Klimaschutz

Wir und Paris

d'Lëtzebuerger Land du 17.07.2015

Er gilt als die größte politische Herausforderung für die Luxemburger EU-Ratspräsidentschaft: der Welt-Klimagipfel, der im Dezember in Paris stattfindet. Dort soll, wenn möglich, eine Abmachung getroffen werden, die völkerrechtlich bindend wäre wie vor 18 Jahren das Kyoto-Protokoll. Das „Protokoll von Paris“ würde festlegen, auf welche Weise bis zum Jahr 2030 der globale Treibhausgasausstoß gesenkt werden soll, damit die Klimaerwärmung längerfristig nicht höher ausfällt als um zwei Grad Celsius gegenüber dem „vorindustriellen Zeitalter“.

Herausfordernd daran ist einerseits, dass Luxemburg in Paris nicht für sich selber spricht, sondern die Position der EU koordinieren und verteidigen muss. Doch erst Mitte September entscheidet sich, welches Verhandlungsmandat von den anderen Mitgliedstaaten die Luxemburger Présidence und Umweltministerin Carole Dieschbourg (Grüne) erhält. Politisch haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs darauf geeinigt, dass die EU als Block bereit sei zu einer Emissionssenkung bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990. Doch das will noch nicht alles heißen. In Paris wird auch um Fragen wie die berühmt-berüchtigten „flexiblen Instrumente“ zum Freikauf von zu viel CO2 gestritten werden, oder um Transferzahlungen der reichen Staaten an Entwicklungsländer. Beim Gipfel 2009 in Kopenhagen scheiterte eine Einigung auf ein Kyoto-Nachfolgeabkommen auch an Kontroversen innerhalb der EU. Das soll sich diesmal nicht wiederholen.

Die zweite Herausforderung ist innenpolitischer Natur: Die Luxemburger Treibhausgasbilanz ist nicht gerade vorbildlich. In Kyoto hatte die EU sich bis 2012 zu acht Prozent Emissionssenkung gegenüber 1990 verpflichtet und schaffte am Ende 18 Prozent. Luxemburg als Staat gab sich ein Reduktionsziel von 28 Prozent, erreichte aber nur acht. 2009 erklärte die EU mit einem Klima- und Energiepaket, einseitig und in Verlängerung des Kyoto-Protokolls für Europa, die Emissio-nen der gesamten Union bis 2020 um 20 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Als einer der reichsten EU-Staaten musste Luxemburg in der inner-europäischen Lastenteilung zustimmen, um dasselbe Fünftel auch seine Bilanz zu verbessern. Wie, hielt der 2013 endlich verabschiedete Zweite Klimaschutz-Aktionsplan fest. Die Regierung ging im vergangenen Jahr allerdings davon aus, selbst wenn „zusätzliche Maßnahmen“ zu dem Aktionsplan ergriffen würden, dürfte 2020 ein Fünftel mehr emittiert werden als 2005 statt ein Fünftel weniger. Bliebe es bei den „bestehenden Maßnahmen“ im Aktionsplan, könnte die Bilanz am Ende des Jahrzehnts um 29 Prozent schlechter ausfallen als 2005 (d’Land, 2.1.2015).

Weil unklar ist, was „zusätzlich“ bis 2020 noch getan werden könnte, weiß keiner, was von dem Mindestens-40-Prozent-Einsparziel bis 2030 zu halten ist, das die EU in Paris auf den Tisch legen will und ausgerechnet von einer Luxemburger Ratspräsidentschaft verteidigt werden muss. Deshalb beschlossen der parlamentarische Umwelt- und der Wirtschaftsausschuss Mitte vergangenen Jahres, einen gemeinsamen Unterausschuss Klima und Energie einzusetzen. Dort soll unter den Fraktionen ein politischer Konsens geschmiedet werden, der in einer „Orientierungsdebatte“ nach außen getragen werden soll, damit die Präsidentschaft sich auf ihn stützen kann und die Regierung eine Art Mandat des Parlaments zur Verfügung hat, wenn Anfang 2016 in der EU das Pokerspiel um die Lastenteilung unter den Mitgliedstaaten auf das Resultat des Pariser Gipfels hin beginnt.

Unter dem Ko-Vorsitz der Abgeordneten Frank Arndt (LSAP, Wirtschaftsausschuss) und Henri Kox (Grüne, Umweltausschuss) hat das Spezialgremium bisher mehr als 20 Mal getagt und das Institut für Zukunfts-Energiesysteme aus Saarbrücken als externen Berater an der Seite. Die Arbeiten erwiesen sich jedoch als langwieriger als gedacht. Weshalb Arndt den Vorsitz vor drei Monaten Kox alleine überließ. Die ursprünglich für Mai, dann für Ende Juni geplante parlamentarische Orientierungsdebatte wird erst im Oktober, nach der Rentrée parlementaire, stattfinden können. Für die Regierung ist das unbequem: Bei den Gesprächen am 18. September über das Mandat der Présidence für Paris wird ihr höchstens informell bekannt sein, wie der klimapolitische Konsens daheim aussehen könnte.

Und leicht zu haben dürfte er nicht sein. Das ist weniger ein politisches Problem – im Unterausschuss gibt lediglich Fernand Kartheiser von der ADR den „Klimaskeptiker“ – als ein technisches, das später politisch werden kann: Wie schon früher stellt sich die Frage nach zuverlässig bezifferbaren CO2-Einsparmöglichkeiten. Zumal, weil Wirtschaft und Bevölkerung weiter wachsen. Sektor auf Sektor hat der Ausschuss analysiert: vom Energieverbrauch von Gebäuden über die Nutzung erneuerbarer Energien bis hin zu den Perspektiven für öffentlichen Transport und „sanfte Mobilität“ – und natürlich auch den „Tanktourismus“. Immer wissend, dass jede nicht eingesparte CO2-Tonne die Staatskasse Geld kostet, weil sie entweder durch Investition in „flexible Projekte“ im Ausland abgetragen werden müsste oder durch Kauf von Emissionsrechten von EU-Staaten, die zu viel davon haben. Dafür sind im Staatshaushalt für dieses Jahr 31 Millionen Euro vorgesehen, im Mehrjahreshaushalt für die drei kommenden Jahre jeweils 41 Millionen. Womöglich aber werde das nicht reichen, deutete die Umweltministerin dem Ausschuss im März an, wollte aber keine Zahlen nennen.

Also: Was tun? Bezifferte Optionen scheint der Ausschuss noch keine ausgemacht zu haben – oder hat sie noch nicht veröffentlicht. Nicht alle Sitzungsprotokolle wurden von der Abgeordnetenkammer publiziert. Vorsitzender Kox will vorläufig noch nicht mit der Presse reden, genauso wenig wie Marco Schank, der frühere CSV-Umweltminister, oder Max Hahn, umweltpolitischer Sprecher der DP-Fraktion. Dass sich die neue Mobilitätspolitik schwer in CO2-Einsparungen ausdrücken lasse, hat der Ausschuss von Transportminister François Bausch (Grüne) erfahren. Die Klimapakte zwischen Staat und Gemeinden haben das Bewusstsein für energiesparende kommunale Bauten und Straßenbeleuchtung geschärft, enthalten aber vorläufig noch keine quantitativen Ziele. Neu gebaute Häuser unterliegen immer strengeren Wärmestandards, die Frage ist jedoch, wie man im großen Stil die Besitzer von Altbauten dazu bewegen könnte, ihre Häuser zu isolieren. Die „Klimabank“ zur Vorfinanzierung solcher Projekte, für die die DP seit Jahren wirbt, wird derzeit vom Finanzministe-rium auf Realisierbarkeit geprüft.

Von den Beratern aus Saarbrücken bekam der Ausschuss nicht nur erklärt, man könne in Luxemburg wesentlich mehr thermische Solarkollektoren zur Gewinnung von Warmwasser und zur Heizungsunterstützung installieren und öffentlich bezuschussen, sondern auch ein Energieeffizienz-Zukunftszenario vorgezeichnet, das Luxemburg anstreben könne. Dänemark sei schon dabei, es vorzuleben; es trage wirtschaftliches Innovationspotenzial in sich und schaffe Jobs. Fragt sich nur, ob so etwas im nächsten Vierteljahr ausformuliert werden könnte. Steuerlich begleiten müsste man einen solchen Schritt sicherlich auch. Und die Mitarbeit der CSV dafür gewinnen, die seit dem 7. Juni darauf lauert, dass „Gambia“ an seinen Reformvorhaben scheitert.

Peter Feist
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