Die Luxemburger Presse kämpft schon seit einigen Jahren mit Schwierigkeiten. Die veränderte Zusammensetzung und neuen Gewohnheiten ihrer Leserschaft führten zu einem unaufhaltbaren Auflagenschwund. Der Postfax des Syndicat des P[&]T (Januar/Februar 2011) zitiert das Direktionskomitee der Post mit der Feststellung, „que le nombre d’abonnements à des quotidiens est en régression substantielle“. Bei acht von neun der größten Tages- und Wochenzeitungen, die das Brüsseler Centre d’information sur les médias (Cim) kontrollierte, stellte es zwischen Ende 2008 und Ende 2010 einen Rückgang der verkauften Auflage fest; nur das Gratisblatt L’Essentiel konnte seine Auflage steigern. (Die Auflage des Lëtzebuerger Land, die nicht zurückging, wird nicht von Cim kontrolliert.) Das Luxemburger Wort, das 2003 laut Cim täglich 74 623 Exemplare verkaufte, hatte Ende 2010 noch eine verkaufte Auflage von 67 954. Die verkaufte Auflage des Tageblatt fiel vergangenes Jahr erstmals wieder unter 15 000.
Hinzu kamen die Probleme der Zeitungsdruckereien. Die vielfältig mit den Tages- und Wochenzeitungen verbundenen Druckereien, die noch vor einem Jahrzehnt geglaubt hatten, expandieren zu müssen, um der Konkurrenz in der Großregion und Osteuropa standhalten zu können, stehen nun mit hohen Überkapazitäten und hohen Schulden da. Die im Herbst 2008 offen ausgebrochene Finanz- und Wirtschaftskrise führte zu einem Rückgang der Druckaufträge für Magazine, Prospekte und anderes Werbematerial. Der Umsatz der Sankt-Paulus-Druckereien fiel zwischen 2008 und 2009 von 26,8 Millionen Euro auf 16,7 Millionen Euro, derjenige der Editpress-Druckerei Polyprint von 1,9 auf 1,7 Millionen Euro. Die Imprimerie Centrale, die d’Lëtzebuerger Land, Lëtzebuerger Journal und Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek druckt, musste vor vier Wochen einen Sozialplan mit Entlassungen unterzeichnen. Die kommunistische Zeitung hatte ihre Druckerei Cope ganz aufgeben müssen, nachdem sie 2009 Verluste von 247 891,77 Euro und Schulden von 901 593,95 Euro angehäuft hatte.
In der Wirtschaftskrise sparten viele Unternehmen zuerst an der Werbung, so dass die Anzeigen in den Zeitungen abnahmen. Wobei die Tages- und Wochenzeitungen das Anzeigenvolumen nun mit der Gratispresse – den kostenlosen Tageszeitungen und den fast ausschließlich kostenlos verteilten Wirtschaftsmagazinen (siehe Seite 6) – teilen müssen. Laut dem vom Staat in Auftrag gegebenen Luxembourg Ad’Report ging das Bruttoanzeigenvolumen der verkauften Tageszeitungen zwischen 2008 und 2010 von 72,3 auf 68,1 Millionen Euro zurück, dasjenige der Wochenzeitung nahm von 15,0 Millionen auf 16,2 Millionen Euro zu.
So häufen sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Presse. Nachdem es der Sankt-Paulus-Gruppe gelungen war, sich zu sanieren, und sie 2007 und 2008 Profite von 4,15 und 1,80 Millionen Euro auswies, bilanzierte sie 2009 einen Verlust von 5,58 Millionen Euro (letzte verfügbare Zahlen). Schuld waren vor allem die rückläufigen Werbeeinnahmen ihrer Zeitungen und Zeitschriften und die Kosten des Sozialplans in ihrer Druckerei. Der Umsatz war von 99,7 Millionen Euro auf 86,9 Millionen gesunken. 2009 hatte sie auch eine Trennung ihres Immobilienbesitzes vom Geschäftsbetrieb vorgenommen. Von einem Gesamtumsatz von 86,9 Millionen Euro brachten der Verlag 56,2 Millionen Euro und die Druckerei 16,7 Millionen Euro ein.
Das Luxemburger Wort meldete Ende Januar 2011, dass der Sankt-Paulus-Verlag seine Geschäftsstrategie erneut einem gewandelten Umfeld anpassen müsse. Mit einem neuen Sozialplan sollten „die Arbeitsverträge von voraussichtlich 217 verbleibenden Mitarbeitern“ aufgelöst werden. Nachdem „von den am 1. Mai 2009 rund 700 Beschäftigten [...] insgesamt 159 Mitarbeiter den Betrieb verlassen“ hatten. Die „Magazindruckerei und die angegliederten Abteilungen“ sollen „bis spätestens im Jahr 2014“ geschlossen werden.
Dagegen hatte die ehemalige gewerkschaftliche Genossenschaftsdruckerei bereits vor fast 20 Jahren das Verlags- und Druckgeschäft geteilt. Der Escher Editpress-Verlag konnte nach einem Verlust von 560 941 Euro im Jahr zuvor einen Gewinn von 126 127 Euro für 2009 ausweisen (letzte verfügbare Zahlen). Allerdings betrug der bis 2009 angehäufte Verlust 2,8 Millionen Euro. Hinzu kommt der bis 2009 angehäufte Verlust der Druckerei Polyprint von 1,1 Millionen Euro. Während der Verlag Editpress einen Umsatz von 16,5 Millionen bilanzierte, betrug der Umsatz der Druckerei Polyprint 1,7 Millionen Euro. Ende 2010 erhöhte Editpress ihr Gesellschaftskapital von 6,3 auf 7.3 Millionen Euro.
Im Schutz ihrer neuen Verlagsgesellschaft Zeitung S.A. wies die Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek 2009 zwar einen Überschuss von 46 708,86 Euro aus – wären da nicht die Altlasten ihrer ehemaligen Druckerei Cope, die sie in ihrer Bilanz mitschleppen muss. Selbst die alternative Presse jammert beim Blick auf die Konten des zurückliegenden Geschäftsjahres: „Am Ende fehlten 22 000 Euro in der woxx-Kasse, so sagt es der Finanzbericht der auf der Hauptversammlung Ende März vorgestellt wurde.“ Deshalb müsse sie schon „wieder ein Sparprogramm auflegen“ (15.4.11).
Die Éditions d’Letzeburger Land wiesen 2009 ein positives Ergebnis von 20 2856,42 Euro auf und sind schuldenfrei. Das liberale Lëtzebuerger Journal bilanzierte 2009 den stolzesten Profit der Zeitungsverlage: 289 916,38 Euro. Das Geheimnis dieses Erfolgs stellen die Einnahmen aus den gesetzlich vorgeschriebenen Bekanntmachungen von Finanzgesellschaften und Verwaltungen dar, die mit 1,4 Millionen Euro mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes einschließlich Pressehilfe ausmachten. Hinzu kamen 333 000 Euro Dividenden.
Die Presse steht traditionell in einem strengen Konkurrenzverhältnis. Bis in die Achtzigerjahre war es ein ideologischer Konkurrenzkampf von Parteiblättern um politischen Einfluss. Nach dem Ende des Kalten Kriegs und der Entideologisierung wurde daraus ein Konkurrenzkampf von kommerziellen Zeitungen um Leserkunden. Doch mit den neusten Umwälzungen scheinen die Verlage nur noch um Anzeigen zu kämpfen – selbst auf Kosten ihrer Titel.
Denn nach den Berechnungen des Luxembourg Ad’Report erzielte die Gratispresse vergangenes Jahr 17 Prozent der Bruttowerbeeinnahmen der Tagespresse. War das Tageblatt jahrzehntelang der ganze Stolz seines Verlags, so stellt das zusammen mit der Schweizer Tamedia AG herausgegebene Gratisblatt L’Essentiel es nicht nur auflagenmäßig, sondern bald auch umsatzmäßig in den Schatten. Vergangenes Jahr verbuchte L‘Essentiel Bruttowerbeeinnahmen von 11,4 Millionen Euro gegenüber 11,9 Millionen für das Tageblatt.
Laut Cim machte die verteilte Auflage des Gratisblatts Point 24 Ende vergangenen Jahres nur die Hälfte derjenigen von L’Essentiel aus, die Bruttowerbeeinnahmen machten laut Luxembourg Ad’Report sogar nur ein Viertel aus. Deshalb kämpft der Sankt-Paulus-Verlag mit dem Mut der Verzweiflung um das Anzeigengeschäft seiner Gratispresse. Point 24, ewiger Zweiter hinter der L’Essentiel-Konkurrenz, wurde zuerst zweisprachig, verringerte dann sein Format und verbesserte seine Papierqualität, erschien kurz vor Weihnachten vorübergehend auch als Abendblatt, wurde in eine deutsche und eine französische Morgenausgabe aufgespaltet, schließlich um eine halbwöchige portugiesische Ausgabe ergänzt, und nun liegt auch die portugiesischsprachige Contacto, eine der auflagenstärksten Wochenzeitungen im Land, kostenlos in den Verteilerkästen des Point 24 aus.
Da die Gratispresse bei Grenzpendlern beliebt ist, entwickelt sie sich zuerst auf Kosten der französischsprachigen Tageszeitungen derselben Verleger. Laut Cim verloren sowohl La Voix des Sankt-Paulus-Verlags als auch die lokale Républicain-Lorrain-Erbin von Editpress zwischen Ende 2008 und Ende 2010 über sieben Prozent ihrer verkauften Auflage. Nachdem ihre Flaggschiffe Luxemburger Wort und Tageblatt ihren eigenen Auflagenrückgang zuerst mit einer Abwanderung ihrer französischen Leser zu ihren französischsprachigen Tageszeitungen erklärt hatten.