Der Rechnungshof kritisiert die Klimaschutzpolitik

Treibhausgasbuchhalter

d'Lëtzebuerger Land du 28.02.2014

Der am Montag erschienene Sonderbericht des Rechnungshofs liest sich stellenweise wie ein Krimi. Er ist La mise en application du Protocole de Kyoto hierzulande gewidmet und beschreibt, wie 2011 und 2012 das damals CSV-geführte Nachhaltigkeitsministerium sich plagte, „flexible Projekte“ in Entwicklungs- und Schwellenländern zu finden, in die sich investieren ließ, und dabei einen möglichst hohen Rückfluss an CO2-Gutschriften zu erzielen.

Mangels eigener Kapazitäten zur Akquise und Bewertung der Projekte und weil diese längst auf einem Markt gehandelt wurden, investierte der Staat Millionensummen in verschiedene Carbon-Fonds, und Projektvorschläge kamen dann von dort. Um zu wissen, was solche Projekte taugten, griff das Ministerium auf ausländische Consultants zurück. Das Problem dabei war jedoch nicht nur, dass verschiedene Vorhaben zwar CO2-Ablass versprachen, sich aber in anderer Hinsicht als umweltzerstörend oder sozial bedenklich erwiesen. Dass oft erst mit Verspätung klar wurde, wie viele Gutschriften man erhalten würde, machte den beiden dafür zuständigen Beamten im Nachhaltigkeitsministerium ebenfalls zu schaffen. Um bloß nicht zu riskieren, am Ende mit zu wenigen Zertifikaten dazustehen, beschloss die Regierung, Quoten in Osteuropa einzukaufen, wo wegen der Deindustrialisierung seit 1990 viel weniger CO2 in die Luft geblasen wird.

„Buchhalterlogik“ nennt der Rechnungshof das – sicherlich zu Recht. Zumal noch immer nicht genau bekannt ist, von wie vielen Tonnen in seiner Treibhausgasbilanz Luxemburg sich freizukaufen vermochte, als es in Windparks in China oder „moderne“ Müllkippen in Lateinamerika investieren ließ und Quoten-Transfers mit Estland und Litauen anschob: So manche der flexiblen Deals sind entweder noch nicht fertig bilanziert, oder der Mantel der Vertraulichkeit liegt über ihnen, weil „kommerzielle Interessen“ berührt seien. Klimaschutzpolitik, die verantwortlich sein will, sollte so natürlich nicht aussehen.

Doch wenn der Rechnungshof im zweiten Teil des Berichts meint, die beste Klimaschutzmaßnahme sei eine „grüne Fiskalität“, dann fragt sich, was die bringen könnte. Zwar hat Luxemburgs schlechte CO2-Bilanz nicht nur damit zu tun, dass es eine konsequente Energiesparpolitik bisher noch nicht gibt. Eine CO2-Steuer könnte ein Baustein davon sein. Vor allem aber ist Klimaschutz hierzulande ein fiskalisches Problem auf hohem Niveau: Wären die Treibstoffakzisen nicht so niedrig, würde nicht so viel Sprit verkauft wie in EU-Staaten, die ein Vielfaches der Einwohner Luxemburgs haben. Doch wenn das Tankstellengeschäft Jahr für Jahr ein Sechstel der Staatseinnahmen ausmacht, dann hilft es, die Sozialversicherung mit einem hohen Staatsanteil zu speisen, die Lohnnebenkosten niedrig zu halten und die Nettogehälter relativ hoch. Das Luxemburger Wachstumsmodell, das zwischen 1987 und 2007 zu jährlichen BIP-Zuwächsen um durchschnittlich 5,2 Prozent führte, wird wesentlich von Ausländern bezuschusst, die hierher tanken kommen, damit Arbeitsplätze mit hohem Lohnniveau entstehen, die von Ausländern besetzt werden, die hier ihren Tank füllen, und so fort.

Dass es ein herkulisches Vorhaben wäre, daran etwas zu ändern, ist auch dem Rechnungshof klar. Denn bei aller Kritik an den CO2-Deals findet er, die Klimaschutzverpflichtungen, die Luxemburg im Kyoto-Protokoll einging, seien „komplett unrealistisch“ gewesen. So pauschal stimmt das nicht. Aber auch die neue Regierung mit den Grünen in der Koalition hofft, dass das Wachstum bald wiederkommt. Ein neues Modell dafür aber gibt es bisher noch nicht.

Peter Feist
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