Die Vervielfältigung der elektronischen Kommunikationskanäle scheint das bisher Unvorstellbare zu erlauben: War es in der Vergangenheit höchstens einem Citizen Kane, einem Rupert Murdoch oder einem anderen Pressemogul, der über das nötige Kapital zum Erwerb von Rotationsdruckmaschinen oder Rundfunksendern verfügte, möglich, sich mit seinem Anliegen an die Weltöffentlichkeit zu richten, so scheint es heute dank Internet, Blog, Facebook und Twitter [&] Co. in der Reichweite jedes Schülers mit einem Smartphone in Asselscheuer und jedes Kunden eines Internetcafés in Alexandria. Unaufhaltsam werden immer neue Kabel verlegt, immer neue Funknetze freigeschaltet, um wachsende Datenmengen zu beschleunigen, in denen Milliarden Privatpersonen sich gegen eine erschwingliche Flatrate mit ihren Ansichten über die interne Abwertung in Griechenland oder einem Kochrezept für Griespudding an die Welt richten können.
Auch wenn erfahrungsgemäß bedeutend mehr Leute über den Griespudding als über die interne Abwertungen lesen wollen, erscheint das doch im Vergleich zu den Zeiten Citizen Kanes als großer demokratischer Fortschritt. Auf dem Gebiet der Politik ist das auch hierzulande festzustellen, wo insbesondere kleinere Parteien, denen kein Parteiblatt nahe steht, keine Flugblätter mehr auf Wachsschablonen tippen oder heimlich im Büro Fotokopien machen müssen, um sich Gehör zu verschaffen, son[-]dern mit Hilfe von Internetseiten und Newsletter militieren können. Selbstverständlich hat auch die neue Freiheit ihre engen Gren[-]zen. Nach den alten Meinungsmonopolen drohen neue Monopole, wie Google oder Facebook, zu entstehen, welche die honorarfreien Meinungen, Koch[-]rezepte und Urlaubsfotos ihrer „Community“ in Kapital verwandeln und für ewige Zeiten verwerten.
Doch damit scheint nur auf den ersten Blick auch eine Epoche zu Ende zu gehen, da als „vierte Macht im Staat“ die Presse oder zumindest die politische Presse eine wichtige Rolle für die Demokratie spielte. Wenn dank neuer Kommunikationstechniken jeder sein eigenes Presseorgan sein kann, rufen jene ohne geistiges Eigentum immer lauter nach der Ab-schaffung des geistigen Eigentums. Wenn jeder Journalismus machen kann, scheint der Beruf des Journalisten überflüssig zu werden. War nicht eine Woche lang als neue Heldin des für Journalismus gehaltenen Transparenz-Zwangs die Internetseite Wikileaks gefeiert worden – statt Bradley Mannings, der dafür lebenslänglich in einer Zelle hocken dürfte?
Es kann der Presse und dem Berufsjournalismus nur nützen, wenn sie sich durch die angebliche Amateurkonkurrenz auf ihr Fachkräfte verlangendes und deshalb keineswegs kostenloses Handwerk besinnen müssen, aus Informationen eine Auswahl zu treffen, ihre Wichtigkeit zu bewerten, sie nachzuprüfen, in einen Zusammenhang zu stellen, um sich eine qualifizierte Meinung bilden zu können. Auch das ist, neben der Meinungsfreiheit für alle, ein Stück Demokratie.