Das Luxemburger Tankstellengeschäft ist rückläufig, vor allem das mit dem für die Staatskasse so einträglichen Diesel. Wurden im ersten Halbjahr 2013 noch 1,041 Milliarden Liter verkauft und 1,02 Milliarden bis Ende Juni vergangenen Jahres, waren es im ersten Halbjahr 2015 nur noch 957 Millionen Liter. „Geht das so weiter“, kommentiert die Zollverwaltung, die das Tankgeschäft und die Akziseneinnahmen aus diesem überwacht, „können wir froh sein, wenn wir bis zum Jahresende auf 1,9 Milliarden Liter kommen.“ 2010, zum Vergleich, habe der Dieselabsatz noch bei 2,2 Milliarden Liter gelegen.
Worauf der Rückgang zurückzuführen ist, weiß man bei der Douane nicht genau, macht sich aber Gedanken darüber und hält das Phänomen für „komplex“. Eine mögliche Erklärung könnte sein, „dass die Leute einfach weniger Auto fahren“. Denn das Benzingeschäft geht ebenfalls zurück: von 198 Millionen Liter im ersten Halbjahr 2013 auf 184 Millionen dieses Jahr. Gleichzeitig scheint das Einkaufen an hiesigen Tankstellen generell an Attraktivität eingebüßt zu haben, vielleicht auch wegen der kleinen Tabakakzisenerhöhung zum Jahresanfang: „Deutsche Kunden kommen kaum noch zum Zigarettenkauf hierher“, haben die Zöllner beobachtet.
Dritter Erklärungsansatz: die Staus auf den Autobahnen, vor allem die auf der A3 nach Frankreich. „Da geht ja werktags schon ab 16 Uhr nichts mehr.“ LKW-Fernfahrer mit Fracht aus den Häfen von Rotterdam und Antwerpen mit Destination Frankreich würden sich immer öfter Umwege suchen, auf denen sie zügiger vorankommen. Und verzichten vielleicht auf das billige Tanken an der Aire de Capellen oder der Aire de Berchem.
Das fällt umso leichter, da Trucker-Diesel – aber nur dieser – in Belgien preiswerter geworden ist als in Luxemburg. „Bei uns liegt der Akzisensatz bei 335 Euro auf tausend Liter, in Belgien bei 330 Euro.“ Möglich wird das durch ein System, bei dem der belgische Fiskus einem gewerblichen Fuhrbetrieb einen Teil der Dieselakzisen zurückerstattet. Weil dieser Vorteil wegen des in der EU geltenden Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht allein belgischen Unternehmen zugute kommen darf, würden neuerdings vor allem niederländische Spediteure davon profitieren: „Früher war Diesel in den Niederlanden billiger als in Belgien und Deutschland. Vor zwei Jahren aber hob die Regierung in Den Haag den Akzisensatz um 40 Euro auf tausend Liter an.“ Prompt hätten die Dieselverkäufe in Belgien „massiv“ zugenommen. „Wer in Holland losfährt, tankt dort nur, was er unbedingt braucht, und füllt den Rest in Belgien nach.“ Zum Nachtanken in Luxemburg besteht dann nicht unbedingt Anlass, zumal in Frankreich ebenfalls ein Rückvergütungssystem für gewerbliche Dieselnutzer besteht; wenngleich kein so großzügiges wie in Belgien. Weil die Zollverwaltung den Rückgang im heimischen Dieselgeschäft seit 2011 beobachtet, sind die Fiskalentscheidungen in den Niederlanden, vor dem Hintergrund der belgischen Rückerstattungsregelung, ja vielleicht die zutreffendste Erklärung dafür.
Ob das Luxemburger CO2-Problem aus dem „Tanktourismus“ sich über kurz oder lang von selber erledigt, weil im nahen Ausland die Akzisenschraube bald gelockert, bald fester gezogen wird, ist schwer zu sagen. Niemand kann vorhersehen, was in anderen Staaten in den nächsten Jahren entschieden wird. Eine Initiative der EU-Kommission, einen unionsweiten Einheitssatz für LKW-Dieselakzisen einzuführen, scheiterte 2007 am Finanzministerrat und kam seitdem nicht wieder auf den Tisch.
Wahrscheinlich aber würde das Problem nur ein bisschen kleiner. Grob gerechnet, macht der Spritexport rund 40 Prozent in der CO2-Emissionsbilanz aus. Schrumpfte dieser Anteil dieses Jahr um 2,5 Prozentpunkte, falls der Jahres-Dieselabsatz gegenüber 2014 um dieselben 6,2 Prozent geringer ausfällt wie der im Halbjahresvergleich, könnte Luxemburg insgesamt anstelle prognostizierter 10,03 Millionen Tonnen „CO2-Äquivalente“ nur 9,8 Millionen Tonnen verbuchen. Das wäre ungefähr so viel wie 2006 bilanziert wurde, aber immer noch mehr als die 9,07 Millionen Tonnen, die eigentlich nur emittiert werden dürfen, wenn man jener Trajektorie gerecht werden will, die zu 20 Prozent weniger CO2 bis 2020 führt – das aktuelle EU-verbindliche Klimaziel, das von 2009 datiert.
Um das zu erreichen, müssten die Emissionen kräftiger sinken. Mit allen fiskalischen Konsequenzen, die das hätte, die bislang aber noch niemand wirklich in Betracht zieht. Schon die leicht sinkenden Dieselverkäufe, genauso wie die „kaum noch Zigaretten kaufenden Deutschen“, entsprechen nicht dem, was die Regierung in ihrem Mehrjahreshaushalt 2015-2018 eingeplant hat: um über zehn Prozent steigende Treibstoff- und um vier Prozent steigende Tabakakziseneinnahmen. Tritt das nicht ein, bleibt als Trost vielleicht nur, dass Luxemburg dank der Währungsunion mit Belgien ein wenig mitverdient, wenn dort das Dieselgeschäft floriert.