe Last zu entlohnen.“ Doch auch praktische Tips kommen nicht zu kurz, etwa für Clerf-Besucher: „Zeltplatz, Badeplatz, Angelsport, Wanderwege durch die waldreiche Umgebung. [...] Auf der Berghöhe über Klerf die Adolf-Hitler-Schule.“ Keiner Erwähnung wert schien das wenige Kilometer flussaufwärts gelegene Fünfbrunnen, wo die Luxemburger Juden für die Fahrt in die Gaskammern gefangen gehalten wurden.
Der Fremdenverkehrsverband sollte, einem Bericht des Luxemburger Wort vom 4. Dezember 1941 zufolge, vor allem für die Zeit nach dem noch für wahrscheinlich gehaltenen Endsieg arbeiten: „Wohl dauern zur Zeit die kriegerischen Ereignisse noch an, sodaß es vielleicht verfrüht erscheint, vom Fremdenverkehr der kommenden Friedenstage zu reden. Aber wie auf allen, besonders auf den wirtschaftlichen und sozialen Gebieten läßt sich das großdeutsche Reich durch den Krieg nicht abhalten, auch auf dem Gebiet des Tourismus schon jetzt die Voraussetzungen für einen stärkeren Fremdenverkehr zu schaffen.“
Schließlich geht es, so das Luxemburger Wort vom 19. März 1942, für den Fremdenverkehrsverband „um die Frage der Erholung eines deutschen Menschen, der im dritten Kriegsjahr das Höchstmaß von allem, was ein Mensch hergeben kann, geleistet hat. Ihm soll die Möglichkeit der Erholung, der Krafterhaltung gegeben werden, damit er durchhalten kann bis zum Endsieg.“ Doch noch ein Jahr später klagte der Verband laut Luxemburger Wort vom 27. Juli 1943: „Da die Blickrichtung des lützelburger Fremdenverkehrswesens und der Werbung fast ausschließlich nach Westen ging, hätten sich Zustände und Gewohnheiten herausgebildet, die nicht der deutschen Auffassung von Gastlichkeit und Gemütlichkeit entsprechen.“ Denn statt deutsche Gemütlichkeit zu bieten, hatten zahlreiche Luxemburger im August 1942 gegen die Zwangsrekrutierung durch die Wehrmacht gestreikt, der Chef der Zivilverwaltung hatte den Ausnahmezustand verhängt, das Standgericht 20 Todesurteile gesprochen.
Aber dann scheiterte der Blitzkrieg gegen die Sowjetunion, die Rote Armee kesselte Wehrmachtstruppen in Stalingrad ein, und Adolf Hitler verfügte die Umstellung der deutschen Wirtschaft auf „die neuen Kriegserfordernisse“. So muss auch das Faltblatt über die Hotels, Gasthöfe und Fremdenheime im westlichen Moselland erklären: „Die Versorgung mit bewirtschafteten Lebensmitteln erfolgt nur gegen Abgabe von luxemburgischen oder reichsdeutschen Lebensmittelmarken. Reichsdeutsche Besucher müssen diejenigen Kartenabschnitte, die an einen Bestellschein gebunden sind, bei dem für ihren ständigen Aufenthalt zuständigen Ernährungsamt in Reise- und Gaststättenmarken umtauschen.“ Denn die „vom Staatssekretär für Fremdenverkehr erlassenen Anordnungen zur Lenkung des Fremdenverkehrs im Kriege gelten auch für das Gebiet des Fremdenverkehrsverbandes Luxemburg.“
„Immer schöner ist in all den Jahren der Mondorfer Kurpark geworden, der durch seine bedeutende Ausdehnung und einfallsreiche Gestaltung viel dazu beigetragen hat, daß Bad Mondorf bei seinen Besuchern in hoher Gunst steht“, wirbt das Faltblatt Staatsbad Mondorf bei Luxemburg. „Als soziale Fürsorgemaßnahme gewährt die Kurverwaltung an Schwerkriegsbeschädigte u. Minderbemittelte unter bestimmten Voraussetzungen eine Ermäßigung auf die Kurtaxe und die Kurmittelpreise.“ Drei Jahre später sollten in Mondorf Reichsmarschall Hermann Göring und andere Nazi-Verbrecher verhört werden. Gaupropagandaleiter Albert Urmes, der Leiter des Fremdenverkehrsverbands, lebte nach dem Krieg unbehelligt in Westdeutschland und komplottierte in der Naziseilschaft von Werner Naumann.