95 Gemeinden haben bisher einen „Klimapakt“ mit dem Staat abgeschlossen. Messen lassen sich ihre Anstrengungen zum Klimaschutz aber noch nicht

Klimaschutz von unten

d'Lëtzebuerger Land du 14.08.2015

Er war eine der wenigen klimaschutzpolitischen Innovationen der letzten CSV/LSAP-Regierung: der Pacte climat. Seit 2013 können Gemeinden einen „Klimapakt“ mit dem Staat abschließen. Das soll ihnen helfen, auf lokaler Ebene CO2-Emissionen „zielgerichteter“ und „wirksamer“ zu senken, als wenn sie das auf sich allein gestellt tun.

Als vor gut drei Jahren die Abgeordnetenkammer das Gesetz über den Pacte climat verabschiedte, stimmten alle dafür, nur die DP nicht; sie enthielt sich. Der liberale Abgeordnete und frühere Umweltsstaatssekretär Eugène Berger zürnte, mit den Klimapakten werde die Klimaschutz-Verwantwortung von der Regierung auf die Gemeinden abgewälzt und ihnen dafür „mit dem Scheckheft gewinkt“. Doch niemand könne abschätzen, was die Pakte bringen würden. Déi Gréng trugen den Gesetzentwurf des delegierten CSV-Umweltministers Marco Schank mit, „weil wir schon seit zehn Jahren fordern, die Gemeinden in den Klimaschutz einzubinden“, so der damalige Abgeordnete Camille Gira. Bergers Kritiken gab Gira in vieler Hinsicht Recht, aber „verbessern“ könne man das Klimapakt-Gesetz ja später immer noch.

Heute haben DP und Grüne die CSV in der Regierung abgelöst und Camille Gira findet, die Klimapakte seien „ein Erfolg“. In den Gemeinden sei „eine tolle Dynamik entstanden und das Bewusstsein fürs Energiesparen gewachsen“. Muss er so reden, weil er nun Umweltstaatssekretär ist? Kann schon sein, aber ein Erfolg ist das neue Instrument auf jeden Fall insofern, als bislang 95 der 105 Gemeinden einen Klimapakt eingegangen sind. Dass es so viele werden würden, hatte vor drei Jahren keiner vermutet. Stattdessen wurde geunkt, der Pacte climat könnte viele Gemeinden kaltlassen, schlimmstenfalls sogar alle.

Denn ähnlich wie beim ebenfalls unter CSV-Regie eingeführten Pacte logement fließt zwar auch beim Pacte climat eine Kopfprämie pro Einwohner aus der Staats- in die Gemeindekasse. Mit fünf bis 35 Euro pro Einwohner und Jahr ist sie aber erstens winzig gegenüber den 4 500 bis 6 750 Euro pro Kopf und Jahr in Wohnungsbaupakt-Gemeinden. Zweitens wird sie für höchstens 10 000 Einwohner gezahlt, damit die größeren Gemeinden und vor allem die Hauptstadt sich an einem Klimapakt nicht bereichern können.

Und drittens gibt es die Prämie erst, wenn eine Gemeinde zertifiziert erhalten hat, dass sie wenigstens 40 Prozent der Kriterien des European Energy Award (EEA) erfüllt. Das wird jährlich überprüft, und ebenso wie man die Prämie wieder aberkannt bekommen kann, kann sie auch über das Minimum von fünf Euro je Einwohner hinaus erhöht werden, falls mehr als 50 Prozent, oder, noch besser, mehr als 75 Prozent der insgesamt 80 EEA-Kriterien erfüllt werden. Auf dem Weg dahin helfen Klimapakt-Gemeinden „Klimaberater“, für die der Staat die Gehaltskosten trägt. 10 000 Euro Pauschal-Beihilfe im Jahr gibt es obendrein für Funktionskosten. Das klingt ziemlich technisch, umständlich auch und letzten Endes vielleicht nach unterm Strich nicht allzu viel Geld, falls eine Gemeinde bei sich daheim die CO2-Emissionen im großen Stil senkt. Als Oppositionsabgeordneter und Bürgermeister des 2 400-Seelen-Dorfs Beckerich hatte Camille Gira ausgerechnet: „Wenn meine Gemeinde wirklich alles erfüllt, dann wären das 80 000 Euro im Jahr“. Das sei „besser wéi e Fouss hannebäi“, warf er der damaligen Regierung bei der Lesung des Klimapakt-Gesetzentwurfs im Parlament im Juli 2012 vor.

Heute findet Gira die 80 000 Euro nicht so schlecht: „Damit kann man dann etwas anderes machen.“ Und als Zuschuss für Klimaschutz-Projekte war die Prämie ja nie gedacht, sondern – als Prämie, als Anreiz. Die Projekte der Gemeinden subventioniert der staatliche Umweltschutzfonds. 2012 war geschätzt worden, bis 2020 könnten für den Fonds Ausgaben von bis zu 120 Millionen Euro für kommunale Klimapakt-Projekte zusammenkommen. Aber das wäre ebenfalls nicht unbedingt viel auf 105 Gemeinden – falls die verbleibenden zehn sich noch anschließen – und acht Jahre Laufdauer der Pakte verteilt.

Damit aber stellt sich die Frage, wozu die Pakte eigentlich gut sein sollen. Genau wusste die vorige Regierung das auch nicht. Der Pacte climat war zwar im Koalitionsprogramm 2009 erwähnt, aber als Abmachung gedacht, die Wärmedämmung kommunaler Gebäude verbessern zu lassen. Die Klimapakte laut dem Gesetz von 2012 dagegen sollen lokale Bewegungen zum Klimaschutz anstoßen. „Klimateams“ aus Kommunalpolitikern, Bürgern und Vertretern ortsansässiger Unternehmen sollen sich bilden und beraten, was man tun kann. Auch deshalb dient der European Energy Award zur Zertifizierung: Das Modell der gleichnamigen Schweizer Firma bewertet nicht CO2-Emissionssenkungen in Tonnen oder Energieverbrauchseinsparungen in Kilowattstunden, sondern den Weg dahin. EEA-Punkte gibt es sowohl für die Wärmedämmung kommunaler Bauten und die Nutzung erneuerbarer Energien vor Ort als auch beispielsweise für das Anlegen von Radwegen oder für Stromspar-Kampagnen. Dass die Bewertungen fast nur qualitativ sind, störte vor allem die DP, Déi Gréng aber auch.

Vielleicht sollten die Pakte am Ende vor allem der umweltpolitischen Selbstdarstellung der CSV dienen. Den 2012 so kritischen Liberalen und Grünen, die nun der Regierung angehören, liegt durchaus daran, das Instrument effizienter zu machen. 2013 und 2014 gab die Staatskasse insgesamt 4,8 Millionen Euro für Klimaberater, Klimapakt-Funktionskosten und Prämien aus. Umweltstaatssekretär Gira, der „Klimaschutz von unten“ ähnlich viel abgewinnen kann wie der frühere delegierte CSV-Umweltminister Schank, ist einerseits erfreut, dass von den 95 bisherigen Klimapakt-Gemeinden zwölf die erste, die 40-Prozent-Schwelle der EEA-Kriterienerfüllung genommen haben, und 23 Gemeinden sogar mehr als 50 Prozent schafften. Er weiß aber, dass die Städte und Dörfer bisher besonders aktiv bei der Wärmedämmung kommunaler Bauten und beim Umstellen der lokalen Straßenbeleuchtung auf verbrauchsarme LED-Lampen sind. Das liegt auch daran, dass die Regierung die Projekt-Beihilfen für LED-Straßenbeleuchtung erhöht hat. Und daran, dass die Klimapakt-Prämien im zweiten Jahr nach der erstmaligen Zertifizierung einer Gemeinde nur noch zu 70 Prozent einfach so gezahlt werden und 20 Prozent nur, falls der Energieverbrauch kommunaler Gebäude und Infrastukturen sinkt. Doch wenn die Energieeffizienz von Kommunalbauten und öffentlicher Beleuchtung die Bereiche sind, in denen die Gemeinden am ehesten etwas bewirken können, dann droht die Gefahr, dass bald Schluss sein könnte mit dem „Klimaschutz von unten“. Ist das letzte Gemeindegebäude isoliert und die letzte Straßenlampe ausgewechselt – was dann?

Um dem zu begegnen, will Gira die lokalen Klimateams stärken. Mit dem Centre for ecological learning und und dem Institut pour le mouvement sociétal wurden Konventionen abgeschlossen, um beide an lokalen Diskussionen zu beteiligen. Gegenüber der EU-Kommission treten Gira und seine Ministerin Carole Dieschbourg dafür ein, den Gemeinden und Regionen der EU eine Rolle bei der CO2-Emissionsreduktion zuzuweisen – vor allem dann, falls nach dem Pariser Klimagipfel im Dezember ein neues weltweites Abkommen bis 2030 gefunden wird und in der EU anschließend geklärt werden müsste, welcher Mitgliedstaat wieviel zu reduzieren hätte. Solche Überlegungen setzen allerdings voraus, dass in den Gemeinden mehr als nur der Energieverbrauch kommunaler Gebäude und In-frastrukturen zum Thema wird. Das wurde schon 2012 für schwierig gehalten.

Ein wichtiger Grund, weshalb die Klimapakte so „qualitativ“ sind, ist die Datenlage. Den Gemeinden steht ein Software-Tool zur Verfügung, um den Verbrauch ihrer Gebäude und Infrastrukturen zu erfassen. Der der Haushalte lässt sich derzeit nur durch Umfragen ermitteln. Das ist ein Problem, da laut Klimapakt-Gesetz eigentlich im Jahr zwei nach der ersten Zertifizierung zehn Prozent der Prämie davon abhängen sollen, ob die Privathaushalte auf dem Territorium der Gemeinde sparsamer werden. Aber sollen öffentliche Gelder aufgrund von Umfrageresultaten ausgegeben werden?

Und wäre dieses Daten-Problem noch lösbar, indem die Regierung festlegt, auf welche Weise die Energieversorger Haushalts-Verbrauchsdaten an das interkommunale Daten-Syndikat Sigi liefern – dabei den Datenschutz nicht vergessend –, wird es ungleich schwerer, wenn es um den Verbrauch der lokalen Betriebe geht. Zwar existiert ein Instrument namens Ecoregion, das sämtliche Verbrauche in Gemeinden gut annähert. In Luxemburg wurde es schon vor vier Jahren mit einigem Erfolg getestet; in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Italien wird es bereits genutzt. Es tatsächlich einzusetzen, könnte aber nicht nur eine technische, sondern eine ähnlich politische Frage sein wie 2012: Will man erlauben, dass ein Druck auf Betriebe zum Energiesparen von einer Seite her entstehen könnte, die die Regierung nicht kontrolliert – wo doch niedrige Energiepreise ein Standortfaktor sind?

Vielleicht nicht. Und falls doch, müsste vorher eine klimapolitische Strategie der Regierung her. Nach der Rentrée parlementaire soll eine Debatte in der Abgeordnetenkammer klären helfen, wie bis 2030 für mehr Klimaschutz und Energieeffizienz zu sorgen wäre. Je nachdem, wie die Regierung sich anschließend auf den Pariser Klimagipfel einstellt, erhalten auch die Klimapakte ihren Sinn.

Peter Feist
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