„Als programmatische Zielsetzungen seiner Amtszeit nannte Präsident Fernand Weides u.a. (...) eine Öffnung des Presserates, der kein exklusiver Klub sein soll, sondern eine Plattform für alle Medienschaffenden“, so die Mitteilung des neuen Presserats nach seiner konstituierenden Sitzung am 3. April, als Weides, der als Direktor des Radio 100,7 bald in Rente geht, zum Präsidenten gewählt wurde. Ob es sich dabei um einen Scherz, eine kleine, selbstironische Zugabe handelt? Es gibt keine andere Möglichkeit. Schließlich waren sich die höheren Mächte im Presserat für keinen Winkelzug zu schade, um genau dies zu gewährleisten: dass das Gremium ein exklusiver Klub bleibt.
Wenige Stunden zuvor hatte der Vorstand – mit der Gegenstimme vom SJL – unter dem Noch-Vorsitzenden Joseph Lorent neue Zugangskriterien für die Verlegervertreter im Presserat durchgeboxt, welche die Vormachtstellung von Saint-Paul und Editpress im Presserat zementieren und unliebsame Konkurrenten, wie beispielsweise Maison moderne, das wachsende Verlagshaus Mike Koedingers, außen vor lassen. Gegen die eigene Geschäftsordnung und gegen eine anderslautende Entscheidung der Plenarversammlung vom Dezember 2011. Die durchsichtigen Zugangskriterien sehen unter anderem vor, dass nur Tages- und Wochenzeitungen Mitglied werden können sowie Radio- und TV-Sender, die ununterbrochen, also auch nachts, Programme ausstrahlen. Zudem müssen in den Redaktionen der Verleger im Presserat mindestens fünf „professionelle Journalisten“ arbeiten. Durch die neuen Modalitäten wird die Zahl der Mitglieder in der Plenarversammlung von 40 während der vorherigen Mandatszeit auf 30 für die Session 2012-2014 gesenkt.
Das Vorspiel zu diesen Ereignissen dauert schon über zwei Jahre an. So lange nämlich liegen Anträge anderer Verleger vor, Mitglied im Presse- rat zu werden. Anträge, welche die Platzhirsche erst einmal verschwiegen. Bereits bei der konstituierenden Versammlung der letzten Plenar[-]versammlung im April 2010 hatte Richard Graf, Woxx-Vertreter, nachhaken müssen, bevor Präsidentin Danièle Fonck, damals Vertreterin von Le Jeudi, widerwillig einräumte, sowohl Radio Ara als auch Mike Koedinger, hätten sich beworben. Davor war das Verleger-Mandat Pol Wirtz’ vom insolventen Magazin 352 frei geworden. „Ein Posten, in den wir unserer Meinung nach hineingewachsen wären“, sagt Mike Koedinger heute. Doch anstatt die freien Posten neu zu besetzen – durch die Einstellung der Voix de Luxembourg wurde ein weiterer Posten frei – wurde die Plenarversammlung drastisch zurückgestutzt. Offiziell, weil sie sonst zu groß würde. Die Versammlung zähle bald mehr Mitglieder als das Parlament Abgeordnete, warnte Lorent vor zwei Wochen. Wie zufällig haben die neuen Kriterien nicht nur den Nebeneffekt, dass die Zahl der Journalisten im paritätisch besetzten Gremium zurückgeht*, sondern auch, dass Koedinger draußen bleiben muss, dem die traditionellen Verleger die vielen Anzeigen in seinen Hochglanzpublikationen wie dem Paperjam neiden und der seit kurzem auch Internetfernsehen anbietet.
Es ist eine Posse, schwer nachvollziehbar und eines Kegelvereins nicht würdig. Das Problem dabei ist: Der Presserat ist kein Kegelverein, sondern das Gremium, das vom Gesetzgeber zur Autoregulierung der vierten Macht im Staat eingerichtet wurde. Durch ihre protektionistische Vereinsmeierei aber setzen insbesondere die Vertreter von Editpress und Saint Paul die Legitimität des Gremiums aufs Spiel. Wie soll Autoregulierung funktionieren, wenn sich der Vorstand nicht an Entscheidungen seiner Plenarversammlung hält? Wieso sollen Außenstehende daran glauben, dass die Pressevertreter ihren Deontologiekodex respektieren, wenn sie nicht einmal ihre Geschäftsordnung einhalten? Woher sollen die Gremien des Presserats, wie die Beschwerde-Kommission, Kon[-]taktpunkt zwischen Medienwelt und Außenstehenden, die für ihre Arbeit notwendige Glaubwürdigkeit nehmen? Wieso sollen „Kläger“ darauf vertrauen, dass ihr Anliegen objektiv behandelt wird und die Kommission nicht von den Medienvertretern genutzt wird, um ihre eigenen Interessen zu schützen, wenn genau das in der Plenarversammlung passiert?
Denn mit der Transparenz ist es nicht weit her. So konnte sich der Presserat beispielsweise nur mühsam dazu durchringen, die Entscheidungen der Beschwerdekommission auf seiner Webseite zu veröffentlichen. Er tut dies mittlerweile. Indem er die Kläger namentlich outet, aber geheim hält, wie die Kommissionsmitglieder abgestimmt haben, was für den Fall, in dem die Vertreter der beklagten Medien oder gar die beklagte Person selbst Kommissionsmitglieder sind, eine nicht unwichtige Information ist. (d’Land, 22.04.2010) Dabei knausert der Presserat prinzipiell mit Informationen, auch an die Medienschaffenden, die er reguliert und repräsentiert. Post vom Presse-rat an die „professionellen Journalisten“ ist eher rar, und dass darin über Entscheidungen der Plenarversammlung oder gar des Vorstands informiert wird, noch seltener. Dabei betrifft es eigentlich alle Medienschaffenden, nicht nur die Happy few in der Plenarversammlung, was der Presserat in für die Branche wichtigen Dossiers unternimmt oder nicht. Dass er nichts unternimmt, kommt auch vor. Man denke zum Beispiel an das Dossier Informationszugang, in dem es seit Jahren keine Bewegung gibt.
Durch die neuen Zugangsregeln für die Verleger hat der Presserat sein Legitimationsproblem nur noch verschärft, weil die Zusammensetzung des Presserats immer weniger den Aufbau der Medienlandschaft widerspiegelt. Nicht nur weil die Regelung neuen Medienformen wie dem Internet überhaupt nicht Rechnung trägt und die Gratispresse, die sich mit einigem Erfolg entwickelt, explizit ausgeschlossen wird. Berücksichtigt man die Kapitalbeteiligungen und offensichtliche wirtschaftliche Abhängigkeiten der Verlagshäuser aus Esch und Gasperich, gibt es im Presserat gerade einmal acht „unabhängige“ Mitglieder. Vier von ihnen kommen aus Funk und Fernsehen.
Dabei geht es nicht nur um die Vertretung der Presse- und Medienhäuser selbst. Sondern auch um ihr Publikum. Gestrichen, oder so gut wie, ist durch die neuen Regeln auch die Vertretung der portugiesischen Medien. Radio Latina ist nicht mehr dabei, der Correio ebenfalls nicht und der Contacto wird durch den Saint-Paul-Mann Fernand Morbach vertreten, der in der vergangenen Plenarversammlung noch wort.lu vertrat. „Wir sprechen 44 000 französisch- und englischsprachige Leser an“, hebt auch Mike Koedinger hervor, Leser aus den Wirtschaftskreisen, die aufgrund ihrer ausländischen Herkunft auch elektoral nicht vertreten seien, gibt er zu bedenken. Ein Argument, das man auf den Sender Ara, der von Nicht-Luxemburgern viel gehört wird, ausweiten kann.
Zudem kann man sich auch aus anderen Ursachen fragen, ob sich der Presserat nicht selbst zunehmend überflüssig macht. Erstens, weil es doch ein wenig fraglich ist, wenn der Presserat verschiedene Publikationen aufgrund des Erscheinungsrhythmus‘ oder der Redaktions[-]größe, die über die journalistischen Standards nichts aussagen, von der Mitgliedschaft ausschließt und ihnen damit das Mitspracherecht verweigert – unter anderem weil sich der Presserat auch zu Gesetzesprojekten äußert, die den Berufsstand betreffen. Aber andererseits den Anspruch erhebt, ihre Arbeit zu regulieren. Und zweitens, weil sich durch die steigende Zahl von Pensionären im Presserat irgendwann die Frage stellt, inwiefern er die aktiven Medienschaffenden noch repräsentiert. In dieser Mandatszeit werden es fünf Rentner sein, darunter Präsident Fernand Weides und Generalsekretär Joseph Lorent.
„Für uns ist es keine Priorität und wir machen kein Lobbying, um in den Presserat hinein zu kommen“, sagt Koedinger. Aber als größte unabhängige Pressegruppe, die keine Pressehilfe empfängt, hätte man, meint er, durchaus eine Rolle zu spielen und einen Beitrag im Presserat leisten können. „Wir zerbrechen uns darüber nicht jeden Tag den Kopf.“ Gut für ihn, denn bislang hat der Presserat nicht Bescheid gesagt, dass die Anträge auf Mitgliedschaft aufgrund der neuen Zugangskriterien abgelehnt sind.