Kino

Emanzipationsversuche

d'Lëtzebuerger Land vom 28.02.2020

Mit Ladybird hat Greta Gerwig als Filmemacherin 2017 auf sich aufmerksam gemacht. In ihrem neuen Film Little Women begleiten wir die vier Töchter der Marmee March (Laura Dern), nacheinander werden die jungen Frauen mitsamt ihrer Ambitionen, Wünsche, Hoffnungen vorgestellt. Da gibt es die idealistische Jo (Saoirse Ronan). Sie will sich als Schriftstellerin einen Namen machen. Die verspielte Amy (Florence Pugh) versucht sich als Malerin, sie bewundert die Werke der großen europäischen Meister. Meg (Emma Watson) liebt die Schauspielerei. Und dann gibt es da noch die zurückhaltende, eher kränkliche Beth (Eliza Scanlen), sie hat ein besonderes Faible für das Klavier. Die Schwestern sind leidenschaftliche Künstlerinnen, tauschen sich untereinander aus, und inszenieren mit Freude die von Jo geschriebenen Geschichten im Elternhaus. Sie haben aber ein wesentliches Problem: Sie sind Frauen inmitten des 19. Jahrhunderts. Und damit sind wir bereits im thematischen Problemkreis von Little Women angelangt: die Frau, die Kunst und die soziale Norm der Zeit.

Greta Gerwig inszeniert das mit einer zarten Einfühlsamkeit und Sensibilität, wie man sie nur selten in einer immer noch männerdominierten – aber sich im Umbruch befindenden – Filmbranche zu sehen bekommt. Dieser Schwesternbund ist geprägt von sich abwechselnden, rauschenden Gefühlsausbrüchen: aufbrausendes Gelächter, stummer Schmerz, leise Tränen. Ihre Erziehung unter der Obhut von Marmee March hat etwas äußerst moralisierendes, ja man fühlt sich da plötzlich in eine Märchenerzählung versetzt. Das ist irritierend und wirkt mitunter der Immersion eher entgegen.

Kaum verwundern dürfte indes der Oscar-Gewinn in der Kategorie „Bestes Kostümdesign“.
Jacqueline Durran rekonstruiert das 19. Jahrhundert mit aufwändigen Details, die ornamentale Pracht der daraus gewonnenen Bilder von Kameramann Yorick Le Saux muten beinahe selbst wie Tableaus der Maler an, denen die junge Amy nacheifert. Und in alledem schweift der wohlhabende und etwas ungezogene Laurie Lawrence (Timothee Chamalet) herum. Er kennt die Schwestern seit Kindertagen und fühlt sich zu ihnen hingezogen. Das schafft ein Beziehungsgeflecht von Hoffnungen, Erwartungen, Enttäuschungen, die an Vorbilder wie Roman Polanskis Tess (1979) oder Martin Scorseses Age of Innocence (1993) denken lässt. Ähnlich streng kadriert sind diese Bilder, die den thematischen Kern der Erzählung filmsprachlich artikulieren. Und wenn dann Mann und Frau diese Zweckehe schließen und sich küssen, distanziert sich die Kamera, zoomt weg. Gerwig arbeitet zudem mit einer verschachtelten Erzählweise, ganz achronologisch werden hier Szenen aneinandergefügt, die Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft fließend ineinander übergehen lassen. Die unmarkierten Zeitsprünge verlangen einen aufmerksamen Zuschauer; die gewählte Erzählweise lässt wie nebensächlich das Bild eines vergangenen Amerikas aufleben, das vom Bürgerkrieg überschattet wird und von der überwiegenden Abwesenheit der Männer geprägt ist.

Als Adaption von Louisa May Alcotts gleichnamigen Roman, der 1868 und im Folgejahr in zwei Teilen erschienen ist, bewegt sich Little Women an der Schnittstelle zwischen Kostümfilm und period drama, ist doch die offenkundige als Kritik an den Moralvorstellungen des 19. Jahrhunderts ebenso unübersehbar wie der freie Umgang mit den Lebensformen der Zeit. Und da ist Greta Gerwig äußerst wohlwollend, ja großzügig in der Entfaltung dieser Frauenschicksale, da die wirtschaftliche Abhängigkeit nie wirklich als Verlust der weiblichen Individualität dargestellt wird. Dieser freie Umgang aber ermöglicht es Gerwig eine ergreifende, fast über-moralisierende feel-good-Geschichte von weiblichen Selbstbestimmungsversuchen zu erzählen. Little Women zeigt wie dem freien Willen zwar enge Grenzen gesetzt sind, wie der Zwang der sozialen Existenzsicherung der Frau das eigene Begehren, die individuellen Talente miteinschließen kann. Nicht zuletzt ist es doch überaus denkbar, dass dieses Zulaufen auf das Happy-End ein spielerisch-reflexives Zugeständnis auf einer textuellen Metaebene ist – Alcott musste ihren Roman auf Anforderung des Verlags umschreiben und am Ende eine heile Welt zeigen – und damit gleichsam im Sinne einer zwinkernden Signatur Gerwigs zu verstehen ist.

Marc Trappendreher
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